August von Platen
O wonnigliche Reiselust
- Der Titel lässt darauf schließen, dass das Lyrische Ich hier wohl smehr oder weniger enthusiastisch die Freude am Reisen besingt.
O wonnigliche Reiselust,
an dich gedenk ich früh und spat!
Der Sommer naht, der Sommer naht,
Mai, Juni, Juli und August,
da quillt empor,
da schwillt empor
das Herz in jeder Brust.
- Die erste Strophe beginnt mit dem Titel-Freudenausruf im Hinblick auf das Reisen.
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Die zweite Zeile setzt dann den Akzent weniger auf Intensität als auf die Dauerhaftigkeit dieses Gefühls.
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Verbunden wird das vor allem mit dem Sommer, was dann sogar wiederholt wird.
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Es folgt die Aufzählung der Sommermonate.
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Die letzten drei Zeilen schildern die Gefühle etwas genauer, nämlich aus eine hervorkommende und dann sich immer mehr verstärkende Bewegung im Umfeld des Herzens.
Ein Tor, wer immer stille steht,
drum Lebewohl und reisen wir!
Ich lobe mir, ich lobe mir
die Liebe, die auf Reisen geht!
Drum säume nicht
Und träume nicht,
wer meinen Wink versteht.
- Die zweite Strophe wendet sich dann im Ton der Verachtung an die, die das Reisen anders sehen. Ihr Leben wird als Stillstand gesehen, was man leicht in Frage stellen kann und was regelrecht zu einem Gegengedicht herausfordert. Außerdem wird jeder Vertreter dieser Haltung als "Tor" angesehen.
- Die zweite Zeile zieht dann für sich selbst noch mal die Konsequenz.
- Es folgt die emphatische (stark betonende) Wiederholung der positiven Einstellung gegenüber der "Liebe, die auf Reisen geht". Gemeint ist wahrscheinlich die Liebe zur Ferne, zum Nicht-still-stehen. Auch diese Zeile verlockt zu einem produktiven Missverständnis, bei dem man gut Goethes "Willkommen und Abschied" als Ausgangspunkt nehmen könnte - denn das Gedicht ist ja ganz geprägt vom Wegreisen von der Liebe und ihren Gefahren.
- Die letzten drei Zeilen wenden sich noch einmal an die Adressaten des Gedichtes und fordern auf - bezeichnenderweise erst mal nicht zu "träumen". Erstaunlich, dass in einem romantischen Kontext das Träumen negativ gesehen wird, in einem Zusammenhang mit dem (Ver-)säumen gesehen wird.
- Am Ende dann der ziemlich magisterhafte, fast schon hoheitsvolle Hinweis auf die Bedeutung der eigenen Erkenntnis und ihre Bedeutung für andere.
- Als Ausgangspunkt bieten sich an:
- diese Gefühligkeit ohne Inhalt,
- dann die Arroganz gegenüber anderen Auffassungen
- und die sehr unromantische Vorstellung vom Träumen.
Wie immer kommt es uns hier nicht auf künstlerische Vollkommenheit an, sondern auf den Versuch, ein paar Ideen in Verse zu fassen. Dabei ist der Reim häufig hinderlich, aber man kann es ja erst mal probieren - und zumindest haben wir es hier einigermaßen hinbekommen.
Ach, Platen, komm zur Sache:
Bevor ich hier was mache,
hätt ich schon gern gewusst,
wohin du denn so musst.
Du sprichst zwar viel von Liebe,
doch wohin solln die Triebe
dich eigentlich denn treiben.
Du kannst genauso bleiben,
zu Hause weiter träumen
dabei genauso säumen,
wie ich, der lieber bleibt,
es in der Heimat treibt.
Auch da ist ganz viel Leben,
kann man nach Neuem streben.
Wohin der Mensch auch geht,
Er immer bei sich steht.
Es kommt nicht auf die Ferne an,
zu Hause man auch leben kann
Dort blickt man gern auf das zurück,
was täglich sammelt sich an Glück.