Das Gedicht "Die zwei Gesellen" von Eichendorff ist im Hinblick auf die Aussage nicht einfach zu verstehen. Dass der eine einen falschen Weg wählt und untergeht, wird deutlich hervorgehoben, was ist aber mit dem, der eine Familie gründet und dann nur noch "behaglich" guckt. Was beweint das lyrische Ich?
Man kann dieses Gedicht gut vergleichen mit dem berühmten Gedicht "Reisen" von Gottfried Benn.
Es handelt sich um eine Art Ballade, in der in einem Gedicht etwas auf dramatische Weise erzählt wird.
Es beginnt mit zwei "Gesellen", die voller Jubel und Elan ins Leben aufbrechen.
Dann gibt es zwei unterschiedliche Entwicklungen
Der eine wird Familienvater und Biedermann
Der andere lässt sich verlocken, gerät offensichtlich auf falsche Wege und geht unter
Am Ende steht das Mitgefühl des lyrischen Ichs und seine Bitte an Gott, auf dem richtigen Weg gehalten zu werden.
Jetzt taucht die Frage auf, was das lyrische Ich am Ende beweint?
Natürlich kann sich das auf den zweiten Gesellen beziehen, dessen Schicksal es nicht erleiden will.
Aber ist das Leben des ersten Gesellen wirklich so vorbildlich?
Es sieht zunächst danach aus, wenn man sich das familiäre Glück anschaut.
Dann aber taucht in Vers 15 eine Haltung auf, die einem Romantiker nicht gefallen kann. Denn Behaglichkeit ist Kennzeichen des selbstzufriedenen Biedermanns - da ist nichts mehr von der Sehnsucht der ersten Strophen zu spüren.
Von daher mag das Mitgefühl, vielleicht auch Mitleid im Sinne Lessings, nämlich die Angst, dass einem das auch passieren kann, überwiegen, aber das Missverhältnis zwischen den großen Plänen des Aufbruchs und dem im Vergleich dazu eher kleinen bürgerlichen Glück, ist wohl auch nicht alles.
Die Frage ist letztlich, ob der erste Geselle neben der Familie auch "Gott" gefunden hat, was dem lyrischen Ich am Ende wichtig ist.
Letztlich kann man diese Frage nicht allein mit Hilfe des Gedichtes beantworten, denn dort wird nichts direkt Negatives über den Lebensweg des ersten Gesellen gesagt. Man kann nur ein gewisses Missverhältnis zwischen großen Zielen und kleinem Ergebnis feststellen. Aber ist eine Familie und ein Kind wirklich etwas Kleines? Letztlich muss man dann schauen, wie Eichendorff in anderen Gedichten über Leute denkt, die nur "behaglich" am Fenster sitzen. Auf jeden Fall bleibt die Möglichkeit, neben eine sehr einfache Lösung (irgendwo "hängen" bleiben und ein normales bürgerliches Leben führen ist gut, auf Irrwege geraten ist schlecht) doch eine komplexere zu stellen, die nach einer dritten, für das lyrische Ich passenden Lösung sucht - im Einvernehmen mit Gott.
Was den Schluss angeht, wird man an Goethes Faust erinnert, für den der "Herr" die Entscheidung trifft, dass er trotz aller Irrungen als "guter Mensch" sich des "rechten Weges stets bewusst" bleibt.