[Anrede, Bezugspunkt und erste Reaktion darauf: Ablehnung]1. Sehr geehrte Damen und Herren von der Redaktion der Harsebecker Nachrichten, in dem Artikel „Empörung über Einheitsnote“ in Ihrer Ausgabe vom 11. Oktober 2013 ist die Rede davon, dass ein Lehrer nur noch Einheitsnoten geben will. Ich war als Schüler/in ei-ner siebten Klasse zunächst einmal entsetzt, weil ich an meine sehr gute Note in Geschich-te dachte – und die wäre ja in Zukunft nicht mehr viel wert, wenn alle die gleiche Note be-kämen.
[Zweite Reaktion: Zustimmung]
2. Dann dachte ich aber an meine Angst vor Mathematikarbeiten – ich gehe an solchen Ta-gen schon mit Bauchschmerzen in die Schule – und im schlimmsten Falle bekomme ich ei-nen richtigen Filmriss – so nennt meine Mutter das, wenn plötzlich nichts mehr geht. Da wä-re es wirklich hilfreich, wenn man keine Angst vor schlechten Noten haben müsste, weil alle die gleiche Note bekommen.
[Dritte Reaktion: Aspekt der Leistung]
3. Damit ist aber auch schon klar, dass beides keine Lösung sein kann. Unser ganzes Le-ben ist auf Leistung ausgerichtet – da kann und darf man die Schule nicht ausnehmen – die soll ja schließlich auf das Leben vorbereiten.
[Einschränkung: Leistungsbewertung nicht zu früh]
4. Allerdings gibt es ja eine ganz gute Entwicklung, bei der man unterscheidet, wie weit je-mand von dem wirklichen, dem manchmal auch harten Leben entfernt ist. Dementspre-chend gibt es in der Grundschule zum Teil keine Ziffernnoten, sondern eher Beschreibun-gen des Entwicklungsstandes und der Perspektiven.
[Plädoyer für eine gewisse Zurückhaltung auch in späterer Zeit]
5. Im weiteren Verlauf muss man dann sehen, wie weit man gehen will: Zu Recht kommt man inzwischen vom sogenannten Sitzenbleiben ab, das ja immer mit Noten zu tun hat – nach dem Motto: Eine Fünf in einem Hauptfach muss durch eine Drei in einem anderen Hauptfach ausgeglichen werden – wenn nicht, bleibt man sitzen.
[Erneuter Hinweis auf Notwendigkeit von Leistungsbewertung für die Gesellschaft]
6. Andererseits sind bestimmte Bildungsgänge wie zum Beispiel das Gymnasium und das damit verbundene Studium Menschen vorbehalten, die über bestimmte Kompetenzen ver-fügen – und die werden mit Hilfe von Noten beschrieben.
[Rückkehr von der Ebene der Gesellschaft zum Alltag in der Schule: Notwendigkeit des „Forderns“]
7. Aber schauen wir uns mal den ganz normalen Schulalltag an: Wie oft erlebt man es, dass ein Lehrer oder eine Lehrerin einem Schüler deutlich sagen muss, dass er Schwierigkeiten bekommt, wenn er nicht ein bestimmtes Maß an Leistung bringt. Menschen sind nun einmal so strukturiert, dass sie mehr oder weniger äußeren Druck brauchen, um sich genügend anzustrengen.
8. Aber es geht auch um alle anderen Schüler: Sie brauchen eine klare Rückmeldung, um dann entscheiden zu können, ob sie sich damit begnügen oder noch mehr wollen.
9. Aber – und da hat der Lehrer in dem Artikel natürlich Recht: Weder die Arbeit später im Beruf noch das Lernen in der Schule sollte ständig unter Beobachtung stehen – das hält kein Mensch auf Dauer aus.
[Lösungsvorschlag: Beschränkung der Notengebung und Schwerpunkt auf guten No-ten]
10. Noten sollten also nicht dauernd im Vordergrund stehen – und sie sollten möglichst in einer menschlichen Atmosphäre vergeben werden – das bedeutet auch, dass möglichst immer auch noch eine positive Entwicklung möglich bleibt. Ansonsten ist eine Kultur des Positiven auf jeden Fall stärker leistungsfördernd als eine Kultur des Kritisierens und Aus-sortierens. Im konkreten Falle könnte das bedeuten, dass die Noten „mangelhaft“ oder „un-genügend“ nur dann gegeben werden, wenn es gar nicht anders geht – und dann auch noch die Möglichkeit der Reparatur, der Verbesserung besteht. Die Frage ist, ob man nicht in manchen Fällen wirklich auf das Sitzenbleiben verzichten kann, indem stärker gefördert wird. Ansonsten schadet es nicht, wenn sich der Anteil guter Noten weiter vermehrt.