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F. Schlegel, "Weise des Dichters"

Friedrich Schlegel, "Weise des Dichters"

Friedrich Schlegel

Weise des Dichters
 
Wie tief im Waldesdunkel Winde rauschen,
Ihr Lied dazwischen Nachtigallen schlagen,
Der muntre Vogel singt in Frühlingstagen,
Dass wir dem fernen Ruf bezaubert lauschen;

So seht ihr hier jedwede Weise tauschen,
Betrachtung, linde Seufzer, tiefe Klagen,
Der Scherze Lust, der Liebe kühnes Wagen,
Und was den Seher göttlich mag berauschen.

Anklänge aus der Sehnsucht alten Reichen
Sind es, die bald sich spielend offenbaren,
Uns ihr Geheimnis bald mit Ernst verkünden;

Sinnbilder, leise, des gefühlten Wahren,
Des nahen Frühlings stille Hoffnungszeichen,
Die schon in helle Flammen sich entzünden.

Der Titel bedeutet wohl, dass es hier um das Besondere des Dichters und wohl die Eigenart bzw. den Wert seines Dichtens geht.
  • Zu Beginn des Gedichtes wird eine bestimmte Situation beschrieben, die typisch romantisch ist. Spezieller wird sie schon dadurch, dass es um das Lied eines Vogels geht, verbunden mit der Zeit des Frühlings und einer guten Stimmung.
  • Ganz am Ende wird darauf hingewiesen, was das alles bei Menschen bewirkt, nämlich eine Situation intensiven Zuhörens, verbunden mit einer besonderen inneren Anteilnahme, aber auch eine noch große Distanz. Die ist aber eher im Sinne von Sehnsucht zu verstehen.
  • In der zweiten Strophe wird diese Situation dann verglichen mit der des Dichters beziehungsweise vieler Dichter. Dabei spielen eben die verschiedenen Weisen im Sinne von Besonderheiten des jeweiligen Dichtens eine Rolle, von reiner Betrachtung über "Seufzer" und "Klagen" bis hin zu "der Scherze Lust" und am Ende sogar der besonderen Herausforderung der Liebe.
  • Die letzte Zeile schließt dann alles Weitere auch noch ein, das möglich ist, und stellt es in den Zusammenhang von göttlicher Berauschung.
  • Hier wird ein Verständnis von Dichtung deutlich, das den Poeten in einer nahen Beziehung zum Göttlichen sieht.
  • Die vorletzte Strophe verweist in typisch romantischer Mann  auf frühere geschichtliche Epochen, denen man sich zumindest innerlich annähern kann.
  • Die letzte Strophe fasst noch einmal zusammen, um was es sich bei Dichtungen handelt, nämlich um Sinnbilder, die gefühlte Wahrheiten ausdrücken.
  • Die letzten beiden Zeilen schlagen dann den Bogen zum Anfang zurück und eröffnen über den Frühling eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive, in der "helle Flammen" produziert werden. Damit ist wohl im positiven Sinne das gemeint, was mit Feuer verbunden ist, nämlich Wärme und Kultur.
Insgesamt zeigt das Gedicht:
  1. die enge Beziehung der Romantiker zur Natur, die als beseelt und bedeutungsvoll empfunden wurde,
  2. ein weites Verständnis von Poesie, wobei allerdings allen Varianten eins gemeinsam ist, nämlich eine Art göttlicher Rausch, also ein Heraustreten aus der normalen Realität, verbunden mit einer Annäherung an höhere Mächte,
  3. eine Hochschätzung der Vergangenheit, die als eine Welt voller Geheimnisse gesehen wird,
  4. die enge Verbindung von Wahrheit und Gefühlen,
  5. ein starkes Empfinden für Momente des Neubeginns und des Aufbruchs, wie sie sich besonders im Frühling zeigen.


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