Praxis-Check von Unterrichtsreihen zum Thema "Mehrsprachigkeit"
Was Sie auf dieser Seite finden:
Wir stellen Ihnen verschiedene Vorschläge für Unterrichtsreihen mit den entsprechenden Materialien vor:
Arbeitsheft zum Lehrwerk "Texte, Themen und Strukturen"
Schroedel-Grundkurs Abitur 2019
Abibox
Check des UR-Vorschlages aus dem Arbeitsheft von "Texte, Themen und Strukturen"
Anmerkungen zu diesem Schaubild:
Die Unterrichtsreihe beginnt mit der Frage, was das eigentlich ist: Mehrsprachigkeit. Medial wird die Frage vorläufig beantwortet mit Hilfe einiger Bilder und einigen Fragen zur Einschätzung der eigenen Situation im Hinblick auf das Phänomen.
In einem nächsten Schritt geht es um das Verhältnis von Mehrsprachigkeit und Identität. Einen Einstieg in das Verständnis der damit verbundenen Probleme bringt zunächst der Erfahrungsbericht einer jungen Polin mit der schönen Überschrift: "Lost in translation" sowie vier weitere Stellungnahmen von Betroffenen.
In einem dritten Schritt geht es dann um Aspekte des Spracherwerbs mit dem Ziel der Mehrsprachigkeit. Zunächst gibt es Informationen zur Theorie, anschließend zur Praxis in einem englischsprachigen Kindergarten.
Es folgt eine Zwischensicherung, bei der Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden sollen - verbunden mit einem Rückbezug auf die behandelten Texte. Ergänzt wird das durch die produktive Aufgabe, Tipps für betroffene Eltern zu entwickeln.
Es folgt eine Übersicht über "typische Kennzeichen des Mehrspracherwerbs", z.B. Mischäußerungen. Konkret wird das durch die Beispiele, die den Kennzeichen zugeordnet werden sollen.
Anschließend geht es um das sicher auch kontrovers zu diskutierende Thema der Frage der Vorteile von Mehrsprachigkeit, konzentriert auf das Phänomen Gehirntraining sowie die Frage, wie Sprachen auf unterschiedliche Art und Weise die Welt begreifen. Das ist sicher ein Bereich, der noch erweitert und vertieft werden könnte.
Es folgt das Thema "Facetten von Mehrsprachigkeit",
zunächst die Frage der Häufigkeit und des Ausmaßes von Mehrsprachigkeit in EU-Europa und Beispiele für Minderheitensprache in Deutschland.
In diesem Zusammenhang sind auch die "Dimensionen von Mehrsprachigkeit" untergebracht worden, also die individuelle, die territoriale und die institutionelle. Verzichtet wurde auf die gesellschaftliche, was unter systematischen Gesichtspunkten diskutiert werden kann.
Dazu kommt noch das Thema der "inneren Mehrsprachigkeit", das mit dem Phänomen der sog. "Varietäten" verbunden wird.
An einem Informationstext zum "Sprachverhalten türkischstämmiger Jugendlicher" wird auch auf Code-Switching eingegangen.
In einem nächsten Schritt wird die Frage des Sprachwandels im Hinblick auf die deutsche Sprache thematisiert, wobei es vor allem um die zunehmende Schnelligkeit der Veränderung geht, die besonders auch die Grammatik betrifft, also ins System der Sprache eingreift. Damit wird in besonderer Weise den Abiturvorgaben in NRW entsprochen, die ja neben dem Spezialthema der Mehrsprachigkeit noch weitere sprachliche Bereiche behandelt sehen wollen.
Anschließend geht es um "Mehrsprachigkeit in der Schule", zum Beispiel die Verbindung von Abitur und Baccalauréat an einem Gymnasium in Düsseldorf sowie die Situation an einem deutsch-italienischen Gymnasium in Berlin. Das dritte Beispiel bezieht sich auf Türkisch als zweite Fremdsprache an einem Gymnasium in Gelsenkirchen.
Spannend ist sicher die These: "Die Muttersprache scheint von der Fremdsprache zu profitieren." Hier fragt man sich, ob es nicht auch kritische Stimmen gibt, die man gesondert einbeziehen müsste.
Auf der Basis des Jahres 2016 wird dann auf das Thema der sprachlichen Integration von Flüchtlingen eingegangen. Dabei wird erfreulicherweise auf mehrere Schulen eingegangen.
Die letzte Unterrichtseinheit wendet sich dann dem Erfolg des Englischen in Deutschland zu. Nach Meinung von Martin Spriewank sollen sich im Rahmen der Globalisierungstendenzen die Englisch-Fähigkeiten der Schüler deutlich verbessert haben. Hier wird das Englische auf dem Weg "von einer Fremdsprache zu einer Zweitsprache" gesehen. Hier hätte man sich vielleicht die Einbeziehung von größeren sprachlichen Herausforderungen gewünscht, zum Beispiel den Erwerb von Chinesisch-Kenntnissen, die möglicherweise in der Zukunft eine sehr viel größere Rolle mit entsprechenden Berufschancen einnehmen.
Den Abschluss der Reihe bildet dann eine Einheit zum Klausurtraining, in der es um die Analyse eines Sachtextes geht. In dem präsentierten Beispiel geht es um die Perspektiven für die deutsche Sprache in der Welt, wobei vor dem Hintergrund der vermehrten Nutzung von Sprachkursen der Goethe-Institute Chancen gesehen werden.
Vorstellung der Detail-Angebote des Arbeitsheftes - bis S. 96
Texte, Themen und Strukturen · Deutschbuch für die Oberstufe - Nordrhein-Westfalen
Das Arbeitsheft beginnt auf S. 84 mit vier Bildern, bei denen man diskutieren soll, welches am besten zum Thema "Mehrsprachigkeit" passt. Das hat den Vorteil, dass man optisch beginnt und zu ersten Ideen bzw. auch Fragen vordringt.
