Übung für die Vor-Klausur: Thema „Goethes Faust“
Aufgabenstellung:1. Arbeiten Sie zunächst aus dem unten abgedruckten Text die Position des Verfassers gegenüber Goethes „Faust“ heraus!
2. Erörtern Sie – ausgehend von Krüsands Überlegungen, aber auch unter Einbeziehung von Faust I und dem Schlussteil von Faust II - die Frage, inwieweit Mephisto letztlich der Betrogene und Goethes Werk ein „abgekartetes Spiel“ ist.
Lars Krüsand,
Goethes Faust, ein abgekartetes Spiel?
Wann immer von Goethes Meisterwerk die Rede ist, dann denkt man auch an Begriffe wie „Pakt“ oder „Wette“: Vor allem der letztere suggeriert eine Offenheit des Spiels, die es für viele nicht zu geben scheint, zu deutlich ist das Versprechen des „Herrn“ im „Prolog im Himmel“: „Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient/So wird’ ich ihn bald in die Klarheit führen.“ (308/309). Der Teufel scheint hier ohne Chance zu sein, nur ausführendes Organ eines himmlischen Spiels, mit dem die Menschen in Bewegung gehalten werden sollen. Schwieriger wird das schon beim Begriff des „Paktes“, dieser meint schließlich wirklich eine Abmachung zwischen zwei Parteien mit Bedingungen, Leistung und Gegenleistung. Hier muss sehr genau untersucht werden, was Faust in 1692-1706 als Einlösungsszenario be-schreibt. Normalerweise wird die Bedingung: „Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön!“ (1699-1700) nur auf das Ende von Faust II bezogen, wo Mephisto ja nur noch mit Betrug zu arbeiten scheint. Aber zunächst einmal muss das genauer untersucht werden: Hat er nicht schließlich ihm neues Land geschenkt, auf dem Millionen sicher leben können? Ist nicht Fausts abschließende Zusatzbedingung zu Beginn der Szene „Palast“ eine schon unmoralische Verletzung der Abmachung, die ja dann auch zum Verbrechen an den beiden alten Leuten führt? Wenn der Himmel das als Konkretisierung von Vers 11936/11937) versteht, dann tauchen schon sehr grundsätzliche Fragen auf und bekommt man fast Mitleid mit Mephisto und wird der mehr zum Opfer als zum Täter. Dazu kommt die Frage, ob nicht Faust schon im ersten Teil der Tragödie zwar die verhängnisvollen Worte nicht gesprochen hat, sie aber durchaus hätte sprechen können, überdeutlich sind schließlich die Einstiegsworte in die Szene „Wald und Höhle“ – und in der Szene „Marthens Garten“ möchte Faust schon, dass die Zeit stehen bleibt, weil er ganz glücklich ist mit seinem Mädchen. Bleibt am Ende die Frage, ob Mephisto nicht in einem mehrfachen Sinne der Betrogene ist, zunächst einmal, weil er real durchaus die Bedingung erfüllt, ohne dass Goethe in seiner Werk-Konstruktion das wirklich anerkennt. Zum anderen ist er in einem höheren Sinne der Betrogene, weil es dem „Herrn“ letztlich gleichgültig ist, was sich da auf der Erde abspielt, er wird seinen „Knecht“ auf jeden Fall retten.
Hinweise zur LösungArbeiten Sie zunächst aus dem unten abgedruckten Text die Posi-tion des Verfassers gegenüber Goethes „Faust“ heraus!
- Lars Krüsand geht aus von den zentralen Begriffen „Pakt“ und „Wette“, die ja für die Thematik von Goethes Faust entscheidende Bedeutung haben und stellt sie zugleich in Frage.
- These/Infragestellung 1: Es gibt („für viele“, eine interessante Einschränkung!) keine wirkliche Wette mit fairem, offenem Ausgang, alles, was der Teufel tut, ist nur Teil des göttlichen Aktivierungsprogramms, ohne Gefahr für die Menschen/Faust. Auch hier übrigens eine Selbst-Relativierung: „scheint“.
- These 2 bezieht sich auf Begriff und Phänomen des Paktes: Krüsand geht von der ent-scheidenden Textstelle aus, in der Faust die Bedingungen einlöst, unter denen er sich dem Teufel übergeben muss.
- Prüfung 1: Das Ende von Faust II, Mephistos Täuschung
- Dagegen Hinweis auf wirkliche Landschenkung
- Zusätzlich Kritik an Faust, der ja unmäßig auf das Eigentum anderer Leute spekuliert
- • Prüfung 2: Ist Fausts Forderung nicht schon in Faust I erfüllt worden?
