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"Die Physiker": Beckmanns Kritik nach der Uraufführung


Dürrenmatt, "Die Physiker" Analyse der Kritik von Heinz Beckmann - direkt nach der Uraufführung

Vorab schon mal ein Schaubild, das zeigt, wo und wie sich Beckmann als Theaterkritiker und Dürrenmatt als "Theatermacher" kontrovers gegenüberstehen. Interessant vor allem die kleine Stelle, an der es auch eine Gemeinsamkeit gibt.
Anmerkungen zum Schaubild:
  1. Beckmanns zentrale Kritik direkt nach der Uraufführung ist, dass Dürrenmatt keine Menschen auf der Bühne zeige, um die "wahrhaftig schade wäre, wenn die große Bombe platzte".
  2. Dementsprechend fordert er von Dramatikern Menschen von außerhalb dieses Dramas zu zeigen, die noch so etwas haben wie ein Angesicht" - also etwas Positives, das Mitmenschlichkeit auslöst.
  3.  Außerdem verweist Beckmann darauf, dass die Geschichte der Menschheit zeige, dass diese immer mit Momenten oder Phasen mangelnder "Gottesfurcht" fertig geworden sei, diese also grundsätzlich "reparabel" seien. Mit "Gottesfurcht" ist hier so etwas wie Achtung vor dem Leben und damit auch vor anderen Menschen gemeint.
  4. Dürrenmatt zeigt demgegenüber eine Welt, in der die Wissenschaft das Überleben der Menschheit gefährdet.
  5. Der Möbius-Ansatz über Aktivitäten des Einzelmenschen scheitert.
  6. Deshalb müssten Probleme, die alle angehen, auch von allen gelöst werden (Punkt 17 der 21 Punkte).
  7. Aus Dürrenmatts Drama als These und der Theaterkritik von Beckmann als Antithese kann man eine Synthese ermitteln:
    1. Dürrenmatt lässt ja in Punkt 17 eine kleine Tür offen (eben diese geheimnisvolle Aktivität aller Menschen)
    2. Beckmann will stattdessen einzelne Menschen mit "Angesicht", die sich vielleicht intelligenter verhalten als Möbius, der trotz seiner Situation einfach weiter forscht und damit der irren Ärztin das Material in die Hand gibt, das sie für ihre Weltherrschaft braucht.
    3. Beckmann glaubt zudem, dass Menschen mit "Angesicht" am ehesten in der Lage seien, Leute am roten Knopf von dessen Benutzung abzuhalten.

Gibt es in Dürrenmatts "Komödie" einen grundsätzlichen Fehler bzw. Mangel?

Es gibt sicher viele Menschen, denen das Lachen im Halse steckenbleibt, wenn sie Dürrenmatts "Komödie" "Die Physiker" sehen oder lesen (müssen). Und zwar in doppelter Hinsicht:
Zunächst einmal so, wie es im Stück angelegt ist: Nach der scheinbar lustigen Kriminalkomödie um einen überforderten Inspektor und seltsame Verhältnisse in einer Heilanstalt für Geisteskranke kommt ein zweiter Schock: Die mögliche und drohende Apokalypse kann anscheinend nicht verhindert werden.
Im Folgenden soll nicht die Frage untersucht werden, ob nicht - möglicherweise gegen die Intention des Verfassers - im Stück auch das "Rettende" (nach Hölderlin) vorhanden ist. Es geht vielmehr um einen grundsätzlichen Fehler, den der Theaterkritiker Heinz Beckmann direkt schon nach der Uraufführung meinte feststellen zu müssen.

Diese Kritik erschien in der Zeitung "Rheinischer Merkur" am 2. 3.1962 und ist abgedruckt in Alexander Ritter, Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart: Reclam, 1991, S. 161f.
In der Unterrichtshilfe "Einfach Deutsch. Unterrichtsmodell. Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker. Neubearbeitung, von Hans Apel, Bildunghaus Schulbuchverlage, 2015, 2. Auflage 2018" findet sich der Text, von dem wir im Folgenden ausgehen, auf S. 105.