Noch hilfreicher dürfte dann wohl die zweite Stufe sein, mit der man auch beginnen könnte: Dort werden sechs Thesen aufgestellt, denen man mehr oder weniger zustimmen soll. Das geht von der einfachen Frage nach der eigenen Mehrsprachigkeit bis hin zur philosophischen Frage, inwieweit Mehrsprachigkeit die eigene Identität positiv oder auch negativ beeinflussen kann.
Bis hierhin schon mal ein sehr guter erster Eindruck, was die direkte praktische Verwendbarkeit angeht - mit dem Potenzial, dass daraus nicht nur Wissen, sondern auch Verständnis und die Möglichkeit des Weiter-Fragens erwachsen.
Auf S. 85 wird der Check möglicher Gegebenheiten noch fortgesetzt und zugleich konkretisiert, indem von Sahar (16) aus Afghanistan ausgegangen wird, die entsprechend ihren Spracherfahrungen ihre Situation bei der Ankunft in Deutschland und 10 Monate später beschreibt und in zwei Körperbildern veranschaulicht. Letzteres finden wir unnötig und möglicherweise auch missverständlich. Warum reicht die englische Sprache vom Kopf bis in die Region der Sexualorgane, zumal bei den Aufgaben auch noch "Details wie Hände, Kopf, Beine" interpretiert werden sollen. Anschließend sollen die Schüler das auf ihre Situation übertragen. Grundsätzlich sicher eine gute Idee für eine Bestandsaufnahme der Lerngruppensituation - wir würden nur auf die Körperbilder verzichten und zum Beispiel die Bedeutung der verschiedenen Sprachen räumlich, sozial oder auch thematisch zuordnen. Dann würde sichtbar, dass möglicherweise religiöse oder allgemein kulturelle sowie die Familie betreffende Bereiche stärker von der Herkunftssprache bestimmt werden, während zum Beispiel im Alltag praktische Fragen von Wareninformationen bis hin zu Gebrauchsanweisungen eine große Rolle spielen. In der Schule werden Schüler mit Migrationshintergrund besonders in Richtung Zielsprache gefordert, was etwa politische, geschichtliche, aber auch literarische oder künstlerische Bereiche angeht.
Ein absolutes Highlight findet sich auf S. 87. Dort schildert eine Polin, die als Vierzehnjährige im Jahre 1959 zunächst nach Kanada und dann nach New York ausgewandert ist, welche Probleme sie mit den zwei Sprachen hat, wenn es um die innere Verarbeitung von Erfahrungen oder auch die private Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung geht. Man kann diesen Erfahrungsbericht sehr gut nutzen, um Grundwissen zum Thema Sprache, aber auch ihre Bedeutung für die eigene Identität herauszuarbeiten. Man denke hier an den konnotativen Bereich der Semantik oder auch abstrakte Begriffe im Unterschied zu konkreten. Näheres dazu hier: https://www.schnell-durchblicken2.de/eva-hoffmann-lost-in-translation
Auf S. 88 dann vier Texte von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Was an den Texten verwundert - und das wirft auch ein neues Licht auf den eben vielleicht etwas vorschnell bejubelten Beitrag der Polin in New York: Keiner der Texte hebt hervor, dass das Deutsche als neue bzw. zusätzliche Sprache einen Gewinn darstellt, man eine Kultur kennenlernt, die einen bereichert. Jetzt kann man Goethe oder Rilke im Original lesen - etwas, was seit Jahrzehnten - wie man hören und lesen kann - Japaner, Koreaner, Chinesen ganz wichtig erscheint.
Das Gefühl der Zerrissenheit Beim ersten Text von einer jungen Portugiesin geht es um das Gefühl der Zerrissenheit zwischen den beiden Sprachen: "Wie man Tau zieht." Warum keine Ergänzung, warum muss das eine das opfern, was das andere gewinnt - eben wie beim Tauziehen. Warum keine sprachliche Win-win-Situation?
Abgrenzung zur Sprache des Ziellandes - Verweigerung einer inneren Annäherung Eine Autorin, die mit 3 Jahren aus Jugoslawien kam, ist in Deutschland groß geworden. Schon wenn sie sagt: "Ich spreche eine schöne Sprache und die Urlauber, die in mein Land kommen, sind angetan von den Menschen und der Sprache", weiß man einen Moment lang nicht, welche Sprache sie meint. Eigentlich sollte es doch Deutsch sein - doch dann wird deutlich, dass zu Hause nicht nur nicht Deutsch gesprochen wurde, sondern das auch noch nicht erwünscht war. Der Textauszug endet mit: "Deutschland muss vor der Tür bleiben." Vielleicht wäre etwas mehr Integrationsperspektive ermutigend gewesen.
Das Problem des Herzens Dann eine 12jährige, die in Syrien geboren wurde und seit 11 Monaten in Deutschland war. In ihrem Gedicht ist Deutsch "schön wie die Blumen". Aber "Arabisch ist mein Herz." Das kann man verstehen - aber ob man auf dieser Basis die Frage diskutieren kann, wie bei einem Migranten (und hier geht es ja ganz offen um eine Zuwander-Perspektive) das Herz sich erweitert? Spätestens hier wird ein großer Mangel dieser Textsammlung deutlich: Er blendet Doppelsprachler wie Marcel Reich-Ranicki oder Adalbert von Chamisso völlig aus, die ihr kulturelles Glück am Ende vorwiegend in der deutschen Literatur gefunden haben. Hier merkt man den Unterschied in der Gewichtung von Mehrsprachigkeit damals und heute deutlich.
Muss die deutsche Sprache "Butterbrot" bleiben? Als letztes kommt eine Äußerung eines 16jährigen Schülers, der in Deutschland geboren wurde und mit seinen Eltern türkisch spricht. Für ihn ist Türkisch "wie der Zitronenkuchen meiner Oma", der ihm ein "warmes Gefühl" verleiht. "Deutsch ist die Kopfsprache. Deutsch ist ein Butterbrot." So bleibt man Ende nur: "Ich kann nicht ohne Butterbrot leben, ich will nicht ohne Zitronenkuchen leben." Man fragt sich wirklich, was haben die ganzen französischen Hugenotten anders gemacht, als sie in Preußen nach ihrer Aufnahme Deutsche wurden - was haben die Polen gemacht, die um 1900 ins Ruhrgebiet kamen und bei denen nur noch der Name an die polnische Herkunft erinnern. Niemand hat etwas dagegen, wenn die Nachfahren auch heute noch stolz auf ihre Herkunft sind - aber sie haben offensichtlich auch ihren Zitronenkuchen in Deutschland gefunden.
Auswertung der individuellen Erfahrungen mit Migrations-Mehrsprachigkeit Damit endet übrigens das Angebot zum Thema "Mehrsprachigkeit - Was heißt das?" Leider werden hier nur ganz wenige Problem-Aspekte angesprochen, die zum einen zeigen, dass es dem Aufnahmeland anscheinend nicht gelingt, mehr als eine materielle Existenzgrundlage zu geben. Dies wirft übrigens spiegelbildlich ein Licht auf viele junge Deutsche, die möglicherweise auch nicht viel mehr in dem verwurzelt sind, was man deutsche Kultur nennt. Vor diesem Hintergrund kann man keinem Menschen mit Migrationshintergrund vorwerfen, wenn er beim "Zitronenkuchen" seiner (sprachlichen) Herkunft bleibt. Weil sie so wichtig ist, wiederholen wir hier abschließend zu diesem Thema noch mal die Frage. Wäre das Bild nicht weniger einseitig geworden, wenn man auch Deutsche hätte zu Wort kommen lassen, die etwa in die USA oder nach Argentinien ausgewandert sind. Haben die auch so gelitten - oder haben die die neue Kultur und Sprache sich mit innerem Gewinn "anverwandelt"? Und von Marcel Reich-Ranicki sprachen wir schon - zu dem und dessen besonderem Verhältnis zu Deutschland sollte man ein Referat machen lassen: Denn extremer geht es nicht - von Deutschen bis fast auf den Tod verfolgt worden zu sein - und dennoch ihre Sprache und Literatur zu lieben.
An dieser Stelle könnte es sinnvoll sein, sich mit dem Sammelband "In zwei Sprachen leben. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Ausländern" zu beschäftigen, der als dtv-Taschenbuch Nr. 11579 im Jahre 1992 veröffentlicht wurde und über Amazon im Dezember 2018 durchaus noch für relativ wenig Geld zu haben ist. Harald Weinrich verspricht im Vorwort: "Wer also genauere und zuverlässigere Auskunft wünscht, wie jene Migranten unter uns und mit uns leben, in welcher Sprache sie denken, träumen und schreiben und welchen Schatten sie werfen in unserem Land, findet in dieser Sammlung eine große Zahl von literarisch beglaubigten Zeugnissen, die ihn nicht gleichgültig lassen werden." (11) Dabei werden die folgenden Teilthemen jeweils mit vielen Texten abgehandelt:
Wohin gehöre ich?
Lebensläufe - Sprachläufe
Deutsche Grammatik
Durch Sprache getrennt
Stiefmuttersprache
In zwei Sprachen lieben
In zwei Sprachen leiden
Grenzübergänge
Der Duden ist dein Malkasten
Es mag sich am Ende herausstellen, dass die Verhältnisse von 1992 in vielem anders und vielleicht der sprachlichen Integration günstiger waren - aber das wäre dann eine kritische Anfrage an unsere Gegenwart.
Empfehlenswert ist sicher auch die Durchsicht der Homepage des Adalbert-von-Chamisso-Preises,
zum Beispiel von 2017. https://www.bosch-stiftung.de/de/news/adelbert-von-chamisso-preis-2017-fuer-abbas-khider ' Auf der Seite https://www.politischschreiben.net/gesprach-mit-senthuran-varatharajah/ gibt es zum Beispiel ein Interview mit einem tamilischen Autor, der in den 80er Jahren nach Deutschland kam. _____________________________
S. 89: "6.3. Spracherwerb und Mehrsprachigkeit - Mehrsprachiger Spracherwerb - theoretisch
- Claudia Maria Riehl, "Frühkindlicher Spracherwerb" (2014"
Vorstellung verschiedener Varianten
des "bilingualen Erstsprachenerwerbs": Je nachdem, wie sich die Sprachen von Vater, Mutter und Umwelt verteilen.
Bevorzugung des "Eine Person - eine Sprache"-Prinzips - Aber wirklich wqichtig ist eigentlich, dass die Sprachen getrennt gesprochen werden, man könnte also sagen: Möglichst Trennung der Sprachen, im Idealfall nach Personen wegen der leichteren Zuordnung
Entwicklungsphasen und mehrsprachiger Spracherwerb:
Ab 3 Jahren nicht mehr "bilingualer Erstspracherwerb", sondern "Zweitspracherwerb"
Der frühkindliche Zweitspracherwerb reiche bis zum Alter von 6 Jahren, man spreche hier von einer "sensitiven Periode"
danach werde es schwierig, eine Sprache auf dem Niveau der Muttersprache zu erlernen, das gehe dann nur noch bei einem Wechsel der Hauptsprache
Vorstellung des Begriffs der "Lernervarietät": Darunter ist zu verstehen, dass es verschiedene Stufen beim Erwerb einer Fremdsprache gibt, die einen eigenen Charakter und eine eigene Berechtigung haben.
Als wichtig wird hervorgehoben, dass weder zu lange Monologe
präsentiert werden, auch nicht zu viele fremde Wörter
auf einmal präsentiert würden
Der Begriff "Fossilisierung" wird vorgestellt, der vor allem bei der Migration von Bedeutung ist: Die Lerner begnügen sich mit einem bestimmten Stand, wenn der ihnen etwa beruflich genügt
Anmerkung: Hier wären sicher Beispiele von Migranten interessant, die etwa wie Bassam Tibi sowohl die deutsche Sprache wie auch die damit verbundene Kultur sich wirklich "anverwandelt" haben - wie Goethe so etwas genannt hat.
S. 90: "Mehrsprachiger Spracherwerb - praktisch - Kerstin Mitternacht, "Wie man täglich in die fremde Sprache taucht" (2016)"
Ausgangspunkt: Ein Kind in einem englisch-sprachigen Kindergarten Eltern mit unterschiedlichen Sprachen seien für Kinder kein Problem Verweis auf Nadine Kolb von der Uni Köln, die in Mehrsprachigkeit nur Vorteile sieht Wichtig sei das Kennenlernen der neuen Sprache über mehrere Stunden am Tag und in verschiedenen Kontexten Vorstellung des Programms der "Immersion" - dabei geht es immer um Lernen in klaren Kontexten, in denen man auch körpersprachlich Informationen austauschen kann
Ingrid Stolz vom Internationalen Kindergarten in Heidelberg rät Eltern davon ab, unnötig zusätzlich zu Hause in der Fremdsprache mit den Kindern zu reden, wenn man nicht selbst Muttersprachler ist
Mehrsprachigkeit bedeutet keine Förderung der kognitiven Fähigkeiten, so Prof. Clahsen. [Kritische Frage: Bezieht sich das auch auf das Durchschauen unterschiedlicher grammatischer Gegebenheiten und das Nachdenken über semantische Feinheiten???)
Prof. Heiner Barzt warnt vor Überpädagogisierung: Die innere Reifung der Kinder sei wichtiger als das zum Beispiel schulische Lernen [den Eindruck haben wir als Deutschlehrer auch oft, dass der Unterricht - satirisch überspitzt - nur die Aufgabe hat, die natürliche Sprachentwicklung der Schüler nicht zu behindern ;-)]
Wichtig sei auch, den "Optimierungswahn der Eltern" nicht gegen die Bedürfnisse der Kinder auszuspielen.
Aufgaben zu den beiden Texten auf S. 89 und S. 90
Recht hilfreich ist eine Tabelle, in der Schüler prüfen sollen, ob Aussagen entsprechend den beiden Texten stimmen oder nicht.
Außerdem sollen sie Tipps für die mehrsprachige Erziehung eines Kindes prüfen.
Am Ende sollen die Schüler noch für sich selbst zusammenfassend festhalten, was sie selbst beim Erlernen einer Fremdsprache beachten sollten.
Außerdem wird auf einen Text im TTS, also dem Unterrichtshauptwerk von Cornelsen verwiesen: Isabell Wartenburger, "In fremder Zunge - Wie das Gehirn mit Erst- und Zweitsprache umgeht" (2011), (TTS 2014: S. 340-341) Die Verfasserin ist (Stand Januar 2019) Professorin an der Universität Potsdam: https://www.uni-potsdam.de/de/nola/mitarbeiter/prof-dr-isabell-wartenburger.html Eine Zusammenfassung des Textes gibt es hier.
S. 92: Zusammenstellung typischer Kennzeichen des Mehrspracherwerbs
aus einer Veröffentlichung des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie aus dem Jahre 2014
Hier geht es zum einen um das Phänomen der "Asynchronalität", also der phasenweise unterschiedlichen Geschwindigkeit beim Erwerb der beiden Sprache bei einem bilingualen Lernprozess
dann um "metasprachliche Fähigkeiten", also dem schon sehr früh vorhandenen Bewusstsein, dass es sich um verschiedene Sprachen handelt
Schließlich geht es noch um "Mischäußerungen", also der Vermischung der Sprachen, und "Interferenzen", gewissermaßen der grammatischen Variante dieses Phänomens. Beides sind aber für die Verfasser keine wirklichen Probleme, da das mit der Zeit abgebaut wird.
Interessant könnte eine Recherche sein, die sich mit der Beziehung von Logopäden zur Mehrsprachigkeit beschäftigt. Im Normalfall verbindet man "Logopädie" ja mit der Unterstützung bei Sprechproblemen. Was haben die mit Mehrsprachigkeit zu tun? __________________________
S. 93: Einstieg in 6.4: Vorteil Mehrsprachigkeit? Martin Spiewak: "Bilingualität: Das doppelt trainierte Gehirn" (2015)
Hier geht es vor allem um Forschungsergebnisse der kanadischen Psychologin Ellen Bialystok, die eine Art "Offenbarung" hatte, als mehrsprachig aufwachsende Kinder ihr klar machten, dass sie einen inhaltlich unsinnigen Satz grammatisch durchaus als richtig beurteilten, also differenzieren konnten und ein Gefühl für das System Sprache zeigten.
Erklärt wird das mit einer zusätzlichen geistigen Leistung, die bei Mehrsprachigkeit immer erbracht werden muss, nämlich die Aktivierung der richtigen Sprache und das Zurückdrängen der "falschen" Sprache.
[Kritische Anmerkung: Die Frage ist, wie groß diese geistige Leistung wirklich ist, wenn es sich nicht um ein ständiges Umschalten zwischen mehreren Sprachen handelt.]
