Wir präsentieren und erläutern hier ein sehr ungewöhnliches Liebesgedicht von August Stramm, das die Wucht einer Wiederbegegnung verdeutlicht, aus der nichts wird.
August Stramm
Wiedersehen
1 Dein Schreiten bebt
2 In Schauen stirbt der Blick
3 Der Wind
4 Spielt
5 Blasse Bänder.
6 Du
7 Wendest
8 Fort!
9 Den Raum umwirbt die Zeit!
Anmerkungen zum Gedicht:
Die Überschrift gibt eine bestimmte Richtung an, es geht um ein "Wiedersehen", d.h. man kennt sich, hat eine gemeinsame Vergangenheit, mehr weiß man nicht. Man kann allerdings vermuten, dass es um Liebe oder Freundschaft geht.
Die erste Zeile erweckt den Eindruck, dass das Gegenüber würdevoll geht - und es macht Eindruck, was durch "bebt" ausgedrückt wird.
Die zweite Zeile kann man am ehesten so verstehen, dass das Lyrische Ich so beeindruckt ist, dass es den Blick senkt.
Es blickt dann beiseite und konzentriert sich auf das Spiel des Windes. Was er vor sich hertreibt, sind im Vergleich zu dem Schreiten und Beben des Gegenübers nur "blasse Bänder".
In den Zeilen 6 und 7 dann die Veränderung: Das Gegenüber scheint sich abzuwenden.
In der nächsten Zeile findet sich das knappe Ergebnis: "Fort".
Die letzte Zeile ist rätselhaft, aber wenn man die Elemente wie in einem Puzzle zusammensetzt, erscheint am Nächstliegenden, dass dort ein leerer Raum ist, dem die Zeit sich zuwendet, ja ihn sogar umwirbt.
Das kann man so verstehen, dass das Lyrische Ich das eigene Empfinden von sich weglenkt, verallgemeinert und zu einem Problem der Zeit macht. In Wirklichkeit ist es selbst noch voller Sehnsucht, hat aber nur noch leeren Raum vor sich - nur den und damit die Erinnerung an das Gegenüber kann es noch umwerben.
Insgesamt ein typisches Gedicht von August Stramm, der ja als Dichter des Expressionismus besonders für seine Sprachspiele bekannt ist.
Das Gedicht ist ein schönes Beispiel dafür, wie man versuchen muss, sich Stück für Stück vorzuarbeiten - und dabei den entstehenden Gesamteindruck immer wieder neu überprüft.
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