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Expressionismus: Fragen u Antworten

Der Expressionismus - eine literarische Strömung in Frage und Antwort


Wie ist der Expressionismus in die deutsche Literaturgeschichte einzuordnen?

  1. Rein zeitlich steht der Expressionismus zwischen dem Naturalismus und seinen Gegenbewegungen (etwa Impressionismus, Symbolismus u.ä.) und der Neuen Sachlichkeit der 20er Jahre.
  2. Gegen den Naturalismus grenzt er sich ab durch ein geringeres Interesse an der Wirklichkeit. Denn die Expressionisten leben von innen nach außen, greifen aus der äußeren Welt das auf, was ihre Gefühle am besten ausdrückt. Damit ist auch schon klar, dass ihre Wirklichkeitsvorstellung eine ganz andere ist als im Realismus oder im Naturalismus.
  3. Vom Impressionismus trennt die Expressionisten die Richtung im Hinblick auf die Wirklichkeit. Während die Impressionisten wie die Naturalisten von der Wirklichkeit ausgehen, ihre eigene Wahrnehmung dabei aber auf künstlerische Art und Weise möglichst adäquat präsentieren wollen, ist im Expressionismus der innere Gefühls- und Gedankendruck so groß, dass er sich der Wirklichkeit mehr oder weniger nur bedient, sie ist also eher Mittel zum Zweck.
  4. Der Expressionismus hat dafür viel zu tun mit der Romantik, was die eigenwillige Sicht der Welt angeht, auch das Ungestüme und die Sehnsucht nach einer anderer Welt, diese ist aber nicht so noch in der Natur oder im Religiösen fundiert wie in der Romantik. Auch gibt es keine Sehnsucht nach der guten alten Zeit, man denkt eher nach vorne, will die Welt ändern.
  5. Das verbindet den Expressionismus auch mit dem Sturm und Drang, denn auch deren Vertreter litten unter den Begrenzungen der sie umgebenden Wirklichkeit, wollten ihre Gefühle ausleben und eine neue, bessere Welt schaffen. Auch die Bereitschaft zu ungewöhnlicher, ja extremer Sprache verbindet beide Epochen.
  6. Der Expressionismus wurde von vielen als so extrem und zum Teil überspitzt empfunden, dass es in den 20er Jahren eine Gegenbewegung gab, die sich ganz bewusst "Neue Sachlichkeit" nannte. Ihre Vertreter waren eng am Journalismus und seinen Reportagen, neigten aber auch zur melancholisch-traurigen Kontrastierung von Idealen mit der Wirklichkeit - wie etwa in Kästners bezeichnenderweise "Sachliche Romanze" genanntem Gedicht.

Expressionismus und Jugendbewegung

  • Zunächst einmal gibt es zeitliche Gemeinsamkeiten, beide Bewegungen beginnen vor dem Ersten Weltkrieg und laufen nach ihm aus,
  • Beide zeigen auch beide gewisse Anfälligkeiten für den Nationalsozialismus. Denn wie er stehen sie in großer Distanz zur aktuellen Politik und Gesellschaft, wollen zum Teil einen neuen, stärker naturverbundenen Menschen.
  •  Außerdem gibt es Gemeinsamkeiten mit der Romantik, ihrer Orientierung an Bewegung (bei der Jugendbewegung: dem Wandern) und ihrer Sehnsucht nach einer anderen, besseren Welt. Die Expressionisten beschreiben die Einsamkeit der Menschen in der Masse - die Vertreter der Jugendbewegung wollen das Problem lösen durch gemeinsame Fahrten und Abenteuer.
  • Bei der Jugendbewegung handelt es sich um eine gesellschaftliche Strömung im Bereich der Schulen und der Universitäten, die ab 1896 stark anwuchs, also zeitlich einige Jahre dem Expressionismus voranging.
  • Gemeinsam war beiden der Protest gegen die zum Teil als leblos empfundene bürgerliche Kultur - dazu kam die Distanz zu Großstadt und Industrie.
  • Eine große Rolle spielte auch das innere Erleben - die Expressionisten fassten es in Gedichte, die Jugendbewegten tauschten sich darüber aus, pflegten ein entsprechendes Liedgut.
  • Dabei griffen sie gerne auf Volkslieder zurück und hatten ähnlich wie die Romantik eine positive Einstellung gegenüber der Vergangenheit, während die Expressionisten ganz eindeutig zur Moderne gehören und nach vorne blickten.
  • Parallelen wiederum gibt es im Hinblick auf den Ersten Weltkrieg: Viele Expressionisten hatten nichts gegen eine große "Disruption", wie man das heute nennen würde, eine große Krise oder sogar einen großen Umsturz, bei dem die Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden - wie Karl Marx es formuliert hätte - und am Ende etwas Neues entsteht.  Die Anhänger der Jugendbewegung waren als Schüler zusätzlich starker nationalistischer Indoktrination ausgesetzt und glaubten wirklich auch in diesem Zusammenhang an das Schillerwort: "Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein." Das endete dann für viele in den Maschinengewehren von Langemarck, jenem legendären Ort, an dem viele Jugendliche - noch wenig kriegserfahren - begeistert in die Schlacht zogen und in Massen starben. Von den Expressionisten weiß man ja, wie viele im gleichen Zusammenhang nur ein kurzes Leben hatten,
  • Während der Expressionismus nach dem Krieg durch die Gegenbewegung der Neuen Sachlichkeit abgelöst wurde, zerfiel die Jugendbewegung in viele verschiedene Strömungen, manche links, manche rechts, aber vor allem gruppenorientiert.
  • Nach dem Erstarken des Nationalsozialismus ab 1930 zeigten sich viele Anhänger der Jugendbewegung anfällig für seine Ziele, es gab aber auch Widerstand dagegen, vor allem in Kreisen der Arbeiterschaft und des Katholizismus. Nach 1933 erfolgte dann die Zwangseingliederung in die Hitlerjugend.
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