Beispiel für eine mündliche Prüfung zum Thema "Parzival"
Einstieg: Frage: Wir haben wir im Unterricht uns lange mit Parzival beschäftigt, worum geht es da?
Es geht in diesem mittelalterischen Epos von Wolfram von Eschenbach,
das zwischen 1200 und 1210 entstand,
um einen jungen Mann, aus einer Adelsfamilie,
der von seiner Mutter ohne entsprechende Vorbereitung
in die Welt geschickt wird
und dort langsam immer mehr in die Ritterwelt hineinwächst,
bis er schließlich Gralskönig werden kann.
Nachfrage: Was hat es denn mit diesem Gral auf sich?
Bei dem Gral handelt es sich um einen Gegenstand, wohl einen Edelstein, der wundersame Kräfte besitzt.
Dazu gehört zum Beispiel, dass er für Speisen und Getränke sorgt.
Dazu kommt aber noch viel mehr: So verleiht er ewige Jugend und damit Unsterblichkeit - allerdings nur für kurze Zeit. Man muss ihn immer wieder anschauen.
Insgesamt ist der Gral etwas, was man verehrt.
In enger Beziehung zu ihm stehen zum einen der Gralskönig, ein Amt, das zunächst von Parzivals Onkel Anfortas, später von ihm selbst bekleidet wird.
Dazu kommen Ritter und Jungfrauen, die auf unterschiedliche Weise Hüter dieses Grals sind.
Zu all dem kommt, dass der Gral in enger Verbindung zu Gott steht, was an jedem Karfreitag deutlich wird, wenn eine weiße Taube vom Himmel kommt und eine Oblate auf dem Stein niederlegt, was ihm erst seine Wunderkraft gibt bzw. erhält.
Überleitung: Inwiefern kann man von einem Erziehungs- oder Bildungsroman sprechen?
Der Begriff passt natürlich von der Gattung her nicht ganz, denn es handelt sich ja um ein Versepos.
Inhaltlich trifft das aber durchaus zu.
Parzival beginnt ja fast als "tabula rasa", als ein fast noch gar nicht - zumindest nicht richtig - beschriebenes Stück Papier.
Er wird von seiner Mutter in eine Welt entlassen, die er gar nicht kennt, in der er als "tumber tor" erst mal alle notwendigen Erfahrungen machen muss.
Nachfrage: Welche Entwicklungsschritte sind denn besonders wichtig?
Zunächst macht Parzival vor allem Fehler, weil er nicht richtig vorbereitet worden ist.
So bringt er die schlafende Jeschute in größte Schwierigkeiten, weil er ihr einen Kuss abzwingt und eine Brosche raubt.
Dann erschlägt er sogar den Ritter Ither, weil er dessen Rüstung haben will.
Dann endlich bekommt er von seinem Onkel Gurnemanz zumindest zwei Wochen lang einen Schnellkurs in Ritterkultur,
aber auch da hat er etwas falsch verstanden,
denn als er auf den kranken Gralskönig stößt, stellt er ihm nicht die entscheidende Frage nach seiner Krankheit und verzögert damit die Heilung und wird regelrecht verflucht.
Erst als er Trevrizent begegnet, einem weiteren Onkel, der als Mönch lebt, wird er über alles aufgeklärt - und es wird ihm auch der Weg zur Gnade gezeigt.
Nachfrage: Wieso braucht Parzival am Ende denn Reue und Gnade?
Die Frage von Parzivals Schuld spielt eine große Rolle in der Wissenschaft und es gibt entsprechend auch unterschiedliche Positionen dazu.
Das Kernproblem ist dabei die Frage, inwieweit Parzival wissentlich bzw. absichtlich in Schuld gerät oder nicht.
Zum Beispiel der Tod der Mutter aus Gram, weil ihr Erziehungskonzept bei Parzival nicht aufgegangen ist.
Sie konnte ihn nicht von der Sehnsucht nach ritterlichem Leben fernhalten.