[Interessant ist auf jeden Fall der Nebenbei-Hinweis, dass früher die Wissenschaft eher Probleme bei Mehrsprachigkeit gesehen hat, nämlich eine Belastung der Ausgangs- bzw. Hauptsprache. Hier möchte man doch wissen, ob diese Bedenken alle falsch waren und sind. Inzwischen sind wir ja etwas skeptisch geworden gegenüber politisch gewünschten Wissenschaftsergebnissen und Erfahrungen nach dem Motto: "Die Wahrheit von heute ist die Unwahrheit von morgen."]
Erfreulicherweise stellt der Verfasser selbst fest: "die Ergebnisse sind nicht unumstritten", um dann aber doch erleichtert festzustellen: "Jenseits des Streits um Details aber wird immer klarer, wie sehr Menschen von der Fähigkeit der Mehrsprachigkeit profitieren."
Auch auf gewisse Verzögerungseffekte bei einer Alzheimer-Erkrankung wird hingewiesen.
Was man hier wie auch in vielen anderen Fällen vermisst, ist ein Hinweis auf den Kompetenz- und ggf. auch Loyalitätsgrad des Verfassers. Erfreulicherweise wird in der Überschrift vermerkt, dass dieser Textauszug aus dem Jahre 2015 stammt, zur Qualifikation bzw. zur Glaubwürdigkeit gibt es aber keine Hinweise - und die Wahrscheinlichkeit, dass im Unterricht diese Infos mühsam aus dem Literaturverzeichnis oder aus dem Internet herausrecherchiert werden, ist relativ gering. Hier liegt offensichtlich noch ein zu großes Lehrbuch-Selbstbewusstsein der Arbeitsheftgestalter vor und zu wenig Einsicht in die Relativität und Überprüfungsbedürftigkeit von Wissenschaft zumindest im Vorfeld der "allgemeinen Hochschulreife". Wenn man die Überschrift des Textes samt Verfasser sucht, landet man übrigens hier: https://www.zeit.de/2015/47/bilingualitaet-kinder-intelligenz-sprache-mehrsprachigkeit Also - ein einfacher Artikel in einer Wochenzeitung - ohne transparenten Wissenschaftsbezug.
Wenn man dann weitersucht, kommt man zu einem biografischen Wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Spiewak Hier wird aber auch nicht deutlich, inwieweit Herr Spiewak spezialisiert ist auf Fragen aus dem Umfeld "Sprache". Preise bekam er für den Themenbereich "Gesundheit" und "Schule allgemein". So muss man also versuchen, direkt zu Ellen Bialystok vorzustoßen, auf die er sich in dem Artikel ja primär bezieht. Und dann ist man schnell bei einem biografischen Artikel: https://en.wikipedia.org/wiki/Ellen_Bialystok der erst mal alle Zweifel ausräumt.
Man kann dann nur noch selbst weiter recherchieren und stößt zum Beispiel auf den folgenden Artikel, in der in mancher Hinsicht noch weitergeht, nämlich auch positive soziale Auswirkungen mit einbezieht: https://www.welt.de/wissenschaft/article154185581/Wie-Mehrsprachigkeit-unser-Gehirn-veraendert.html
S. 94: Klaus Wilhelm, "Gedacht wie gesprochen" (2011)
In dem Textauszug geht es darum, an einem einfachen Beispiel zu zeigen, wie die Sprache unser Denken beeinflusst. Die letztlich willkürliche Geschlechtszuordnung in den verschiedenen Sprachen führt nämlich zu entsprechenden eher männlichen oder weiblichen Assoziationen.
Daraus wird dann die Frage abgeleitet, inwieweit unser Denken durch Mehrsprachigkeit erweitert bzw. bereichert wird. In diesem Zusammenhang wird man dann auch an die Whorf-Hypothese erinnert. https://de.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese
S. 95: "Facetten von Mehrsprachigkeit"
Zusammenstellung von Materialien zur Mehrsprachigkeit in Europa und besonders in Deutschland
auf der Basis von Eurobarometer-Daten aus dem Jahre 2012
Hier könnte es interessant sein, nach entsprechenden Daten aus jüngerer Zeit zu suchen, zumal sich ja im Bereich der Mehrsprachigkeit seit 2012 besonders in Deutschland viel getan hat, wenn man an die Migration denkt. Nach kurzer Recherche stellt man dann fest, dass es wohl nur diesen Bericht gibt http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/archives/ebs/ebs_386_de.pdf Tja, da tauchen Fragen auf, was die EU und ihre Bemühungen um die Spachkompetenzen der Bürger in ihrem Bereich angeht. Einige aktuelle Zahlen zum Jahr 2018 findet man auf den S. 20 und 21 von: https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00035140/Schulen_auf_einen_Blick_2018_Web_bf.pdf;jsessionid=5BBFAA19E06C8B05F31D4EF0E0326230
S. 96: "Dimensionen von Mehrsprachigkeit"
Hier werden zunächst einmal Beispiele präsentiert für innere Mehrsprachigkeit, die die Schüler mal auf ihre eigene Situation übertragen könnten.
Dann gibt es ein interessantes Schaubild, das die innersprachlichen Varietäten nach vier Aspekten aufschlüsselt:
sozial -> Soziolekt
geografisch -> Dialekt
funktional -> Fachsprachen und Sondersprachen
situativ -> "Register" - hier taucht ein spezieller Begriff aus der Linguistik auf, der nicht näher erklärt wird. Weiterhelfen können hier Hinweis von der Seite: https://www.sprachbildung.uni-hannover.de/fileadmin/sprachbildung/Praesentation_4_170215.pdf Dort werden die sprachlichen Register nämlich mit den verschiedenen Möglichkeiten, sich anzukleiden, verglichen: Zu Hause kleidet man sich anders als im Beruf, beim Karneval anders als bei einer Beerdigung usw. Dieser Vergleich dürfte sehr hilfreich sein.
