Bei Else Lasker-Schülers Gedicht "Weltflucht" geht um einen Text, in dem auf sehr kunstvolle Weise die Probleme des Lyrischen Ichs mit sich und anderen Menschen verdeutlicht wird. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass man sich von den anderen zurückzieht und dann hofft, bei sich selbst Identität und Frieden zu finden.
Else Lasker-Schüler
Weltflucht
01 Ich will in das Grenzenlose 02 Zu mir zurück, 03 Schon blüht die Herbstzeitlose 04 Meiner Seele, 05 Vielleicht – ist’s schon zu spät zurück! 06 O, ich sterbe unter Euch! 07 Da Ihr mich erstickt mit Euch. 08 Fäden möchte ich um mich ziehn – 09 Wirrwarr endend! 10 Beirrend, 11 Euch verwirrend, 12 Um zu entfliehn 13 Meinwärts!
Anmerkungen zu diesem Gedicht:
Das Gedicht besteht aus 13 Verszeilen und verfügt weder über ein Reimschema noch ein Versmaß.
Der Titel deutet schon an, dass hier jemand sich von der Welt zurückziehen will, ja sie regelrecht "fliehen" will - er muss sich also bedroht fühlen.
Wenn man das Gedicht einmal überfliegt, kommt man schnell zu einer ersten Deutungshypothese: "Es geht hier weniger um Weltflucht als um Menschenflucht."
Gleich am Anfang wird deutlich, wovor das Lyrische Ich fliehen will, nämlich vor "Grenzen" (als Bestandteil von "Grenzenlose"), die es eingeengt haben (das ergibt sich aus der Bedeutung des Begriffs) und es von sich selbst ferngehalten haben ("zu mir zurück").
Der Hinweis in Zeile 03 macht deutlich, dass die Zeit knapp wird für die eigene Seele - es folgt in 05 die Sorge, es könnte schon zu spät sein.
Ab 06 wird dann deutlich, dass die anderen Menschen das Problem für das Lyrische Ich sind, unter denen es regelrecht "erstickt" wird.
Die Reaktion darauf ist interessant: Es geht nämlich darum "Fäden" zu ziehen, die zum einen das "Wirrwarr", also das Durcheinander beenden. Vielleicht ist hier das gemeint, was Forscher in dunklen Höhlen tun, um wieder zum Ausgang zurückzufinden. Aber diese Fäden sollen auch "Beirrend" und dann "Verwirrend" sein - wohl für die anderen, so dass sie nicht folgen können.
Am Schluss wird der Titel aufgenommen, das Lyrische Ich will "entfliehn" - und dann der wunderschöne Neologismus: "Meinwärts" - als spezielle Variante von "heimwärts". Es reicht nicht, nur nach Hause zu kommen - vielmehr muss man selbst das eigene Ziel sein, um mit sich selbst eine Einheit bilden zu können.
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Das Gedicht zeigt ein Lyrisches Ich, das sich von den Menschen seiner Umgebung regelrecht erdrückt fühlt und alles tun will, um sich aus dieser beengenden Gemeinschaft zu entfernen und vor allem: zu sich selbst zu kommen.
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Künstlerische Mittel:
Metapher "die Herbstzeitlose / Meiner Seele" (03/04)
Ausruf / Emphase: "O" (06)
Übertreibung / Hyperbel: "ich sterbe unter euch" (06)
Metapher "Fäden möchte ich um mich ziehn" (08)
Parallelismus der Wirkungen in Form von Partizipien (10-12)
Neologismus: "Meinwärts" als originelle Zielangabe
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