Sie hat ihn zwar noch so ausgestattet, dass er möglichst nur verspottet wird, nämlich in Narrenkleidung und auf einem klapprigen Pferd, aber dennoch starb sie kurz nach seinem Weggang aus Trauer darum.
Von ihrem Tod erfährt Parzival erst später.
Dann tötet er einen Ritter, weil er dessen Rüstung haben will. Das hört sich erst mal furchtbar an - aber von König Artus, in dessen Herrschaftsgebiet das geschieht, wird das als ritterliches Schicksal akzeptiert, auch wenn Parzival unritterlich kämpft.
Schließlich ist da noch die Verfluchung im Bereich der Gralsburg, weil er nicht nach dem Leiden des Gralskönigs gefragt hat.
Aber auch hier folgt er nur einem Rat, den er falsch auslegt.
Und er bekommt eine Möglichkeit das zu korrigieren.
Letztlich hat man den Eindruck, dass Gott und der Gral das Leben des zukünftigen Gralskönigs im Auge haben und in die richtigen Bahnen leiten.
Was geschieht denn am Schluss mit Parzival?
Wichtig ist erst mal das Gespräch mit dem frommen Einsiedler Trevrizent,
der ihm erst mal erklärt, was es mit dem Gral auf sich hat
und wieso er schuldig geworden ist.
Statt mit ritterlichen Taten sich um den Gral zu bemühen, soll er sich in Demut üben.
Tatsächlich bekennt sich Parzival dann auch zu seinen Fehlern und der damit verbundenen Schuld.
Dementsprechend wird er davon losgesprochen,
aber er zeigt nicht die aufrichtige Reue, die jetzt nötig wäre.
Hier hilft aber eine Fastenaktion, um Gott gnädig zu stimmen.
An dieser Stelle wird die zeitliche Distanz zwischen diesem mittelalterlichen Werk und uns modernen Menschen deutlich.
Wie sieht es denn mit einer heutigen Reaktion auf dieses mittelalterliche Epos aus?
Wir würden wohl heute mehr auf innere Verarbeitung dessen setzen, was geschehen ist.
Dabei würden wir wohl stärker differenzieren zwischen den Fällen, in denen Parzival ahnungslos oder auf falschen Rat hin handelt
und denen, in denen er aus unserer Sicht tatsächlich schuldig wird.
Und das ist vor allem der Tod von Ither.
Aber gerade der wird ja letztlich vom Epos her, d.h. von König Artus aus, akzeptiert.
Am wenigsten können wir heute wahrscheinlich mit den geheimnisvollen Umständen des Gral-Geschehens anfangen, an denen mehr oder weniger Gott direkt beteiligt ist.
Wie sieht es denn mit der Eignung als Lektüre für heutige Schüler aus?
Es lohnt sich auf jeden Fall, dieses Werk zu kennen, weil es eine große Wirkung gehabt hat bis in die Opernwelt hinein.
Dann kann man viele ethische, aber auch kulturelle Fragen diskutieren, die einem dann helfen, die eigene Position klarer zu bestimmen.
In gewisser Weise liegt hier ja schon eine Art interkulturelles Lernen vor, denn die Welt dieses Epos ist weit von uns entfernt.
Das merkt man vor allem an den vielen Abenteuern, die sicher typisch für das Mittelalter und seine Bedürfnisse sind, aber mit unseren heutigen Interessen und Wünschen wenig zu tun haben.
Am spannendsten fand ich zum Beispiel die Frage, ob wir uns heute einen so selbstbestimmten oder auch vom Zufall oder ggf. geheimnisvollen Mächten geleiteten Erziehungs- und Bildungsvorgang leisten könnten.
Auf jeden Fall kann man sich - wenn es mal wieder schlecht bei einem läuft - vielleicht damit trösten, dass das zu einer guten Persönlichkeitsentwicklung gehört, auch wenn man am Ende nicht Gralkönig wird.
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