Arbeitsheft ab S. 97
S. 97: "Emel Huber: "Das Sprachverhalten türkischstämmigerJugendlicher" (2016)
Zur Verfasserin:
Die Verfasserin wurde 1980 an der Türkischen Universität in Istanbul promoviert.
Habilitierte sich dort im Fach Linguistik
1996 wechselte sie an die Uni Essen und übernahm dort 1997 den Lehrstuhl für Türkisch
Sie hat sich vor allem im Austausch zwischen den Universitäten engagiert. http://www.lehrer-info.net/kompetenz-portal.php/cat/2/aid/32
Hinweis im Textauszug auf die Besonderheit türkischer Jugendlicher, die eine zweisprachige Jugendsprache entwickelt haben.
Eine weitere Besonderheit sind dann verständlicherweise auch das Code-Switching und Code-Mixing: Letzteres versteht sie als Miniform der Vermischung.
Gründe:
unterschiedliche Gesprächspartner
bestimmte Modewörter, die man einbauen möchte
spezielle kulturelle Gründe bzw. Motive
Gruppenbildung
"sprachsystemabhängige Konstruktionsstrategie": Das wird leider nicht näher erklärt. Eingegangen wird nur etwas genauer auf:
"Modewörter in Jugendsprachen": Was gerade "modisch" ist, ist natürlich leichter verfügbar und kann auch eine Brücke zwischen den Sprachen bilden
"Beweggrund Gruppenbildung": Hier greift sie auf die beiden entscheidenden Motive für Jugendsprachen zurück, nämlich das Für-sich-sein-Wollen und das Sich-abgrenzen-Wollen
Empfehlung: Exkurs in Richtung "Kiezdeutsch": Das ergänzt die Teilthematik sehr gut. https://www.schnell-durchblicken2.de/kiezdeutsch Der Begriff löste um 2006 eher negativ konnotierte Begriffe sie "Kanak-Sprak" ab. Interessant sind spezielle grammatische Eigentümlichkeiten, die an Beispielen erläutert werden. Einen Streit gibt es darüber, inwieweit es sich um einen neuen "Dialekt" handelt oder ob hier nicht eine spezielle Jugendsprache mit dieser Zuordnung nur aufgewertet werden soll.
S. 99: "Sprachwandel: Hat Mehrsprachigkeit Auswirkungen auf das Deutsche": Andreas Frey, "Krasses Deutsch"
Zu finden ist der Artikel hinter einer Bezahlschranke auch auf: http://www.genios.de/presse-archiv/artikel/BADZ/20160213/krasses-deutsch-sprachwandel-hat-es/51113083198.html
Sehr interessanter Einstieg, der in Frage stellt, ob der Artikel in 100 Jahren überhaupt noch verstanden wird. Hier könnte man kritisch anmerken, was das für eine Kultur bedeutet, wenn man zum Beispiel im Jahre 2018 Texte aus dem Jahr 1918 nicht mehr versteht - zur Zeit ist es noch so, dass Schiller und Goethe, wenn auch mit einiger Mühe, noch verstanden werden. Auf diese problematische Konsequenz seines Freudenrausches über den immer rascheren Sprachwandel geht er nicht ein.
Eine besondere Rolle spiele bei der Beschleunigung des Sprachwandels die Migration. Hier kann man sich auch fragen, ob die Richtung der Integration nicht ursprünglich anders gedacht war. Im Einzelfall müsste geprüft werden, ob sich die Klarheit und Differenziertheit des Inhalts dabei nicht ändert. Wenn man allerdings sieht, wie die Verwendung des Wortes "cool" ja gerade einen Verlust an Differenzierung mit sich gebracht hat, dann sieht man, dass man vor den sprachlichen Folgen der Migration nicht viel Angst haben muss. Die Probleme gab es schon früher - und ihre Bewältigung bleibt eine stetige Aufgabe.
Nach Meinung des Autors wird die deutsche Sprache im grammatischen Bereich einfacher und nähert sich dabei dem sehr erfolgreichen Englischen an. Fortgesetzt und intensiviert werde zum Beispiel der Verb-Wechsel von der starken auf die schwache Seite. Das kann man sicherlich uneingeschränkt positiv sehen. Wenn der Sprachwandel sich auf Vereinfachung des sprachlichen Mittels bei Beibehaltung der Höhe der Differenzierung konzentriert, kann das sicher positiv gesehen werden.
Problematisch erscheint die etwas lässige Behauptung, dass viele Menschen das Deutsch, das sie gelernt haben, nur aus Bequemlichkeit oder sogar Arroganz für das beste halten. Hier hat man den Eindruck, dass - wenn von der "sozialen Distinktion" gesprochen wird, es um eine Angleichung nach unten geht, wie sich das zum Teil bei der Rechtschreibreform gezeigt hat. Man wollte weniger Fehler sehen, verzichtete deshalb zum Teil auf die alte Regelung der Kommasetzung beim "erweiterten Infintiv mit zu" und hatte am Ende kompliziertere Regeln als vorher. Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt Komplexitätsniveaus beim Sprachgebrauch, die nicht unbedingt der Klarheit dienen. Immer wieder findet man in Zeitungen Beispiele aus wissenschaftlichen Arbeiten. Das ändert aber nichts daran, dass manchmal komplizierte Dinge auch sehr bewusst und differenziert ausgedrückt werden müssen - und da kann man nur hoffen, dass der Sprachwandel die Möglichkeiten dazu nicht beeinträchtigt.
Insgesamt ein Artikel, der viele Informationen und vor allem Denkanstöße enthält.
