- Grundsätzlich erscheint es uns sehr wichtig, Literatur nicht in erster Linie unter "germanistischen" Gesichtspunkten zu besprechen, auch wenn das leider im Deutschunterricht zum Teil eine zu große (verordnete) Rolle spielt.
- Literatur ist primär für die Leser da, für die ganz individuellen Betrachtungen, aber auch für das Gespräch.
- Dabei taucht zum Beispiel die Frage auf, wie es überhaupt so mit der Erinnerung ist. Jeder hat schon mal erlebt, dass die Erinnerung an etwas durchaus ganz anders aussehen kann als das tatsächliche Fühlen, Denken und Handeln zum erzählten Zeitpunkt.
- Das merkt man, wenn Leute, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort eigentlich das Gleiche wahrgenommen haben müssten, darüber berichten. Richter wissen bei Zeugen davon ein Lied zu singen. Da unterscheiden sich zum Teil sogar die Farbangaben etwa zu einem Auto.
- Beim Erzählen kommt noch hinzu, dass man hier gar nicht in gleicher Weise unter dem Zwang der Wahrheit steht. Wenn jemand zum Beispiel von Reise-Erlebnissen spricht, haben die Zuhörer in der Regel kein Problem damit, dass das Erzählte mehr spannend als wahr ist.
Bei länger zurückliegenden Episoden ist der Erzähler ja schon rein biologisch, aber vor allem auch psychisch bzw. mentral mehr der Gleiche wie früher.
Dementsprechend verändern sich Akzentuierungen und Färbungen. - Was den Inhalt der Geschichte angeht, so kann die zweite Episode zum Anlass genommen werden, beim bedrückenden und sehr ernsten Thema "Vergewaltigung" auch den sehr speziellen Aspekt anzusprechen, dass sie aus unterschiedlichsten Gründen in Einzelfällen auch vorgetäuscht werden kann.
Zu finden ist die Geschichte u.a. in: