Neuer Text

Goethe, "Nähe des Geliebten"


Goethe, "Nähe des Geliebten" - Herausstellung der Sprecher-Aktivitäten

Im Folgenden zeigen wir am Beispiel eines Liebesgedichtes von Goethe, wie man auch scheinbar einfache Sachverhalten mit Blick auf die Aktivitäten des lyrischen Ichs (= Sprecher) analysieren kann.

Goethe


Nähe des Geliebten


Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer

vom Meere strahlt;

Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer

In Quellen malt.

  • In der ersten Strophe des Gedichtes versucht das lyrische Ich die Nähe zu der geliebten Person, die aktuell nicht anwesend ist, dadurch zu verdeutlichen, dass es zwei Situationen nennt oder besser: schildert, in denen es gedanklich zumindest die Entfernung überbrückt.
  • Dabei geht es um zwei ganz unterschiedliche Tagesphasen, nämlich einmal, wenn die Sonne scheint und für das lyrische Ich einen "Schimmer" erzeugt, der zu einem Strahlen wird.
  • Zum anderen geht es um die Nacht, wenn das Flimmern des Mondes in Quellen, also Gewässern an Land, etwas erzeugt, was das lyrische Ich als Gemälde empfindet.


Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege

Der Staub sich hebt;

In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege

Der Wandrer bebt.

  • In der zweiten Strophe geht es um das Sehen - und zwar kein konkretes, denn es fehlt ja die im Titel angesproche reale Nähe.
  • Stattdessen schildert das lyrische Ich eine bestimmte Situation, bei der es eine Art Staubwolke auf dem Wege sieht und da den geliebten Menschen hineinfantasiert, wobei das hier ganz positiv gemeint ist als besondere Kraft des Menschen.
  • Die zweite Situation ist dann schon etwas komplizierter: Jetzt geht es um tiefe Nacht und einen schmalen Steg - wohl über Wasser oder gar einen Abgrund, also eine gefährliche Situation.
  • Da ist es nicht verwunderlich, wenn der Wanderer "bebt", also sich unsicher fühlt. Hier bedeutet das Sehen des geliebten Menschen wohl, dass man ihn sich so konkret vorstellt, dass man ruhig wird und die Situation bewältigen kann.


Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen

Die Welle steigt.

Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen,

Wenn alles schweigt.

  • In dieser Strophe wird anscheinend die Gefahrenvorstellung fortgesetzt, indem hier eine "Welle steigt" und zusätzliche Gefahr mit sich bringt. Der Bezug zur geliebten Person bleibt dabei gleich.
  • Die zweite Hälfte der Strophe wechselt dann völlig den Bereich: Jetzt geht es um einen stillen Wald, in dem das lyrische Ich etwas hört, während sonst alles schweigt - und hier - so denkt sich der Leser die Sache weiter - hört es möglicherweise eine innere Stimme, die es mit dem geliebten Menschen verbindet.


Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne,

Du bist mir nah!

Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.

O, wärst du da!

  • Die letzte Strophe präsentiert eine Art Zusammenfassung, die deutlich machen soll, was die Überschrift schon ausdrückt, was aber nur auf besondere Weise erreicht werden kann, nämlich Nähe trotz räumlicher Ferne.
  • Es folgt die entsprechende Feststellung, die dann am Ende aber doch aufgebrochen wird.
  • Denn in der besonderen Abendsituation wird dem lyrischen Ich besonders deutlich, wie sehr es sich nach dem geliebten Menschen sehnt, was dann in einen entsprechenden Ausruf mündet.


Hinweis auf die Vorlage für Goethe

Die Vorlage, die Goethe stark zusammengefasst und anders akzentuiert hat, findet sich zum Beispiel hier:

https://www.epochtimes.de/feuilleton/poesie/ich-denke-dein-von-friederike-brun-2-a3150421.html


Es lohnt sich sicher, die beiden Fassungen zu vergleichen - besonders im Hinblick auf den Schluss, der - typisch für Goethe - eher untragisch ist.


Wer einen schnellen Überblick über weitere Angebote von uns bekommen möchte. Hier gibt es eine alphabetische Übersicht.
http://www.relevantia.de/register-der-websites
Schauen Sie auch nach auf:
www.schnell-durchblicken.de
www.endlich-durchblick.de

Share by: