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Sprachwandel - "Regeln von morgen"

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ART zum Thema "Sprachwandel": Andreas Frey, "Die Regeln von morgen" (2015)

Anmerkungen zum Schaubild links:
  1. Ausgangspunkt zwei apodiktische Thesen gegen alle, die Sprachwandel nicht in einfach hinnehmen wollen.
    Dagegen der kritische Einwand, dass so etwas wie "Pflege" der Sprache doch wohl erlaubt sein sollte - die Schule versucht das ja zum Beispiel.
    Zumindest müsste man darüber diskutieren.
  2. Dann die These von der angeblichen Unberechenbarkeit des Sprachwandels, der Freys eigene Feststellung entgegensteht, dass man den Sprachwandel zumindest rückwirkend erklären könne. Warum soll man dann nicht auch in die Zukunft hineinrechnen können, z.B. dass es bald erlaubt sein wird, an der Tür des Lehrerzimmers zu bitten: "Können Sie mal Herr (!) X herausrufen?"
  3. Bedenkenswert ist sicher der Hinweis, dass man es mit der "Pflege" der Sprache nicht zu weit treiben sollte, weil vieles auch sinnvolle Anpassung ist.
  4. Was die angebliche "Ausgrenzung" von Menschen durch eine gehobene Sprache angeht, so ist das kein Argument gegen eine kultivierte Sprache, sondern eher dafür, viele Menschen an sie heranzuführen.
  5. Hilfreich ist die kleine Liste der Motive für Sprachwandel, vom Imponiergehabe über sinnvolle Vereinfachungen bis hin zu politischen Rücksichtnahmen.
  6. Am Ende bleibt die Kritik an einem zu geringen Verstän dnis für die Notwendigkeit der Pflege der Sprache wie aller anderen Bereiche der Kultur. Dazu kommt die Notwendigkeit, die Fähigkeit zu erhalten, auch Texte in älteren Stufen der deutschen Sprache zu verstehen - ansonsten geht in in ihr verfasste Kultur zumindest für eine breite Öffentlichkeit verloren.

Das Folgende ist ein Beispiel für einen "abiturrelevanten" Text, auf den sich also Lehrer und Schüler verständigen. Dann ist nicht nur grob der Inhalt bekannt, sondern man kann in einer mündlichen Prüfung durchaus auf  einige Aspekte genauer eingehen.

Zu finden ist der Text hier:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/linguistik-die-regeln-von-morgen-1.2705006

Folgendes könnte man sich merken, um darüber sprechen zu können:
  1. Es handelt sich um den Text eines Journalisten, der sich ansonsten auch mit Wetterfragen beschäftigt. Es kann sich also nur um Verweise auf Wissenschaft handeln und Anregungen zum Selbstdenken und Weiterforschen, nicht um Wissenschaft selbst. Anders als bei Uwe Hinrichs.
  2. Artikel aus der Süddeutschen Zeitung von 2015

  3.  Schon der Anfang ist sehr apodiktisch: Angst vor dem Verfall sei überflüssig, Widerstand sei aussichtslos.
    Typisch für einen Journalismus, der sehr stark akzentuiert. Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass man die Dinge einfach laufen lässt, auch in der Schule nicht auf eine Hebung des Sprachniveaus hinarbeitet.

  4. Der Verfasser betont die Unberechenbarkeit der Sprache in Richtung eines ständigen Wandels. Kurz darauf spricht er dann aber davon, dass man Sprachwandel gut erklären könnte.
    1. Dann ist er bald bei den berühmten Lautverschiebungen in der deutschen Sprachgeschichte und jeder Germanist weiß, dass es hier schon Berechenbarkeiten gibt (Vgl. die berühmte Benrather Linie).
    2. Ähnliches gilt für das Schwächeln der starken Verben.

  5. Angeblich ist der Bedeutungswandel wenig untersucht worden, was wohl kaum stimmt:  In jedem guten Deutschunterricht lernt man zum Beispiel die folgenden Phänomene kennen:
    1. Alltagsmetaphern: Ein "erfahrener" Liebhaber muss heute nicht mehr viel herumgekommen sein.
    2. Metonymien: "ein Glas trinken" bedeutet keineswegs auch, das entsprechende Material zu verschlucken.
    3. Bedeutungsverschlechterung: Ein Frauenzimmer war ursprünglich der Raum, in dem sich eine Frau aufhielt, später wurde es herablassend verwendet.
    4. Bedeutungsverbesserung: Ein Minister war ursprünglich ein Diener, heute ist er Teil der Regierung.
    5. Bedeutungsverengung: Eine Hochzeit war früher jedes hohe Fest.
    6. Bedeutungserweiterung: Die Herberge war später nicht nur dazu da, das "Heer" zu "bergen".
    7. Bedeutungsverschiebung: Eine "Sache" war ursprünglich eine Rechtsangelegenheit vor Gericht, heute hat das Wort die Bedeutung fast von Ding oder Gegenstand.

  6. Verweis auf eine Linguistin, die sagt, dass es nicht um Verfall gehe, sondern um Anpassung.
    Dem kann man sicher erst mal zustimmen. Das schließt eben nicht aus, dass Bildungseinrichtungen sich auch weiterhin darum bemühen, das Sprachverhalten junger Menschen späteren Herausforderungen vorsorglich "anzupassen".
  7. Außerdem kritisiert sie die Nutzung der Sprache für Ausgrenzung.
    Auch die Gefahr besteht sicher, aber auch Kleidung oder Fahrzeuge werden dafür genutzt, was noch nicht erfordert, auf entsprechende Standards zu verzichten.
  8. Kritisch in Frage gestellt wird dementsprechend ein besonderer Wert des Hochdeutschen, das sich aus den Dialekten entwickelt hat.
    Kritik: Das ändert aber nichts an seiner Funktion, für ein ganzes Sprachgebiet eine einheitliche Norm bereitzustellen, die es den Menschen erlaubt, effektiver und zeitsparender andere, wichtige Dinge zu erreichen - etwa die Weitergabe von Informationen.
  9. Die Schriftsprache veränderte sich langsamer, aber auch hier werden die Sätze kürzer.
    Ergänzung: Auch in Fernsehsendungen hat inzwischen die Veränderung der Wortstellung im Nebensatz Einzug gehalten:
    "Die Reise musste dann abgebrochen werden, weil - es gab Probleme mit den Fahrzeugen."

  10. Dann wird auf Hinrichs verwiesen und seine Anmerkungen zum Einfluss von Migrantensprachen.
  11. Das Englische habe vor allen Dingen den Vorteil einer relativen Einfachheit als besonders analytische Sprache.
  12. Von Sprachgesetzen wird abgeraten, weil die Sprache zugleich ein Werk der Natur sei und von Menschen immer wieder neu geschaffen werde.

  13. Abschließend werden noch Motive für den Sprachwandel aufgelistet:
    1. Imponiergehabe
    2. Einsparungen (Verkürzungen, Vereinfachungen
    3. politische Rücksichtnahme
      ------------------------------------
  14. Kritik: Nicht genügend gesehen wird die Notwendigkeit der Pflege einer Norm, die die Verwendung der Sprache vereinfacht. Ihre Nutzung muss nicht ständig neu ausgehandelt werden.
  15. Auch wird nicht berücksichtigt, dass zur Kultur gehört, auch ältere Texte noch verstehen zu können. Das schließt automatisch zusätzliche Sprachvarietäten ein (neben den Dialekten, den Soziolekten sowie den Fachsprachen).
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