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Epochen der Literaturgeschichte

Überblick über die Epochen der (deutschen) Literaturgeschichte

Die Germanische Zeit (vor dem 8. Jhdt)

keine direkte, nur indirekte Überlieferung im deutschen Sprachraum; heidnische Sprüche er-halten, dazu das Hildebrandslied; Stabreim, adlige Hofsänger;
Anm. zur Sprache: die germanischen Sprachen sind ein Zweig der nur indirekt erschließbaren INDOGERMANISCHEN Sprachfamilie; Gruppen: Nordgermanisch oder Nordisch (Schwe-disch; Dänisch; Norwegisch; Isländisch); Westgermanisch (Englisch; Friesisch; Nieder-deutsch; Niederländisch; Hochdeutsch) und Ostgermanisch (die untergegangenen Sprachen der Goten, Burgunder, Vandalen u.a.);von der germanischen Literatur erhalten geblieben ist vor allem die altnordische "Edda"; was die Sprache angeht, kann man auf die Bibelüberset-zung des Bischofs Wulfila ins Gotische zurückgreifen; das Indogermanische ist nur als Mut-tersprache rekonstruierbar, es hat viele Gemeinsamkeiten mit dem Lateinischen;

Frühmittelalter (750-1170)
das Heidnisch-Germanische wird von christlichen und antiken Elementen überlagert (Herr-schaft der Franken, bsd. Karls d.Gr.); nach sprachlichen Gesichtspunkten in drei Teilepochen einzuteilen:

a.    althochdeutsche Literatur (bis 900): vor allem geistliche Texte; Hintergrund: Pflege der Volkssprache (tiudisk = vom Volk gesprochen = deutsch)besonders während der Herr-schaft Karls d.Gr.;
Anm. zum Althochdeutschen: durch die sogenannte 2. oder hochdeutsche Lautverschie-bung aus dem Germanischen entstanden;
Beispiel (Zweiter Merseburger Zauberspruch):
"Phol ende uuodan uuorum zi holza.
 du uuart demo balderes uolon sin uuoz birenkit..."

b.    mittellateinische Literatur (bis 1025): aus dieser Zeit gibt es praktisch keine deutsche Ü-berlieferung, alles ist lateinisch, was mit der Italienpolitik der neuen deutschen Kaiser zu-sammenhängt; als wichtige Autorin wäre hier Roswitha von Gandersheim zu nennen;

c.    frühmittelhochdeutsche Literatur (bis 1170): Kurz nach 1000 setzt plötzlich die deutsche Überlieferung wieder ein, jetzt in einer neuen Sprachstufe, dem Frühmittelhochdeutschen; wichtig die sogenannte Spielmannsepik, die zwischen dem alten heidnischen Heldenepik und dem späteren höfischen Epos steht.
Anm. zur Sprache: Das Mittelhochdeutsche, die zweite Sprachstufe des Deutschen, ist erstmals eine vollgültige Kultursprache; kennzeichnend u.a. die Abschwächung der End-silben
Beispiel: "Du bist min, ich bin din
                 des solt du gewis sin..."

Hochmittelalter (1170-1270)
Blütezeit der mittelhochdeutschen Dichtung während der Zeit der staufischen Kaiser; ritterli-che Kultur; neue, weltliche Ideale ("maze"); Minnesang; höfische Epen; Hauptvertreter:
•    Hartmann von Aue
•    Wolfram von Eschenbach
•    Gottfried von Straßburg
•    Walther von der Vogelweide
Beispiel: "Ich saz uf eime steine,
           und dahte bein mit beine..."

Spätmittelalter (1270-1500)
Verfall des Rittertums; allgemeine Untergangsstimmung; Zug zum Realen und Nützlichen; auf der einen Seite das Formale und Handwerkliche betonender "Meistersang", auf der ande-ren Seite "Mystik";
Renaissance/Reformation (1470-1600)
historischer Hintergrund = die allgemeine Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit; vor al-lem didaktische Literatur; Ansätze zur Schriftprosa; Herausbildung modernerer Dramenstruk-turen (Einteilung in Akte und Szenen);
Anm. zur Sprache: Übergang vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen, wobei es Luther ist, der mit seiner Bibelübersetzung erstmals eine einheitliche deutsche Hochsprache schafft, die grundlegend bis zur Gegenwart ist;

Barock (ca. 1600-1720)

1.)    Das Zeitalter des Barock (von port. "barocco" = schiefrunde Perle) ist die erste Epoche, in der die deutsche Sprache im europäischen Rahmen gleichrangig dasteht und nach dem stofflichen und stilistischen Durcheinander des 16. Jhdts. wieder ein relativ geschlossener Kunststil vorhanden ist. Der entscheidende Schritt zur Überwindung der "lateinischen Tradition", auf der die kulturelle Einheit des christlichen mittelalterlichen Abendlandes beruht hatte, ist getan.
    Das (oder "der") Barock liegt damit als ästhetisch bestimmte Einheit zwischen dem welt-anschaulich bestimmten Reformationszeitalter und der vom Philosophischen ausgehen-den Aufklärungsepoche.

2.)    Der Bedeutung des Wechsels von der lateinischen Gelehrtensprache zur deutschen Mut-tersprache entspricht die große Rolle, die die Sprachpflege spielt. Es wurden allerorten Sprachgesellschaften gebildet, die der Reinerhaltung der eigenen Sprache und der Ent-wicklung einer eigenen Poetik (Dichtungslehre) dienen sollten.
    Wichtigster Vertreter ist Martin Opitz mit seinem "Buch von der deutschen Poeterey" (1624), einer ersten systematischen Darstellung mit vielen normbildenden Beispielen.

3.)    Den politischen Hintergrund bildet der aufkommende und sich durchsetzende fürstliche Absolutismus, in dem der Adel entmachtet und ein bürgerlicher Beamtenstand aufstieg, der die soziale Basis für die Literatur bildete, wenngleich er seine Themen und Normen noch aus der alten ständischen Welt bezog.
    Der Schriftsteller des 17. Jhdts. brauchte die Stütze des fürstlichen Mäzenatentums, ver-lor aber dadurch einen Teil seiner geistigen Freiheit und objektiven Sicht. Der Auftrag-geber wurde weltanschaulich bestimmend. Dem Dienstwechsel entsprach häufig ein Ge-sinnungswechsel. Vielfach waren die Höfe jedoch echte künstlerische Zentren und boten den Künstlern oft bessere Entfaltungsmöglichkeiten als die bürgerlichen Städte. Mittel-punkte dieser Hofkunst waren Wien, Dresden, München, Stuttgart, aber auch viele klei-nere Hauptstädte. Insgesamt erhielt die Dichtung einen öffentlichen, repräsentativen Cha-rakter. Dadurch ergab sich auch, dass die Literatur immer noch auf eine kleine gebildete Schicht beschränkt war. Gelehrsamkeit war unbedingte Voraussetzung für den Dichter-beruf. Kunst wurde vor allem handwerklich begriffen. Intuition spielte keine wesentliche Rolle (vgl. später noch Gottscheds Anleitung zur Herstellung eines Trauerspiels!).

4.)    Zu dem politischen Hintergrund gehört aber auch der 30-jährige Krieg (1618-1648) mit seinen ungeheuren menschlichen und materiellen Opfern, der ein allgemeines Gefühl des Pessimismus und der Todesangst hervorbrachte. Im Gegensatz zu der ebenfalls vom "Memento mori!" bestimmten Literatur des 11. Jhdts. standen jetzt Vergänglichkeitsge-fühl und Lebenshunger in einer antithetischen Spannung, die bis in die künstlerischen Mittel durchschlug (Alexandriner).

5.)    Neben dem Vergänglichkeitsgefühl ist für die Barockliteratur das Artistische, das hand-werkliche Können kennzeichnend. Zum Teil kam es zu einer Überbetonung der Form. Man häufte, türmte, variierte die antiken Kunstformen und Bilder, man liebte das Ge-suchte, Weithergeholte, Manirierte. Typisch sind die Allegorie und die Emblematik, eine auf der Kenntnis eines traditionsreichen Systems von Beziehungen und Bedeutungen be-ruhende Kunst der Anspielung und Verweisung.
    ("Emblem" = eigentlich eingelegte Goldschmiede - Arbeit, dann Kennzeichen, Abzei-chen, Sinnbild, so noch im heutigen Sprachgebrauch, z.B. für Zunftsymbole des Hand-werks; im Barock Verbindung von bildender Kunst und Dichtkunst ("Gemälpoesy") durch Kombination von Motto, gemaltem Bild und Epigramm).

6.)    Dem öffentlichen Charakter der Barockliteratur kam am meisten das Theater entgegen. Es war in erster Linie Schau. Schauspieler und Inszenierung traten in den Vordergrund, gestützt von den technischen Möglichkeiten der sich durchsetzenden Illusionsbühne. Be-sonders die Oper repräsentierte barocke Prachtentfaltung und die Verschmelzung der Künste.
    Neben den deutschen Dramen standen die besonders im Süden verbreiteten lateinischen Jesuitendramen, die vor allem der Gegenreformation dienten.

7.)    In der Epik verschwanden die kürzeren Gattungen fast völlig. Der umfangreiche, viel-strängige heroisch - galante Roman mit seinen Exempla schrecklicher Ereignisse stand im Vordergrund.
    Im Gegensatz dazu stand der aus Spanien stammende Schelmenroman, der in Grimmel-hausens "Simplizissimus" (1669ff) seinen deutschen Höhepunkt fand.

8.)    Die Lyrik hatte nicht das Gewicht von Dramatik und Epik, weil ihr das repräsentative Moment fehlte. Sie hatte einen eher unterhaltenden Charakter, war Gesellschafts- nicht Erlebnislyrik. Wichtige Spielarten waren das Epigramm und das sorgfältig "gemachte" Sonett. In diesem Zusammenhang ernster zu nehmen sind die stark "weltanschaulichen" Gedichte von Andreas Gryphius (z.B. "Es ist alles eitel").

9.)    Abgelöst wurde der Barock von einer Doppelströmung: der individualistisch - pietisti-schen Frömmigkeit der sog. Empfindsamkeit und den demokratisch - pädagogischen Ge-danken der Aufklärung.

10.)    Beispiel: Andreas Gryphius, Es ist alles eitel
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir vor köstlich achten
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesen-Blum, die man nicht wiederfindt.
Noch will, was Ewig ist, kein einig Mensch betrachten!

Aufklärung (ca. 1720-1785)

1.)    Bei der literarischen Epoche der Aufklärung handelt es sich um die Zeit, in der die ent-sprechenden philosophisch - weltanschaulichen Gedanken auf die Literatur durchschla-gen. Zu diesen Grundgedanken gehört in Fortsetzung der seit Renaissance und Huma-nismus in Gang befindlichen Entwicklung das Bemühen, den Menschen aus jenseitigen Bindungen zu lösen. Das Ziel ist eine allseitige, selbständige Entwicklung des menschli-chen Geistes.
    Der naturwissenschaftlich gebildete Geist tritt kritisch an die übernatürlichen Elemente im christlichen Dogma heran, was zu einer "natürlichen Religion" führt. Dieser DEIS-MUS ist eine philosophische Religion von wesentlich moralischem Gehalt. Die Welt ist zwar von Gott geschaffen, aber ihr gesetzgemäßiger Verlauf unabhängig von seinem Einwirken. Gott ist gütig und der Hüter des Sittlichen. Aufklärung ist nach dem Königs-berger Philosophen Kant "der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit". Der Wahlspruch der Aufklärung ist für ihn: "Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" Die Bestimmung des Menschen ist, Ver-nunft zu verbreiten, die Geister aufzuklären, die Tugend zu befördern. Das Glück liegt in der Humanität.
    Kennzeichnend für die Aufklärung sind Rationalismus, Toleranz, Optimismus, vor allem in der Form des Fortschrittsglaubens, Weltbürgertum.

2.)    In der Kunstlehre setzte die Aufklärung ethische und ästhetische Werte gleich. Die Kunst hat die Aufgabe, zu nützen und zu ergötzen ("prodesse et delectare"). Sie ist Nachah-mung der Natur. Der Künstler lernt und richtet sich nach Regeln. Im Gegensatz zum spä-teren Sturm und Drang "ist" er nicht Genie, er "hat" Genie. Die Produktion von Literatur ist der theoretisch - kritischen Überlegung untergeordnet.

3.)    Wichtig für die Verbreitung der Aufklärung im gesamten Dritten Stand, wobei besonders die akademisch Gebildeten, die Theologen und Philologen, eine entscheidende Rolle spielten, waren die zahlreichen sogenannten "moralischen Wochenschriften", die in Form kleinerer Erzählungen und Sittenschilderungen, sogenannten "Gemälden", alle möglichen Fragen des täglichen geistigen und praktischen Lebens behandelten. Sie waren es vor al-lem, die das Interesse weiter Kreise des Bürgertums für Kunst und Literatur anregten und eine Verbindung zwischen Literatur und Leben herstellten.

4.)    Eine zentrale Rolle spielte in der ersten Phase Johann Christoph Gottsched mit seinem 1730 erschienenen "Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen". Sein Ziel war vor allem eine Reform des Theaters durch Anlehnung an die französische "tragedie classique". Lessing griff später (1759: 17. Literaturbrief und 1767/69 Hamburgische Dramaturgie) Gottscheds deutsch-französisches Theater an, verwies auf das Vorbild Shakespeares und schuf als Dichter das deutsche bürgerliche Trauerspiel. Er stellte be-reits im Alter in seinem Werk den Übergang zur Klassik her (Nathan der Weise).

5.)    Neben dem Drama hat auch die Epik belehrende Tendenz. Daher spielt z.B. die Fabel eine herausragende Rolle. Zurückgegriffen wird auch auf die alte Form der Parabel.

6.)    In der Lyrik kam das Lehrgedicht dieser didaktischen Intention entgegen.

7.)    Wichtigste Autoren:
•    Johann Christoph Gottsched:   Critische Dichtkunst (1730)
•    Gotthold Ephraim Lessing:   Miss Sara Sampson (1755),   Minna von Barnhelm (1767),   Hamburgische Dramaturgie (1767/69),   Emilia Galotti (1772),   Nathan der Weise (1779)

Sturm und Drang (1767-1785)

Diese Epoche haben wir hier herausgelöst, um mehr Platz für die Beschreibung zu haben.
Zu finden ist sie jetzt hier:

Klassik (1786-1832)

Die weiteren Epochen bis zum Vormärz - hier erst mal einfach nur "reingezogen", wird noch nachbearbeitet

Romantik (ca. 1798-1835)

1.)    EPOCHENGRENZEN: Bei der Romantik handelt es sich um eine kulturelle Strömung, die am Ende des 18. Jhdts. in Deutschland einsetzte und die ersten Jahrzehnte des 19. Jhdts. bestimmte. Die deutsche Romantik hatte Entsprechungen in Frankreich, England und Italien, war aber besonders geartet und gab z.B. Frankreich starke Anregungen.

2.)    BEGRIFF: Der Begriff "Romantik" ist vielseitig und mehrdeutig. Er leitet sich von dem französischen Wort "roman" her, worunter man ursprünglich einen in der Volkssprache ("lingua franca") geschriebenen höfischen Versroman verstand. Dabei hatte der Begriff einen pejorativen Klang. Im Laufe des 18. Jhdts. erhielt der Begriff zunehmend die Be-deutung von "unwirklich", "überspannt" und "schwärmerisch". Daneben bezeichnete er eine bestimmte Landschaft und ein Naturgefühl, das Wilde und Wildschöne, die maleri-sche Regellosigkeit, Ruinen. Er umfasste aber auch die nordisch - germanische und die südlich - romanische Kultur des Mittelalters im Kontrast zur Antike.

3.)    KENNZEICHEN: Bereits die Romantiker selbst haben als für sie bezeichnend Katego-rien wie die "Unendlichkeit", das "Elementarische", den "Universalismus" u.a. angewen-det. Vor dem Hintergrund der Aufklärung und der Französischen Revolution befürchte-ten die Romantiker die Entpoetisierung und Profanierung des Lebens, den Verlust der Ganzheitskultur, eine Entfernung der Gebildeten und ihrer Literatur vom Volk und von der Volksliteratur. Sie verherrlichten als letzte universale Kultur die des Mittelalters. Dieser romantische Geschichtsmythos war mit einem Zukunftsmythos verbunden: Die Zukunft werde zwar aus einer Wiederanknüpfung an die frühere Vergangenheit, aber nicht als Rückfall in deren naive Geborgenheit, sondern als planvoll entwickelter Neuan-fang entstehen.
  •     Nicht zu übersehen sind die politischen Aspekte im Zusammenhang eines aufkommen-den Nationalgefühls, das in den Freiheitskriegen gegen Napoleon seinen Höhepunkt fand. In der Spätromantik gab es dann eine Tendenz zu einseitiger Rückwärtsgewandt-heit, zu Flucht und Reaktion. Kennzeichnend wurde ein Zug zur Unterordnung unter Ganzheiten wie Religion, Volk, Staat. Der Historismus und die Verehrung von Gegeben-heiten und Überlieferungen begründete auch eine stark konservative Haltung, die zur Restaurationspolitik führte.
  •     Zur Romantik gehört auch das Bemühen um die Verbindung aller kulturellen Strömun-gen, der Dichtung, der Malerei, der Musik, aber auch der Wissenschaft (Germanistik, Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft). In diesem Zusammenhang spielt der Beg-riff der "UNIVERSALPOESIE" eine große Rolle. Bezeichnend ist das Phänomen der "Synästhesie", der Verbindung verschiedener Sinnesarten in einem Begriff: "Farbenhö-ren", "Musiksehen".
  •     Erhabenste Fähigkeit ist die Phantasie, das freie Schöpfertum, dieses wiederum wichtiger als das Geschaffene. Dichterische Lebensform ist wichtiger als die Form des dichteri-schen Werkes. Dem entsprechen das Phänomen der vielen unvollendeten Werke, die Im-provisationen, die Schätzung des Aphorismus, das Fehlen strenger Konzeption. Wichti-ger als die Vollkommenheit einer Leistung sind die Sehnsucht und das Streben nach Vollkommenheit. Eine große Rolle spielt der Begriff der "romantischen Ironie". Sie be-zeichnet allgemein einen Schwebezustand, eine ironisch distanzierte Haltung, die, im Hinblick auf das eigene Schaffen, ein künstlerisches Experimentieren, ein Spiel mit dem Gegenstand seitens eines sich als autonom begreifenden Subjekts erlaubt.
  •     Neben diesem Hochgefühl des Dichters gibt es auch das Bewusstsein von der Gefahr ei-ner nur künstlerischen Kultur, von der Verlockung zum Abgrund und zum Tode, die in der Schönheit liegt.
  •     Die Romantik huldigte der Theorie von der dichtenden Volksseele. Das Märchen wurde wiederentdeckt und erneuert. Volkslied, Volksbuch und Sage wurden gepflegt.

4.)    PHILOSOPHISCHER HINTERGRUND: Von den Philosophen hatten Einfluss auf die romantische Dichtung vor allem Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Schelling sowie der Theologe und Philosoph Friedrich Schleiermacher.

5.)    GATTUNGEN: Bei den literarischen Gattungen muss man das Bemühen um Grenzver-wischung im Auge behalten. Neu sind Fragment und (Kunst-)Märchen. Bei der Lyrik fällt die Volkstümlichkeit auf. Die schwächste Gattung war das Drama. Die religiösen "Erlösungsdramen" zeigen einen Hang zur katholischen Kirche, den viele als Konversion vollzogen.

6.)    HAUPTVERTRETER und HAUPTWERKE:
•    1806/08: Clemens Brentano und Achim von Arnim: "Des Knaben Wunderhorn" (alte deutsche Lieder)
•    1826: Joseph von Eichendorff: "Aus dem Leben eines Taugenichts"
•    1820/22: E.T.A. Hoffmann: Lebensansichten des Katers Murr"
•    1802: Novalis: "Heinrich von Ofterdingen"
•    Friedrich Schlegel
•    Ludwig Tieck
•    1812/15: Gebrüder Grimm: "Kinder- und Hausmärchen"
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Beispiel für romantisches Gedicht: Novalis (Friedrich von Hardenberg) (1772-1801)
In ewigen Verwandlungen begrüßt
Uns des Gesangs geheime Macht hienieden,
Dort segnet sie das Land als ew'ger Frieden,
Indeß sie hier als Jugend uns umfließt.
Sie ist's, die Licht in unsre Augen gießt,
Die uns den Sinn für jede Kunst beschieden,
Und die das Herz der Frohen und der Müden
In trunkner Andacht wunderbar genießt.
An ihrem vollen Busen trank ich Leben;
Ich ward durch sie zu allem, was ich bin,
Und durfte froh mein Angesicht erheben.
Noch schlummerte mein allerhöchster Sinn;
Da sah ich sie als Engel zu mir schweben,
Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin.
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freire Leben
Und in die (freire) Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit wieder gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
erkennt die (alten) wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Biedermeier (ca. 1820-1850)
1.)    EPOCHENGRENZEN: Die Epoche ab etwa 1820 ist in doppelter Weise bestimmt, zum einen durch die politische Restauration (s.u.), die die Schriftsteller auf die Privatsphäre beschränkt, und zum anderen durch die neuen Tendenzen des Realismus und Materialis-mus, mit denen sich die Literatur auseinandersetzen muss. Im Gegensatz zu früheren E-pochen gibt es aber in dieser Zeit kaum Gruppen von Künstlern, keine Kunstkreise und auch keine Programme, so dass es schwer ist, ein allen Gemeinsames zu bestimmen. Da-zu kommt, dass es starke Überschneidungen mit dem vorauslaufenden idealistisch - klas-sisch - romantischen Zeitalter (der sogenannten "Kunstepoche") und mit der folgenden Zeit des Realismus gibt.
2.)    BEGRIFF: Das Wort "Biedermeier" taucht zuerst auf als parodierende Bezeichnung für die Schwächen der Zeit in den 1850 erschienenen "Gedichten des schwäbischen Schul-lehrers Gottlieb Biedermeier und seines Freundes Horatius Treuherz". Die Bezeichnung streift dann allmählich das Parodistische ab und wird zum Kennzeichen einer schlichten, genügsamen, bürgerlichen Kultur.
3.)    GESCHICHTLICHER HINTERGRUND: Nach dem Sieg über Napoleon 1815 und da-mit auch über die Ausläufer der Französischen Revolution beginnt in Europa eine Zeit allgemeiner Restauration, in der die Herrschenden versuchen, das Rad der Geschichte hinter die Revolution zurückzudrehen und alle Tendenzen zu behindern, die auf politi-sche Mitsprache und soziale Veränderung abzielen. Eine zentrale Rolle spielen dabei der Wiener Kongress und verschiedene Maßnahmen im neugeschaffenen "Deutschen Bund". Die Möglichkeit einer Mitarbeit im Staat wird verweigert, die Stein - Hardenbergschen Reformen (Versuch  einer "Revolution von oben", um die Bürger bei grundsätzlicher Beibehaltung der Monarchie am politischen Leben zu beteiligen) weitgehend annulliert, die absolutistische Regierungsform des 18. Jhdts. lebt in ihren wesentlichen Zügen wie-der auf.
    Einer der Propheten der Restauration ist der Philosoph Hegel, bei dem der Staat an Stelle des Volkes eine zentrale Rolle spielt als Verwirklichung des Weltgeistes in der Zeit.
4.)    KENNZEICHEN: Bei der Zusammenstellung von Kennzeichen muss daran erinnert werden, dass es sich weniger um bewusste programmatische Aktion als vielmehr um Re-aktion auf die bestehenden Verhältnisse handelt.
    Träger der biedermeierlichen Kultur ist das Bürgertum, das nach der Revolutionsepoche und der Kriegszeit, nach den vergeblichen Versuchen, das absolutistische Regiment zu lockern, tief enttäuscht und müde ist. Es sehnt sich nach Zurückgezogenheit und Privat-leben, und es fügt sich willig Ganzheiten wie Religion, Staat, Heimat, Familie. In der Li-teratur bemüht man sich um Bewahrung der Ideale, spürt aber immer die Realität. Vor-herrschend sind Resignation und Entsagung. Angestrebt werden Bändigung der Leiden-schaften und dämonischen Kräfte, Verzicht auf das große Leben, statt dessen Schätzung des inneren Friedens, der Ordnung, des zurückgezogenen Glücks. Die Probleme einer solchen Haltung liegen auf der Hand: Scheu vor der Tat, Neigung zum Quietismus, zur Unterordnung, zum Weg des geringsten Widerstandes. Die Begegnung mit der Realität spielt sich nicht im Raum der großen Spannungen ab, sondern in der Enge des Alltags. Dort wird sie als Kraftquelle bejaht, wird ihr nicht mehr ausgewichen. Das Ideal bieder-meierlicher Lebenserfüllung ist, im engen Bereich fruchtbar zu wirken. Auf religiösem Gebiet ist dafür das Wiedererstehen des Pietismus bezeichnend. Die starken Konflikte zwischen Idealismus und Realität machen aus den Dichtern des Biedermeier häufig Schwermütige, Verzweifelte, Hypochonder. Lebensangst ist der Untergrund des Schaf-fens bei fast allen. Die Dichter sind übersensible Naturen, die vor der Wirklichkeit mi-mosenhaft zurückschrecken und sich ihr doch immer wieder stellen müssen. Möglich ist ihnen allerdings eine "Heiterkeit auf dem Grund der Schwermut", wie es ein Literatur-wissenschaftler formuliert hat. Daraus ergibt sich ein starker und tiefsinniger Humor. Während das aktuell Politische weitgehend ausgeklammert ist, konzentriert man sich auf die Natur und auf die Geschichte. Dort liegen die stärksten Leistungen der Epoche.
5.)    GATTUNGEN: Das Biedermeier ist eine Zeit der Kleinkunst, der Skizze, der Kurzerzäh-lungen, des Stimmungsbildes, des Märchens, aber auch schon der Novelle. Eine bevor-zugte Stellung genießt die Ballade. Die lyrische Kleinkunst (z.B. der Stammbuchvers) dient vor allem geselligen Zwecken. An größeren Werken sind vor allem der Entwick-lungsroman "Maler Nolten" von Mörike und die Dramen Grillparzers zu nennen.
6.)    HAUPTVERTRETER:
•    Adalbert Stifter, der mit seiner berühmten Vorrede zu der Sammlung "Bunte Steine" un-nachahmlich das biedermeierliche Programm des "sanften Gesetzes", des Rückzugs auf die Welt des Kleinen und Unscheinbaren als des allein Wichtigen, formuliert hat.
•    Annette von Droste-Hülshoff (z.B. "Die Judenbuche")
•    Eduard Mörike (z.B. "Mozart auf der Reise nach Prag")
•    Franz Grillparzer, dessen "Staatsdramen" nur sehr indirekt Aussagen über die historisch-politischen Probleme sind. Es geht ihm mehr die Schaffung von edlen, hochgesinnten Frauenbildern als läuternden Schutzbildern. Sie gehen zwar tragisch unter, aber ihr Opfer rettet dem bürgerlichen Wertbewusstsein das Ideal höheren Menschentums.

