Edward Hopper, "Room in New York" - Kommunikation im Bild
Edward Hopper, "Room in New York" - Anmerkungen zum Thema "Kommunikation"
Das Bild zeigt ein - allerdings recht eng wirkendes bürgerliches Wohnzimmer, gesehen durch ein Fenster von außen.
Dominiert wird das Bild durch einen Mann im Sessel, der leicht nach vorne gebückt in einer Zeitung liest.
Ganz am hinteren rechten Rand des Bildes ist eine Frau in einem roten Kleid zu sehen, die wohl eher desinteressiert bzw. gelangweilt auf der Tastatur eines Klaviers herumtippt.
Beide Personen sind einander nicht zugewandt, was wohl auch den inneren Abstand deutlich machen soll.
Der Mann ist derjenige, der hier wahrscheinlich etwas Sinnvolles tut, indem er Neuigkeiten aus der Zeitung aufnimmt, vielleicht auch die Börsenkurse studiert.
Das entspricht der zur Zeit der Entstehung des Bildes (1932) typischen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau: Er arbeitet und hat das Sagen. Sie kümmert sich um den Haushalt (was hier ausgeblendet wird) und vertreibt sich ansonsten irgendwie die Zeit, bis der Mann sich wieder für sie interessiert.
Hier stehen sich ganz eindeutig Autonomie und wohl auch Macht beim Mann und Abhängigkeit bei der Frau gegenüber.
Besonders an der Haltung der Frau kann man ablesen, wie sehr sie bewusst oder auch unbewusst unter der Situation leidet.
Aber auch der Mann wirkt nicht glücklich, sondern eher gewollt konzentriert. Man kann sich gut vorstellen, dass es schon Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben hat.
Zum Thema Kommunikation gehört im weitesten Sinne zunächst einmal, dass diese beiden Menschen nicht miteinander kommunizieren und damit im Sinne Watzlawicks ganz eindeutig ein kommunikatives Signal geben (was den Mann betrifft: "Mich interessiert es nicht, wie es meiner Frau geht, die kann warten." Was die Frau angeht: "Es hat keinen Sinn, mit diesem Mann über meine Gefühle zu reden. Ich muss einfach abwarten und mir irgendwie die Zeit vertreiben."
Neben dieser Ebene der Kommunikation gibt es noch eine zweite, nämlich die des Beobachters durch das Fenster. Zwar sieht man ihn nicht, aber man ahnt durch die Anlage des Bildes, dass er möglicherweise einsam ist, Zeit hat und sich für das Leben anderer Leute interessiert. Vielleicht geht er gleich ein bisschen "glücklicher" oder zumindest entspannter weiter, indem er denkt oder sich sagt: "Die Leute können auch zu zweit einsam sein. Ich muss wenigstens niemandem erklären, warum ich hier durch die Gegend laufe und in fremde Fenster blicke."
Kreativer Umgang mit dem Bild: Dazu eine Kurzgeschichte schreiben lassen
Ein Bild ist ja in mancherlei Hinsicht eine auf einen einzelnen Punkt hin gekürzte Kurzgeschichte.
Dementsprechend könnte man mal versuchen, die Geschichte, die sich hinter dem Bild verbergen könnte, in eine normale Kurzgeschichte umzuschreiben.
Als erstes sollte man die Perspektive wählen: Zeitungleser, Klavierspielerin, Passant auf der Straße, der in dieses Zimmer hineinblickt.
Wir nehmen mal die Frau, weil die am meisten Interesse an einem Wendepunkt ihres Ehe-Alltags haben sollte.
Man wählt einen Einstieg: "Es war auch an diesem Tag wie immer. Sie hatten zu Abend gegessen. Sie hatte alles abgeräumt und war dann ins Wohnzimmer gegangen. Ihr Mann las in seiner Zeitung und blickte nicht mal auf. Sie hatte keine Lust auf Nähe, also setzte sie sich ans Klavier und klimperte ein wenig darauf herum."
Der nächste Schritt ergibt sich wie von selbst: Der Mann fühlt sich von dem Geklimper gestört, es ergibt sich eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf man sich immer mehr Gefühlswahrheiten an den Kopf wirft.
Schließlich verlässt die Frau den Raum, zieht sich nach einigem Zögern an und verlässt das Haus.
Hier könnte sie auf den Passanten treffen, den sie kennt, man unterhält sich - und schließlich zieht sie mit ihm zusammen los.
Was draus wird, bleibt dann - wie es sich gehört - offen.
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