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Hölderlin, "Der Neckar"


Hölderlin, "Der Neckar"

Der Neckar
  • Die Überschrift macht deutlich, dass es um einen geografischen Ort geht, wahrscheinlich auch in seiner Besonderheit als Fluss, möglicherweise mit romantischen Bezügen.
  • Aber das sind alles Elemente, die schon in den konnotativen Bereich gehen, d.h. in den Bereich dessen, was man mit diesem Namen und damit auch diesem Fluss verbindet.
[Strophe 1]
In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all der holden Hügel, die dich
Wanderer! kennen, ist keiner fremd mir.
  • Gleich zu Beginn der ersten Strophe wird der Titel aufgenommen und der entsprechende Fluss mit seinem Umfeld wird als etwas gesehen, das in der eigenen Entwicklung für Lebendigkeit gesorgt hat.
  • In der zweiten Hälfte gibt es denn das interessante Phänomen, dass nicht nur das lyrische Ich die Hügel der Umgebung des Flusses kennt, sondern auch von ihnen gekannt wird.
  • Wichtig ist dabei, dass in diesem Zusammenhang das lyrische Ich sich selbst als "Wanderer" anredet. Es ist also eine Art Selbstgespräch.
    .
[Strophe 2]
Auf ihren Gipfeln löste des Himmels Luft
Mir oft der Knechtschaft Schmerzen, und aus dem Tal, Wie Leben aus dem Freudebecher,
Glänzte die bläuliche Silberwelle.
  • Die zweite Strophe setzt uns zwei unterschiedliche Akzente, zum einen wird die wohltuende Wirkung der Gipfel der Hügel für jemanden hervorgehoben, der selbst glaubt, in Knechtschaft Schmerzen gelitten zu haben.
  • Der Rest der Strophe beschreibt dann nur den besonderen Eindruck, den der Fluss auf jemanden macht, der sich auf diesen Höhen bewegt.
    .
[Strophe 3]
Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,
Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,
Zum stillerhabenen Rhein, zu seinen
Städten hinunter und lustgen Inseln.
  • Diese Strophe ist vor allem durch Bewegung gekennzeichnet.
  • Zunächst geht es um die Quellen, aus denen die Nebenflüsse des Neckars werden.
  • Dann aber bezieht sich das lyrische Ich mit ein und begibt sich auf eine poetische Fahrt bis zum Rhein, zu seinen Städten und seinen Inseln.
  • Wichtig ist dabei zum einen die enge Verbundenheit zwischen dem lyrischen Ich und der Wasserreise, denn es geht hier um das Herz, also das Innerste des Menschen.
  • Was das Zielgebiet angeht, so wird der Rhein als etwas Erhabenes gesehen, d.h. man bewundert ihn gewissermaßen.
  • Und die Inseln auf dem Rhein werden als lustig empfunden. Was damit mit genau gemeint ist, bleibt offen. Auf jeden Fall bringen sie einen eher in eine heitere oder frohe Stimmung.

[Strophe 4]
Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entflieht Verlangend nach den Reizen der Erde mir,
Zum goldenen Paktol, zu Smyrnas
Ufer, zu Ilions Wald. Auch möchte ich
  • Diese Strophe deutet eine Veränderung an, offensichtlich fand das lyrische Ich, dass es mit all diesen Schönheiten zu Ende geht.
  • Interessant ist die Formulierung, was das Auge angeht. Da der Ausgangspunkt der Neckar und seine Schönheit ist, muss diese Flucht des Auges wohl als Sehnsucht nach der Ferne gesehen werden.
  • Die letzten beiden Verse präsentieren drei Orte, die wohl etwas mit der Antike zu tun haben.
  • Das wäre genauer zu prüfen oder in Anmerkungen bereitzustellen.
  • Das Gedicht endet mit einem beginnenden Strophensprung, der einen inneren Wunsch erwarten lässt.
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[Strophe 5]
Bei Sunium oft landen, den stummen Pfad
Nach deinen Säulen fragen, Olympion!
Noch eh der Sturmwind und das Alter
Hin in den Schutt der Athenertempel
  • Dieser Wunsch besteht jetzt aus einer Fortsetzung von Sehnsuchtszielen, die am Ende wohl bei einem bestimmten Tempel landen.
  • Der erste und diesmal größere Teil eines Strophensprungs deutet dann ein zweites Mal eine Veränderung an, die durch "noch" eingeleitet wird.
  • Man ahnt hier aber schon, dass es um Zerstörung geht, was bei antiken Kultstätten natürlich zum Lauf der Geschichte gehört.
    .
[Strophe 6]
Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,
Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
Die nicht mehr ist. Und o ihr schönen
Inseln Ioniens! wo die Meerluft
  • Zu Beginn dieser Strophe wird noch ein anderer Sprung gemacht, von der Zerstörung der antiken Götter Bilder hin zum lyrischen Ich selbst.
  • Das bedeutet also, dass der Untergang der griechischen Götterwelt auch den Untergang des lyrischen Ichs mit sich bringt.
  • Hier ist mehr als Leser natürlich gespannt, wie das genauer ausgeführt beziehungsweise begründet wird.
  • Diese Erklärung kommt aber nicht, sondern stattdessen wird nur auf die lange Zeit hingewiesen, in der dieser ehemalige Stolz der Welt nicht mehr vorhanden ist.
  • Außerdem wird am Ende wieder übergeleitet zur Schönheit dieser Gegend
  • und man vermutet, dass es jetzt um eine ähnlich wohltuende Wirkung der Meerluft geht, wie das lyrische Ich sie am Anfang beim Neckar erfahren hat.