- Eingangsworte zu „Wald und Höhle“
- Marthens Garten: Wunsch nach Stillstand der Zeit
- Abschließende These/Fragestellung: Mephisto als doppelt Betrogener
- weil er durchaus die Leistungen bringt, die Faust fordert – bzw. dieser seine For-derungen ins Unmoralische steigert
- einmal wegen des spezifisch göttlichen Wett-Rahmens
- Erörtern Sie – ausgehend von Krüsands Überlegungen, aber auch unter Einbeziehung von Faust I und dem Schlussteil von Faust II - die Frage, inwieweit Mephisto letztlich der Betrogene und Goethes Werk ein „abgekartetes Spiel“ ist.
- Das einfachste Verfahren besteht darin, den Gedankengang Krüsands zu überprüfen:
- Gleich am Anfang kommt sicher die massivste Einschränkung, was die Chancen von Mephisto angeht, nämlich die anzunehmende Über- oder sogar Allmacht Gottes sowie sein positiver Gesamtplan mit den Menschen und Faust, in dem Mephisto nur eine be-schränkte Rolle spielt – ohne wirkliche Chance auf Erreichen seiner Ziele.
- Hier muss aber eingeschränkt werden, ob damit nicht der freie Wille des Menschen eingeschränkt wird, ihm die Fähigkeit zum radikalen Böse-Sein abgesprochen, ge-nommen wird, womit sich tief greifende philosophische und theologische Fragen er-geben. Goethe scheint hier im Faust eine sehr positive Sicht des Menschen und der Großzügigkeit Gottes zu vertreten.
- Sehr interessant ist eine genauere Prüfung des Schlusses von Faust II: Hier ist nicht entscheidend, ob die Lemuren schon Fausts Grab schaufeln, entscheidend ist, ob Fausts Glück angesichts seiner Vision gerechtfertigt ist. Das wird normalerweise nicht genau genug geprüft.
- Den Tod der alten Leute kann man ihm dabei nicht in die Schuhe schieben, Faust wollte nur eine Regelung, so wie er eben von Mephisto verlangt hatte, ihm das Mäd-chen Gretchen „zu verschaffen“. Es bleibt aber ein Beigeschmack von Maßlosigkeit, das würde bedeuten, dass Faust hier etwas „Ungöttliches“ verlangt – und das entzöge seinem Wunsch die Legitimation – dann hinge es nur noch von der Frage ab, ob Me-phisto wirklich neues Land geschaffen hat.
- Am schwächsten sind wohl die Überlegungen Krüsands zu Faust I: Hier muss zu-nächst einmal die Szene „Wald und Höhle“ genauer betrachtet werden: Der Anfang hört sich zwar sehr gut an, aber zum einen dankt Faust hier keineswegs Mephisto, zum anderen kommt er ja schon bald wieder in die Hölle unbefriedigter Lust, die typisch für Mephisto ist.
- Dessen Betrug beginnt ja schon viel früher als in Faust II, nämlich in den verräteri-schen Zeilen, in denen er offen erklärt, dass Faust sich Erquickung umsonst erflehen werde.
- Bleibt die Frage nach dem Glück Fausts mit Gretchen, hier scheint wirklich auf eine überraschende Weise Fausts Bedingung erfüllt, aber wohl nur scheinbar, denn zu wirklichem Glück mit seinem Mädchen kommt es ja nicht, ganz im Gegenteil – Me-phisto tut ja alles, um ein allgemeines Familienglück zu zerstören, Fausts Wunsch be-zieht sich nicht auf gegenwärtiges, sondern zukünftiges Glück, das unter diesen Be-dingungen nicht real ist.
- Andererseits geht die Schuld wieder sehr stark von ihm aus, er hätte ja „ordentlich“ um Gretchens Hand anhalten können, aber das hätte nicht in seinem Wesen gelegen – Faust als einfacher Familienvater – unvorstellbar. Also sind seine Vorstellungen abso-lut unrealistisch, in sich widersprüchlich. Mephisto jedenfalls kann ihm solche Wider-sprüche nicht erfüllen – und verschärft von sich aus noch das Tempo der Desillusio-nierung – durch die „Ermordung“ von Mutter und Bruder Gretchens.
10. Abschließendes Fazit: Am stärksten kann man Mephisto entgegenhalten, dass er gar nicht die Absicht hat, Faust wirklich glücklich zu machen und damit seine zentrale Bedingung zu erfüllen – und in diesem Kontext bekommen dann seine Behandlung des blinden Faust doch die Züge des Betrugs und kann Fausts Begeisterung nicht wirklich die Erfüllung des Pakts bedeuten.
11. Insgesamt hat der Herr dann in einem höheren Sinne Recht: Dieser Faust ist so kon-struiert, dass er auf Erden nicht glücklich werden kann – und Mephisto ist so kon-struiert, dass er die Glücklosigkeit eher verstärkt, offen oder hinterrücks – und deshalb am Ende das eindeutige Urteil: Mephisto verliert Fausts Seele zu Recht – und die da-mit verbundene fast schon abgrundtiefe Großzügigkeit des Herrn gehört halt zur Inten-tionalität des Werkes und zur Weltanschauung des Verfassers.