Siehe hierzu auch ergänzend den Artikel: https://www.sueddeutsche.de/wissen/linguistik-die-regeln-von-morgen-1.2705006
Der Artikel von Uwe Hinrichs, auf den sich die Aufgaben beziehen, ist hier zu finden: https://www.zeit.de/2016/16/linguistik-deutsch-grammatik-sprache-satzbau
S. 102: „Die Muttersprache scheint von der Fremdsprache zu profitieren (Spiwak, Kersten)
Spiewak = Wissenschaftsjournalist der „Zeit“
Kristin Kersten: Professorin Hildesheim, Anglistin, Sprecherin: Mehrsprachigkeit, bsd. frühe Kindheit, Forschungen im Bereich Grundschule
Zum Inhalt des Interviews
Ausgangspunkt: Viele Investitionen in Bilingualität – Problem Defizite im Deutschen
Mehrsprachigkeit grundsätzlich kein Problem und in Deutschland ist das Deutsche stark genug (reine These, auf die Probleme der Frage geht sie gar nicht ein)
Muttersprache profitiert sogar,wenn in den ersten Jahren nur in der Zweitsprache unterrichtet wird (reine These, die dem gesunden Menschenverstand widerspricht)
Auf Nachfrage: Hinweis auf gestärktes allgemeines Sprachbewusstsein, das kann auf andere Sprachen übertragen werden (weder konkret noch auf die Frage bezogen)
Frage nach den Inhalten des bilingualen Unterrichts: bei guten Programmen (das ist immer der Ausweg) gibt es keine Probleme, angebliche kanadische Forschungen: Mathe sogar besser, wenn in der Fremdsprache unterrichtet (auf das Problem der Doppel-Verständnisproblematik geht sie nicht ein) auf Nachfrage: Hinweis, dass die Lehrkraft in der Fremdsprache stärker mit Medien arbeitet 'Auf die kritische Nachfrage, das sollte doch auch in der Muttersprache geschehen: Konter, im fremdsprachlichen Sachunterricht unerlässlich, fordert: „Stummfilmtechnik“, dass sie dabei die Bedeutung von Sprache negiert, merkt sie gar nicht.
Dann erstaunlich fundamentale kritische Nachfrage nach diesem erstaunlichen „Loblied“: sie kontert wieder mit Hinweis auf einen entsprechend besseren d.h. extensiveren Englischunterricht in der Grundschule.
Fundamentale Kritik: Die Professorin geht in keiner Weise darauf ein, ob eine Mehrfachproblematisierung (Sache und Fremdsprache) nicht doch eher eine zusätzliche Erschwernis bedeutet, zumal die Kinder ja in der Grundschule jenseits des Bis-6-Jahre-Fensters sind und das Englisch auch nicht von den Eltern mitbekommen. '
Kritik am frühen Englisch-Unterricht in der Grundschule An dieser Stelle sollte auch eine Stimme gehört werden, die die Probleme des frühen bilingualen Unterrichts möglicherweise etwas realitätsnäher sieht. https://www.zeit.de/2012/16/C-SCHULE-Englisch-Grundschule/komplettansicht
Problem: Euphorie am Anfang = immer die Gefahr der Ernüchterung
Englischlehrer sagen, dass sie mit dem Grundschulenglisch nicht viel anfangen können, teilweise noch mal von vorne anfangen müssten (das kann natürlich auch daran liegen dass die Konzepte zwischen GS und Gym nicht abgestimmt sind)
Problem der Qualifizierung der Grundschullehrer: Die müssen ja plötzlich auch noch Anglisten sein, kostet Zeit und Geld
Problem der Migrantenkinder: Englisch ist nach Deutsch für sie die zweite Fremdsprache, Untersuchungen wurden von den Protagonisten in BaWü verschoben, sieht danach aus: unangenehme Wahrheiten nicht hören oder sehen zu wollen
„Geburtsfehler“ = Annahme, dass man eine Fremdsprache im GS-Alter besser lernt als später; Gegenargument: Zeitfenster weitgehend vorbei; außerdem wäre große Intensität nötig, normaler Unterricht in Deutsch kann dann kaum noch stattfinden
Späteres Erlernen günstiger wegen „größerer kognitiven Reife“
Insgesamt eine zwar schon einige Jahre alte, aber sehr aufschlussreiche Übersicht auch über Probleme, die mit Theorie und Praxis des frühen bilingualen Unterrichts verbunden sind,
Wir setzen das hier fort - und bitten um etwas Geduld.
Schroedel-Grundkurs Abitur 2019
Im Folgenden stellen wir das Unterrichtsreihenkonzept von Schroedel vor, das wir schon beim Thema "Gedichte des Expressionismus" sehr gut als Ausgangspunkt nutzen konnten. Auch hier wirkt die Anlage auf den ersten Blick schon recht überzeugend.
Grundkurs. Faust I / Die Marquise von O... / Sommerhaus, später / Expressionismus / Mehrsprachigkeit. Schülerarbeitsbuch. Abitur 2019. Deutsch. Nordrhein-Westfalen Bildungshaus Schulbuchverlage, Braunschweig 2017, S. 80-121
Wir listen das hier erst mal einfach auf und gehen dann genauer auf das Angebot ein und ggf. auch die praktischen Testergebnisse in der Kursarbeit.
S. 181ff: Einstieg mit dem Thema "Merkmale der Mehrsprachigkeit" - Bereich 1: individuelle Mehrsprachigkeit, evtl. drei Referate zu Zusatzmaterialien
Danielle Bengsch, Individuelle Mehrsprachigkeit (Internetartikel von 2015) am Beispiel des belgischen Sprachgenies Johan Vanderwalle Hier vermisst man nähere Angaben zur Verfasserin und dem Ort der Veröffentlichung, kann man nur über die Internet-Adresse erschließen.