[Strophe 7]
Die heißen Ufer kühlt und den Lorbeerwald
Durchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstock wärmt,
Ach! wo ein goldner Herbst dem armen
Volk in Gesänge die Seufzer wandelt,
  • Diese Strophe begnügt sich aber mit der Beschreibung dieser wohltuenden Wirkung im Hinblick auf die Natur.
  • Dann wird gewechselt zur Wirkung der Sonne.
  • Erst die zwei letzten Zeilen bringen dann das, was man erwartet hat, nämlich diese wohltuende Wirkung auch im Hinblick auf die Menschen.
  • Dabei geht es aber nicht mehr nur um das lyrische Ich als Einzelmenschen, sondern um das Volk insgesamt, das als arm bezeichnet wird und sich nur in Seufzern Luft machen kann, aus denen dann Gesänge werden.
[Strophe 8]
Wenn sein Granatbaum reift, wenn aus grüner Nacht
Die Pomeranze blinkt, und der Mastixbaum
Von Harze träuft und Pauk und Cymbel
Zum labyrintischen Tanze klingen.
  • Die vorletzte Strophe verbindet dann das Reifen der Natur mit der Freude der Menschen, die wahrscheinlich so eine Art Erntefest feiern.
[Strophe 9]
Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euch
Mein Schutzgott einst; doch weicht mir aus treuem Sinn
Auch da mein Neckar nicht mit seinen
Lieblichen Wiesen und Uferweiden.
  • Am Ende steht die Hoffnung, dass ein schützender Gott das Lyrische Ich zu diesen Inseln seiner Sehnsucht bringen möge.
  • Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit - die andere ist die, dass auch "mein Neckar" nicht aus seinem "treuen Sinn" weicht, auch wenn er vielleicht nur mit "lieblichen Wiesen und Uferweiden" dienen kann.

[Aussagen - Intentionalität]

Insgesamt zeigt das Gedicht:
  1. Die Bedeutung einer Landschaft für den Menschen,
  2. Dann aber auch die Sehnsucht nach einer Ferne, die sich wohl konkret auf die Welt der antike und dort besonders der Griechen bezieht.
  3. Das bedauern, dass nicht nur die Kohlstetten, sondern auch die damit verbundene Welt der Götter verloren gegangen ist.
  4. Aber es bleibt die Freude an der Natur, ihren Früchten, und den durch sie ermöglichten Festen.
    Dabei bleibt offen, ob sich das nur auf die Vergangenheit bezieht oder auch auf die Mittelmeerwelt zur Zeit der Entstehung des Gedichtes.
  5. Deutlich wird am Ende die Verbindung von Sehnsucht und die Treue zur heimatlichen Umgebung des Neckars.

Weiterführende Hinweise

  • Ein alphabetisches Gesamtregister aller Infos und Materialien gibt es hier
    https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/alphabetische-uebersicht-ueber-die-infos-und-materialien
  • Eine Liste unserer Videos bei Youtube findet sich hier:
    https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/101-uebersicht-ueber-lernvideos

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