Schillers Gedicht "Kolumbus" wird gerne im Zusammenhang mit Reisegedichten behandelt und ist besonders interessant, weil der Dichter hier das Lob des großen Menschen, des Helden singt - und das mit einem unglaublichen Optimismus verbindet.
• „Steure, mutiger Segler! Es mag der Witz dich verhöhnen,“o Schon die erste Zeile setzt zwei Akzente in die Richtung, die man als Leser hat vermuten können: Es geht zum einen um den Mut und zum anderen auch den Hohn derjenigen, die nicht bereit sind, Neues zu denken und zu wagen.
• „Und der Schiffer am Steur senken die lässige Hand.“o Die zweite Zeile ist wohl am ehesten so zu verstehen, dass sie den Gedanken der Widerstände fortsetzt, diesmal aber mögliche Gefahren im Inneren sieht, nicht draußen.
Das würde dann bedeuten, dass diese Zeile abhebt auf die Mannschaft des Schiffes, die im Dienst eines außergewöhnlichen Menschen steht, vielleicht auch stehen muss, aber natürlich selbst durchaus in den Bahnen des Gewöhnlichen bleibt und möglicherweise nicht den gleichen Mut aufbringt wie Kolumbus.
• „Immer, immer nach West! Dort muss die Küste sich zeigen,“o Die nächste Zeile gibt dann die Gedanken des Kolumbus wieder, den Drang nach Westen, in Richtung des bisher unbekannten Seeweges nach Indien und die Erwartung, dass sich dort tatsächlich auch eine Küste zeigt und nicht das unendliche Meer mit möglicherweise einem Abgrund am Ende, so wie viele es um 1500 noch glaubten.
• „Liegt sie doch deutlich und liegt schimmernd vor deinem Verstand.“o Die nächste Zeile macht deutlich, dass jeder Mensch mit einer Vision eben ein inneres Bild des Erfolges schon vor sich sieht, das alle anderen, die im bisherigen Weltbild verharren, entweder nicht sehen oder nicht glauben wollen.
• „Traue dem leitenden Gott und folge dem schweigenden Weltmeer,“o In der nächsten Zeile wird das Projekt des Kolumbus ins Überirdische, in die Welt der Götter gehoben.
Es wird die Vorstellung erweckt, dass nicht alles von Kolumbus ausgeht, sondern über ihm eben ein Gott steht, eine höhere Gewalt, die ihn leitet.
o Interessant ist die Verbindung mit dem Weltmeer und der Vorstellung, dass es schweigt. Damit ist wohl gemeint, dass die Zielvorstellungen und die Hoffnung sich nicht direkt aus der Wirklichkeit (dem Meer) ableiten, sondern entweder von innen aus dem Menschen, oder eben eventuell sogar von höheren Gewalten kommen.
• „Wär sie noch nicht, sie stieg' jetzt aus den Fluten empor.“o Die nächste Zeile bringt dann eine positive Dynamik ins Spiel, man hat den Eindruck, dass das lyrische Ich hier deutlich machen will, dass die Realisierungschancen für diese Vision des Kolumbus steigen.
o Man weiß allerdings nicht so ganz, worauf sich das Pronomen „sie“ bezieht. Das wird dann in der nächsten Zeile deutlich:
• „Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde,“o Denn es ist die Natur, die sich überraschenderweise jetzt auf die Seite des wagemutigen Helden stellt.
o Man hat den Eindruck, dass hier zwischen der unbelebten Natur des Meeres und der Ebene des leitenden Gottes noch eine weitere, nämlich die der Natur eingeschoben wird.
o Dabei bleibt offen, wie ihr Verhältnis zu den beiden anderen Ebenen genau ist. Man könnte annehmen, dass die Natur hier dem leitenden Gott folgt, der den mutigen Menschen mit seinen Visionen belohnen will.
• „Was der eine verspricht, leistet die andre gewiss.“o Die letzte Zeile des Gedichtes fasst du noch mal das Visionäre und den Glauben daran zusammen, indem sie etwas zur Gewissheit erklärt, was der nur realistische Mensch so nicht sieht: nämlich die sichere Verbindung von einem Versprechen und dessen Erfüllung.
o Hier könnte man darauf verweisen, dass in der Realität Kolumbus unwahrscheinlich Glück gehabt hat, dass Amerika zufällig in der Mitte seines Weges nach Indien lag, sonst wäre er verdurstet oder von seiner Mannschaft tot geschlagen worden..
Es ist schon sehr gewagt von Schiller, hier so einen grenzenlosen Optimismus in Verse zu packen. Die Frage ist natürlich, welchen Kenntnisstand er hatte, was die Fahrt des Kolumbus angeht.