Vorgestellt wird mit Johan Vandewalle ein im Jahre 1960 geborener Belgier, der 1987 in seiner Heimat Flandern einen Wettbewerb gewann, weil er insgesamt 31 'Sprachen beherrschte.
Näher eingegangen wird auf seine Entwicklung, wie sich die Zahl der von ihm beherrschten Sprachen vergrößerte.
Eine besondere Neigung entwickelte er zum Türkischen, weil diese Sprache für ihn mathematisch ist, was wohl bedeutet, dass sie berechenbar ist. An dieser Stelle fällt einem dann Esperanto ein und es wäre schön gewesen, wenn an dem Beispiel einfach überlegt worden wäre, ob nicht eine neutrale Weltsprache neben den eigenen auch eine Lösung sein könnte.
Vandewalle behauptet, dass ihm mit jeder weiteren Sprache das Lernen immer leichter gefallen sei, weil man Wmit den allgemeinen Strukturen vertraut" sei. Als Beispiel wird dann allerdings genannt, dass man weiß, dass es Deklination und Konjugation gibt - da wird man bei der Lektüre von Texten für die Oberstufe schon sehr nachdenklich und fragt sich, ob die anderen Thesen, Argumente und Beispiele von ähnlicher Schlichtheit sind.
Interessant ist sicher die Frage der Erblichkeit, auch wenn das Leute mit bereits feststehendem Erbgut nicht trösten kann - und die gezielte Veränderung des Erbgutes von Menschen ist Ende 2018 ja gerade durch einen Vorfall in China sehr ins Gerede gekommen.
Insgesamt ein Text, den man sicher als Einführung verwenden kann - spannend wird es dann aber erst, wenn man darüber hinausgehende Fragen stellt, zum Beispiel, welche anderen, vor allem semantischen Erfahrungen man macht, wenn man den Wortschatz von vielen Sprachen im Blick hat.
Spannend ist auch die Frage, ob es eine Hauptsprache und Nebensprachen gibt, ob man mehrere gleich gut beherrschen kann, ob es möglicherweise zu Überschneidungen kommt, d.h. zum Wechsel zwischen Sprachen - aus welchen Gründen und mit welchen Effekten.
S. 182ff: Bereiche "gesellschaftliche und institutionelle Mehrsprachigkeit" - Gruppenarbeit zu 5 Aspekten
Riehl, Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit: Territorialprinzip (2009) (Auszug aus einem Fachbuch)
Riehl, Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit mit individueller Mehrsprachigkeit (2009) (aus demselben Fachbuch)
Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit mit Minderheitsregionen (anscheinend ein Verfassertext, keine Quellenangabe), dazu eine Tabelle der Migrantensprachen in Deutschland
Riehl, Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit in städtischen Migrantengruppen
Institutionelle Mehrsprachigkeit (2014) (keine Angabe zu Herkunft des Textes und auch nicht zu den Verfassern)
S. 186ff: Bereich "Innere Mehrsprachigkeit" - evtl. verbinden mit dem Einstieg
doppelseitige Tabelle der verschiedenen Sprachkompetenzniveaus von A1 bis C2 in den Bereichen "Verstehen-Hören", "Verstehen-lesen", "Sprachen-an Gesprächen teilnehmen", "Zusammenhängendes Sprechen", "Schreiben"
S. 194ff: Texte von Trabant, Chilla, Rothweiler und Babur als Vorbereitung auf eine Klausur (materialgestütztes Schreiben)
Ausgangspunkt ist der originelle Ansatz, von dem grundsätzlichen Problem der Übersetzung auszugehen. Das ist zunächst einmal ziemlich schülerfern, hat aber den Vorteil, auf einem eher ungewöhnlichen Weg zum Thema "Mehrsprachigkeit" zu kommen. S. 92: Eingestiegen wird mit Goethes Faust und dem Übersetzungsproblem des Protagonisten: "Am Anfang war das Wort ..."
S. 94: Als zweites Beispiel wird Luthers Bibelübersetzung vorgestellt mit dem zentralen Ansatz: "Dem Volk aufs Maul schauen".
S. 104: Genaueres Eingehen auf Übersetzungsarbeit als Vertrauenssache
In einem zweiten Teil geht es dann um eine Bewertung von Mehrsprachigkeit, auch hier wird kulturgeschichtlich tief geschürft, indem von einem Text der Bibel ausgegangen wird. S. 106: Mehrsprachigkeit als Segen oder Fluch am Beispiel des Turmbaus von Babel
In einem nächsten Schritt geht es dann um grundsätzliche Einschätzungen der Bedeutung von Sprache, die schließlich mehr ist als ein reines Mittel zur Verständigung. S. 108: Anhand von Überlegungen Wilhelm von Humboldts geht es darum, Sprachen als Weltansichten zu begreifen.
S. 110: Das Verhältnis von Sprache und Identität - das Sprachverständnis von Jürgen Trabant
Anschließend geht es um eine Bestandsaufnahme der Situation im Bereich von Mehrsprachigkeit S. 114: Das Sprachenkonzept der EU.
S. 116: Mehrsprachigkeit als Normalfall - umfangreicher Artikel von Claudia Maria Riehl aus dem Jahre 2014
S. 121: Mehrsprachigkeit als kulturelles Kapital
S. 124: Mehrsprachigkeit als individueller Gewinn
S. 127: "Sprache, Kultur und Kognition"
S. 130: Mehrsprachigkeit und Denken
S. 135: Mehrsprachigkeit und Identität
S. 138: Mehrsprachigkeit und Integration
S. 140: Mehrsprachigkeit und Schule
Wir sitzen dran und bitten um etwas Geduld ...
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