Vormärz (ca. 1830-1850)
1.)    EPOCHENGRENZEN: Um 1830 setzte sich bei einem Teil der jungen Generation das Gefühl durch, dass die Literatur stagniere und dass ein Kontakt mit dem Leben, und zwar mit dem politischen und gesellschaftlichen, hergestellt werden müsse. "Jetzt gilt es die höchsten Interessen des Lebens selbst, die Revolution tritt in die Literatur!" (Heinrich Heine). Diese Tendenzen und die Gruppierung ihrer Vertreter wurden ausgelöst durch die französische Julirevolution 1830 und fanden ihr Ende mit dem Scheitern der deut-schen Revolution 1848.
2.)    ZUGEHÖRIGKEIT: Als "Junges Deutschland" im engeren Sinne bezeichnet man heute die Gruppe der Schriftsteller Börne, Heine, Wienbarg, Mundt, Laube und Gutzkow. Die Kennzeichnung "jungdeutsch" wird auch häufig auf die anderen, meist als Lyriker her-vortretenden Dichter des Vormärz, die mit dieser Gruppe durch ihre fortschrittliche, al-lerdings stärker revolutionäre Haltung verbunden sind, ausgedehnt (Grün, Herwegh, Frei-ligrath u.a.).
3.)    BEGRIFF: Im Jahre 1835 stellte der österreichische Gesandte beim Bundestag den An-trag auf gemeinsames Vorgehen gegen eine Gruppe von Schriftstellern mit dem Namen "Junges Deutschland". Sie sei "antichristlich, gotteslästerlich und alle Sitte, Scham und Ehrbarkeit mit Füßen tretend." Die Bundesversammlung folgte dem Antrag, verbot die Verbreitung der Schriften und machte damit die Gruppe, die nur in losem Kontakt ge-standen hatte, unter diesem Namen bekannt. Verfolgt man den Namen weiter zurück, stößt man auf den Italiener Mazzini, der einen revolutionären Geheimbund "Das junge Europa" mit entsprechenden nationalen Sektionen plante.
    1834 schrieb Wienbarg in einer Einleitung: "Dem jungen Deutschland widme ich diese Reden und nicht dem alten."
4.)    KENNZEICHEN: Die Ideen des Vormärz zielten auf politische Machtergreifung des Bürgertums. Das Programm des Liberalismus hieß - bei verschieden starker Betonung der beiden Punkte - nationale Einheit und verfassungsmäßige Freiheit; abgelehnt wurden der vorhandene spätabsolutistische Staat und die bestehende spätfeudale Gesellschaft, der Adel, die Kirche, die sozialen und nationalen Schranken. Die Liberalen glaubten jedoch an Evolution und an die Erreichung ihrer Ziele durch geistige Beeinflussung. Daher war ihnen Breitenwirkung ihrer Publikationen wichtig und Freiheit der Meinungsäußerung, Pressefreiheit, eine grundlegende Forderung. Die Presse wandelte sich damals von einem berichterstattenden Organ zu einem meinungsbildenden. Der anonyme Berichterstatter wurde zu einem Schriftsteller mit künstlerischem Ehrgeiz. In der Presse verschmolzen politische und künstlerische Tendenzen.
5.)    Was den WELTANSCHAULICHEN HINTERGRUND angeht, spielte auch bei den Jungdeutschen der Philosoph Hegel eine bedeutende Rolle, allerdings formierten sich im Gegensatz zu den staatstreuen und konservativen Rechtshegelianern die sogenannten Linkshegelianer, die einen Teil der Lehre des Philosophen, die Dialektik, dazu benutzten, die bisherige Gesellschaft in Frage zu stellen. Neben Hegel war der französische Frühso-zialist Saint-Simon mit seiner Forderung nach Emanzipation von Bedeutung. Dazu kommt Ludwig Feuerbach mit seiner Religionskritik. Während Feuerbach vom psycho-logischen Standpunkt gegen das Christentum kämpfte, entzog David Friedrich Strauß ihm durch kritisch-historische Forschungen die Grundlage. In die Zeit des Jungen Deutschland fallen auch die ersten Veröffentlichungen von Karl Marx, der mit Engels 1848 das Kommunistische Manifest veröffentlichte.
6.)    MERKMALE DES LITERARISCHEN SCHAFFENS: Die Jungdeutschen traten mit dem Anspruch auf, eine neue Epoche einzuleiten und in ihrem Schaffen den "Zeitgeist" zu repräsentieren. Sie verurteilten das Vorhergegangene, besonders die von Heine als "Kunstperiode" bezeichnete Goethezeit. Abgelehnt wurde natürlich auch die als rück-schrittlich empfundene Romantik.
    Für die meisten waren das politische Engagement und die Sozialkritik Ausgangspunkt ih-rer literarischen Tätigkeit. Man verstand das eigene Schaffen als "litterature engagee" (Börne), als Propaganda- und Agitationsmittel, mit dem sich politische Gedanken verbreiten ließen.
7.)    GATTUNGEN: Die erzählende Literatur hatte das Übergewicht, besonders der sich auf Zeitkritik konzentrierende Roman. Neu war der besonders für die Publikation in Zeitun-gen und Zeitschriften geeignete Reisebrief. Beliebteste Erzählform war die Novelle. Das Drama hatte seine großen Vertreter in Grabbe und Büchner. Die Lyrik erschien in beson-derer Weise zur Verbreitung politischer Gedanken geeignet.
8.)    HAUPTVERTRETER UND HAUPTWERKE:
•    GEORG BÜCHNER: Hessischer Landbote (politische Flugschrift); 1834: Dantons Tod (Drama); 1839: Lenz (fragmentarische Erzählung); Nachlass, 1879 veröffentlicht: Woy-zeck (Drama)
•    CHRISTIAN DIETRICH GRABBE: 1822/27: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeu-tung (Komödie, in dem die Welt als "mittelmäßiges Lustspiel" verstanden wird); auch in den Tragödien Abrückung von der klassischen Tradition, Präsentation einer eher nihilisti-schen Weltsicht
•    HEINRICH HEINE: 1827: Buch der Lieder ((eher noch romantisch orientiert); 1844: Neue Gedichte (darin u.a. auch bissig-satirische "Zeitgedichte"); 1844: Deutschland ein Wintermärchen (politisch-satirisches Versepos)
•    LUDWIG BÖRNE: 1832/34: Briefe aus Paris (Berichte aus dem revolutionären Paris; Versuch der Übertragung auf Deutschland)

Realismus, Naturalismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit und die Zeit danach

8.    Der „poetische“ Realismus (1850-1890)
Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 zogen sich viele Schriftsteller aus dem Bereich des unmittelbar Politischen zurück, ihr Interesse an den realen Verhältnissen blieb aber. Aller-dings wollten sie die nicht ungeschminkt darstellen, sondern in einem künstlerischen Licht. Deshalb spricht man auch vom „poetischen Realismus“. Andere nennen diese Strömung „bür-gerlichen Realismus“, weil sie vor allem von gutbürgerlichen Kreisen getragen wurden. Zu die-sen gehörten zum Beispiel Theodor Storm mit seinen Novellen (u.a. „Der Schimmelreiter“) oder Theodor Fontane mit seinen Romanen (z.B. „Effi Briest“).

9.    Der Naturalismus (1880-1900)
Während die Literatur wie ein Gemälde künstlerisch gestaltet wurde, wollten die Dichter des Naturalismus die Wirklichkeit ungeschminkt widergeben. Ein typisches Beispiel ist das Drama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann, in dem das Leiden dieser Menschen und ihre Ausbeu-tung und der sich daraus ergebende Aufstand präsentiert werden – mit sehr ausführlichen Re-giebemerkungen und realitätsnaher Dialektsprache.
10.    Die Zeit des Expressionismus: Literatur als Schrei aus Großstadt und Krieg
Sehr ausdrucksstarke Gedichte sind in der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ent-standen. Deshalb nennt man diese literarische Epoche auch Expressionismus. Die Dichter ahnen schon den Untergang der schönen bürgerlichen Welt der Vorkriegszeit voraus oder erleben ihn sogar selbst mit. Die Hauptthemen sind die Schrecken der großen Städte, der Zerfall der beste-henden Ordnung und der Selbstsicherheit und vor allem auch der Krieg. Die Sprache wird dabei bis an ihre Grenzen ausgereizt: Bezeichnend ist das Gedicht „Patrouille“ von August Stramm: „Die Steine feinden / Fenster grinst Verrat / Äste würgen / Berge Sträucher blättern raschlig / Gellen / Tod.“
Den Übergang zu einer anderen Verarbeitung schrecklicher Wirklichkeit präsentiert dann Franz Kafka, indem er in vielen kleinen Geschichten und einigen Romanen einen Menschen zeigt, der jederzeit „zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ werden kann oder dem ein „Prozess“ gemacht wird, bei dem das Urteil ohne jeden erkennbaren Grund von vornherein feststeht.

11.    Ausblick: Vom Expressionismus zur  „neuen Sachlichkeit“
Diese nüchterne Sachlichkeit, mit der Kafka das Elend und die Schrecken des Menschseins be-schreibt, passt zu der auf den Expressionismus folgenden Gegenbewegung. Es handelt sich um die sogenannte „Neue Sachlichkeit“ aus der Zeit der Weimarer Republik. Vorherrschend sind Distanz und Nüchternheit. Das sieht man besonders gut an Kästners Gedicht „Sachliche Ro-manze“, in der tiefste menschliche Gefühle mit Alltagsgegenständen verglichen werden: „kam ihre Liebe plötzlich abhanden. / Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.“

Zwischen Anpassung und Emigration: Die Zeit des Nationalsozialismus
Die Zeit des Nationalsozialismus führt dann entweder zur Anpassung an die herrschende Ideo-logie oder zu den beiden möglichen Varianten des Rückzugs. Die Dichter der „inneren Emigra-tion“ versuchen, sich vom herrschenden Regime fernzuhalten und im Rahmen des Möglichen unverfänglich zu schreiben. Sehr viele werden durch durch Flucht und Vertreibung zur wirkli-chen Emigration gezwungen, wofür besonders Bertolt Brecht steht.

Versuch eines Neuanfangs nach 1945
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sowie der Massenmorde auf der Basis einer rassistischen Ideologie stehen die Schriftsteller vor großrn Herausforderungen. Was dabei entsteht, wird auch als „Trümmerlitera-tur“ bezeichnet. Es geht dabei um die Besichtigung dessen, was übrig geblieben ist, und den Versuch des Neuanfangs in einer Art „Stunde Null“.

Krise der Literatur bis hin zur Feststellung ihres Todes
Die nachfolgenden Jahrzehnte sind durch keine einheitlichen Strömungen mehr gekennzeichnet. Auf einen letzten interessanten Wechsel sei aber noch verwiesen: Im Rahmen der Kulturrevolu-tion der Zeit der sogenannten „68er“ wird auch das Ende der Literatur im herkömmlichen Sinne verkündet. Man will die Welt verändern, sie nicht mehr nur mehr oder weniger schön beschrei-ben.

Die Postmoderne – spielerischer Umgang mit Traditionen
Auf jedes Ende folgt aber auch zumindest der Versuch eines neuen Anfangs. Man spricht in die-sem Zusammenhang auch von Postmoderne. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind aus dem Jahr 1985, in der scheinbar wie früher eine äußerst span-nende Handlung präsentiert wird. Wenn man genauer hinschaut, stellt man aber fest, dass auf eine sehr ironische Weise mit der literarischen Vergangenheit und Deutungsmöglichkeiten ge-spielt wird.


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