Aus urheberrechtlichen Gründen präsentieren wir den Text hier nicht, zeigen aber den Gedankengang auf.
Präsentiert wird immer der Anfang eines Satzes, dann folgt seine Erläuterung und Auswertung.

Auswertung der Theaterkritik der Uraufführung 1962 - Satz für Satz

Das Folgende ist vor allem für Leute gedacht, die den Text vor sich haben und deshalb auch die Kommentare gut verfolgen können.
Weiter unten erstellen wir eine Analyse und Erörterung des Textes, die verständlicher ist, wenn man den Ausgangs-Text nicht zur Verfügung hat.

1." Verehrter Herr Dürrenmatt, wann ..."
    1. Direkte Anrede des Bühnenautors
    2. Gleich maximale Provokation, verpackt in einer Frage eigentlich die These, Dürrenmatt zeige keine Menschen auf der Bühne, um die "wahrhaftig schade wäre, wenn die große Bombe platzte".
2. "Oder meinen Sie, dass ..."
    1. Vorwegnahme der Antwort: These, es gebe solche "Schade-Menschen" gar nicht mehr.
      Wir verwenden hier die Formulierung "Schade-Menschen", um genau das zu treffen, was Beckmann eben bei den Figuren des Dramas vermisst und was unter 1 genauer beschrieben worden ist.
3." Wozu aber dann ..."
    1. Daraus ergibt sich dann die Frage, warum die Physiker sich denn solch einen Stress machen.
    2. Beim Leser bildet sich der Eindruck, dass Dürrenmatt hier an einer Schwachstelle seines Ansatzes gepackt wird.
    3. Gegenkonzept wäre: Nur wenn einem "Schade-Menschen" auf der Bühne gezeigt werden, kann man auch angesichts ihrer Gefährdung mitleiden und vielleicht etwas tun wollen.
    4. Aber: Ist nicht Möbius so ein Mensch und gelingt es ihm nicht, die anderen auf seine Seite zu ziehen, so dass alle drei Opfer bringen?
4. "Ratten rottet man ..."
    1. Sehr problematischer Vergleich, passt aber in das provozierende Gegenkonzept: Wenn etwas keinen besonderen Lebenswert hat (was eigentlich für alle Menschen gilt, in Dürrenmatts Stück aber nicht hervorgehoben wird),  dann besteht eben die Gefahr, dass es auch nicht schlimm ist, wenn ihnen das Leben genommen wird.
      Auch hier geht es nur um die Gefühle, die im Zuschauer entstehen, es geht nicht um den wirklichen Wert eines jeden Menschen. Dem Theaterkritiker geht es ja gerade darum, dass Menschen positiv, in ihrer vielfältigen Einmaligkeit dargestellt werden und nicht als solche Karikaturen wie besonders der Inspektor oder auch der Missionar.
5. "Wenn schon Menschenverachtung ..."
    1. Zusammenfassung der bisherigen Argumentation: Dürrenmatt wird in dem oben beschriebenen Sinne "Menschenverachtung" unterstellt und die Konsequenz angedeutet: Dann muss man auch mit der Atombombe kein Problem haben.
6.    "Dazu fehlt es ..."
    1. Nächste Unterstellung in Frageform: Dürrenmatt fehle es an Mut, seine "Menschenverachtung" zu Ende zu denken. Stattdessen wird auf die Menschenverachtung bei der Gestaltung der Figuren eine moralische Überhöhung (nämlich die Notwendigkeit der Rettung vor der Atombombe mit allen Mitteln, auch denen von Morden) gepackt, die nicht dazu passt.
7.    "Aber es fehlt Ihnen gar nicht  ..."
    1. Die Idee der Courage wird aufgenommen und dann mit Kritik am Umgang mit religiösen Texten (Psalmen) verbunden. Das überzeugt aber nicht: Warum soll nicht mal ein Psalm ins Gegenteil verkehrt werden, wenn das auch mit der Welt passiert?
    2. Und was die angebliche Menschlichkeit bei der Ärztin angeht (es geht wohl darum, dass sie Möbius auch ohne Bezahlung weiter betreuen lassen will), so verfolgt die dabei ja eigene Ziele verfolgt (Sie lebt ja von den Forschungsergebnissen von Möbius, die sie heimlich fotokopiert hat ausbeutet).
8.    "Johann Wilhelm (warum nicht gleich Wolfgang?) Möbius ..."
    1. Die Kritik wendet sich einer entscheidenden Stelle zu, nämlich der fehlenden „Gottesfurcht“, man könnte auch von Hybris der Menschen sprechen.
    2. Es folgt die Kritik am Fatalismus des Stücks. So etwas habe es immer wieder in der Menschheitsgeschichte gegeben und die Menschheit sei damit fertig geworden.
    3. Dabei wird natürlich übersehen, dass der Einsatz von Atombomben dazu führen könnte, dass die Menschheit keine Chance mehr bekommt, diesen Verstoß gegen die "Gottesfurcht" zu reparieren.
9.    "Dann erhöbe sich abermals die Frage ..."
    1. Rückkehr zu Dürrenmatts Ansatz hin zur Frage: Warum er eine so irreparabel schlechte Menschheit nicht gerne dem Untergang geweiht sieht.
    2. Mit dem Ziel einer „Bereinigung im Weltall“
10.    "Der Mensch, nicht jedoch Frau Möbius ..."
    1. Hinweis wohl darauf, dass Dürrenmatt hier ein arg verkürztes Menschenbild hat, eben eher von Karikaturen ausgeht.
11.    "Eine der großen Rettungsmöglichkeiten ..."
    1. Entwicklung eines positiven Dramenkonzepts, indem Menschen gezeigt werden, deren Rettung sich lohnt.
    2. Und an denen auch positive menschliche Züge gezeigt werden.
12.    "Nur so kann man den Menschen ..."
    1. Geht noch einen Schritt weiter: Das Zeigen solcher Menschen kann möglicherweise eher jemanden davon abhalten, die Bombe zu zünden.
13.    "Ohne dieses Angesicht ..."
    1. Herausstellung dieses Zusammenhangs als einzige Möglichkeit – Konzentration auf das „Angesicht“ als Kern der Menschlichkeit.
14.    "Das Känguru ..."
    1. Rückgriff auf das Känguru als Beispiel für alle Lebewesen, deren Leben in der aktuellen Moral nicht den Stellenwert menschlichen Lebens hat.
    2. Unterschied zwischen Tier und Mensch.
    3. Vorwurf an Dürrenmatt, er sehe den Menschen nicht höher als das Tier.
15. "Da liegt der wahre Schade ..."
    1. Vorwurf an Dürrenmatt, dass er für ein Theater stehe, das eigentlich Kabarett sei und eine negative Wirkung auf die Vorstellung von Menschlichkeit präsentiere.
16. "Wenn wir mit dieser abgestandenen Ironie ..."
    1. Zusammenfassung und Warnung: Wenn man im Stil dieser "Komödie" weitermacht, also keine "Schade-Menschen" zeigt, wird die Bombe wahrscheinlicher, weil es zu wenig Mitgefühl mit diesen Menschen gibt.
    2. Tatsächlich gibt es ja im Stück keine Figur, auf deren Seite man gleich gerne steht. Auch der Möchtegern-Menschheitsretter forscht ja in der Klinik fröhlich weiter, statt wirklich zu verzichten. Und als die Manuskripte für ihn zur Gefahr werden, ermordet er seine Geliebte.
    3. Das ist eine sehr problematische Retter-Haltung, dass man morden darf um eines "guten" Zieles willen.
  1. Die Theaterkritik beginnt mit einer direkten Anrede an den Autor und einer maximalen Provokation: Dürrenmatt wird nämlich vorgeworfen, er zeige keinen Menschen, "um den es wahrhaftig schade wäre, wenn die große Bombe platzte".
    Diesen Passus muss man richtig verstehen, sonst kann man dem Autor der Kritik selbst Menschenverachtung vorwerfen. Ihm geht es darum, dass im Theater eben eine die Menschheit bedrohende Gefahr nicht abstrakt behandelt werden sollte. Vielmehr sollten auf der Bühne Menschen zu sehen sein,  mit denen man mitleidet und vorher mitzittert.
    Man merkt hier deutlich, dass dieser Rezensent in den Kategorien des klassischen Theaters denkt, das über Mitgefühl eine moralische Haltung erzeugen wollte.
    Dementsprechend wird man prüfen müssen, ob "Die Physiker" nicht eher dem epischen Theater Brechts entsprechen, das über Nachdenken wirken will, nicht über Einfühlung.
  2. Als nächstes wird dem Autor die Frage gestellt, ob er denn glaube, dass es heute keine entsprechenden Menschen mehr gebe, mit denen man mitfühlen und mitzittern kann.
  3. Unter der Voraussetzung, dass diese Frage negativ beantwortet wird (zumindest durch das Stück) kommt die nächste Frage: Warum denn die drei Physiker sich so viele Sorgen um eine Menschheit machen, die nicht entsprechend positiv menschlich dargestellt wird.
  4. Die Kritik von Heinz Beckmann wird noch radikaler, indem Menschen, wie sie von Dürrenmatt präsentiert werden, mit Tieren verglichen werden, die halt jederzeit damit rechnen müssen, dass ihnen ihr Leben genommen wird. Bei Tieren ist es dann der Jäger oder der Schlachter, bei den Menschen eben eine Katastrophe wie zum Beispiel durch den Einsatz der Atombombe.
    Auch hier zum richtigen Verständnis: Der Theaterkritiker will nicht sagen, dass Leute wie der Inspektor, der Missionar oder Möbius Tiere sind, sondern er will nur darauf hinweisen, dass die Zuschauer in einem Punkt keinen großen Unterschied mehr sehen, nämlich auf der Ebene eines ganz fundamentalen Mitgefühls.
    Zur Entlastung des Kritikers, der hier wirklich sehr weit geht mit seinen Vergleichen, kann aber angeführt werden, dass Möbius ja selbst von sich und seinen beiden Physikerkollegen sagt, sie seien (wegen der Morde) in den Augen der Menschen "Tiere".
  5. Es folgt eine Art Zusammenfassung unter dem Begriff der Menschenverachtung. Damit ist gemeint, dass die von Dürrenmatt geschaffenen Figuren des Stücks zu wenig Achtung auslösen. Das reduziert wiederum für Beckmann das Betroffensein im Hinblick auf die Wissenschafts- bzw. Atomproblematik.
  6. Interessant ist die folgende Anmerkung, die Dürrenmatt Mutlosigkeit unterstellt, Man könnte auch sagen eine Art Berechnung. Er hat eine völlig fatalistische Haltung, macht sich im ersten Teil darüber aber fast lustig - und im zweiten Teil lässt er einen Überbau an Wissenschaftsproblematik entstehen, der zu theoretisch abgehoben bleibt.
  7. Nicht ganz überzeugend ist dann die Kritik, dass Dürrenmatt im Hinblick auf den Umgang mit der Religion und der Zuordnung der Menschlichkeit zur Ärztin sehr viel Courage gezeigt habe. Das überzeugt aber nicht, denn der Negativpsalm entspricht ja der aktuellen Negativsicht der Welt und die angebliche Humanität der Ärztin ist nur vorgeschoben. In Wirklichkeit lässt sie Möbius auch ohne Bezahlung durch seine Exfrau in der Klinik, weil sie ihn ausbeuten kann.
  8.  Sehr positiv ist die Würdigung des zentralen Begriffs der Gottesfurcht, die, wenn sie fehlt, nach Auffassung von Dürrenmatt so etwas sie Hybris mit den entsprechenden Folgen  auslöst.
  9. Etwas problematisch ist der Hinweis auf die vielen Situationen, in denen die Menschheit so eine Fehleinstellung wieder überwunden hat. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass im Falle der Atombombe - und da hat Dürrenmatt unserem Drama natürlich schon recht - ,möglicherweise keine Gelegenheit zu einer Reparatur mehr vorhanden ist.
  10. Im Schlussteil formuliert Beckmann dann ein Gegenkonzept: Er will "den zu rettenden Menschen" gezeigt sehen und den Eindruck haben, dass man ihn "mit den Mitteln der dramatischen Kunst wiederherstellen" will.
  11. Am Ende bringt er alles auf den Punkt, dass die Figuren auf der Bühne ein "Angesicht" haben sollten, also ein Gesicht oder auch ein Gesamterscheinungsbild, das jemanden davon abhalten könnte, auf den berühmten roten Knopf zu drücken.
  12. Im Hinblick auf Dürrenmatt findet Beckmann es schade, dass "gescheite Kabarettisten sich als Dramatiker ausgeben und uns auf der Bühne den Menschen verpfuschen". Zumindest der erste Teil des Stücks hat durch die zum Teil seltsamen Späße (man denke an die Forderung des Inspektors nach Schnaps) etwas von Kabarett - und der zweite Teil erinnert ein bisschen an ernstere Passagen, die durchaus auch im Kabarett zu finden sind.
  13. Am Ende sieht Beckmann die folgende Gefahr: "Wenn wir mit dieser abgestandenen Ironie, mit der blasierten Komödie als der angeblich einzigen dramatischen Ausdrucksmöglichkeit unserer Zeit so fortfahren, wird Mathilde die Bombe zünden, weil am Ende niemand mehr den Schaden erheblich findet."
    Das ist natürlich insofern fragwürdig, weil diese Mathilde damit sich auch selbst vernichten würde. Sinn macht die Formulierung allenfalls, wenn man daran denkt, dass in den 60er Jahren ja immer mit der Idee gespielt wurde, dass bei einem Atomkrieg nur die andere Seite stirbt oder man die Menschenverluste zugunsten eines Sieges in Kauf nehmen könne.
  14. Fassen wir abschließend zusammen: Beckmann vertritt eine traditionelle Theaterauffassung, in der Mitgefühl mit den Figuren entstehen soll und damit so etwas wie moralische Besserung am Ende herauskommen kann. Dürrenmatt könnte sich auf Brechts episches Theater berufen und mehr auf distanzierte Einsicht setzen. Sein Problem ist nur, dass er einen Fall zeigt (und das mit dem Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit), bei dem immer die schlimmstmögliche Wendung (Punkt 3 der 21 Punkte) Fall eintritt und eigentlich nichts zu machen ist: "Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen." (Punkt 8 der 21 Punkte).
  15. Am Ende gibt es aber auch eine Gemeinsamkeit zwischen Beckmann und Dürrenmatt: Letzterer deutet zumindest im Punkt 17 an, dass es eine Lösung geben könnte, allerdings nur durch alle Menschen. Darüber kann man sehr gut diskutieren, wenn man das Prinzip etwa auf Ärzte anwendet: Der Krebs, der alle angeht, kann nur von allen als Problem gelöst werden. Spätestens hier sieht man die Schwäche des Dürrenmattschen Auswegs aus dem Dilemma: Ganz offensichtlich geht es bei Lösungen nicht um die große Zahl der Beteiligten, sondern um die Verantwortung derer, die Entscheidungen treffen können und müssen. Damit wäre man wieder bei dem Begriff der "Gottesfurcht" am Ende des Stücks, der dürfte realistischer sein und damit weiter reichen als die Ganze-Menschheits-Theorie der 21 Punkte. Und damit wäre man wieder bei Beckmann, denn diese "Gottesfurcht" (im Sinne der Achtung vor dem Leben allgemein und dann natürlich auch den anderen Menschen) gibt dem Menschen möglicherweise genau das "Angesicht", das im entscheidenden Moment verhindert, dass auf den roten Knopf gedrückt wird.


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