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Vorstellung der Kurzgeschichte "Alle Schatten sind dunkel" von Stig Dagerman

  1. In der Geschichte geht es um zwei Familien, die auf verhängnisvolle Weise in einem Moment zusammengeführt werden.
  2. Auf der einen Seite eine, die an diesem Sonntag auf dem Fluss rudern möchte, nur unglücklicherweise fehlt für das Frühstück noch der Zucker - und um den zu holen, wird die Tochter losgeschickt.
  3. Auf der anderen Seite will eine Familie an die See fahren - tut das auch ziemlich schnell - und dabei kommt das eben angesprochene junge Mädchen unter die Räder.
  4. Das Besondere an dieser Geschichte ist die scheinbar kühle Distanz, mit der diese beiden Familien an diesem Tag einander gegenübergestellt bzw. besser: zunächst einmal parallel beschrieben werden.
  5. Das zweite Kennzeichen ist die zunächst nervende Wiederholung der Voraussage dessen, was geschehen wird: "Es ist der glückliche Morgen eines bösen Tages, denn an diesem Tag wird ein Kind in dem dritten Dorf von einem glücklichen Mann getötet werden." (27)
  6. Immer wieder ist von dem Mann die Rede, "der das Kind töten wird". (u.a. 27)
  7. Die Voraussagen erstrecken sich sogar auf äußere Dinge: "Kein Schatten fällt über das Auto und die blanke Stoßstange ist nicht verbeult und auch nicht rot von Blut" (27).
  8. Und im Hinblick auf das spätere Opfer heißt es: '"Doch niemand flüstert ihm zu, dass es nur noch acht Minuten zu leben hat..." (28)
  9. Bald merkt man aber an der eigenen Reaktion als Leser, dass diese das Unheil des einen Moments gewissermaßen ausdehnende Darstellungsweise ein sehr gelungener Versuch ist, das Ungeheuerliche, das an diesem Tag geschieht und an jedem anderen Tag woanders wieder geschehen kann, einigermaßen nach-erlebbar zu machen.
  10. Am Ende wird der Titel in seiner Funktion klar: Er soll deutlich machen, dass ab jetzt eben nichts mehr so ist wie vorher, alles dunkel geworden ist. Nicht ganz überzeugend ist, dass das nur auf die Schatten bezogen ist, eigentlich ist alles zum Schatten geworden.
  11. Wenn man die Bedeutung dieser Geschichte über den konkreten Fall eines vielleicht durch zu schnellen Fahrens verursachten tödlichen Unfalls hinaus erfassen will, kann man jeden anderen Moment des Lebens nehmen, der auf fürchterliche Weise einschneidend ist und die Zukunft bestimmt bzw. belastet. Genauso könnte man in einer Geschichte eine Krebsdiagnose in ihrer "Schlagartigkeit" erzählerisch vermitteln. Man könnte man ausprobieren, ob es auch bei weniger gewichtigen Ereignissen funktioniert, etwa wenn man plötzlich wie aus dem Nichts die Nachricht bekommt, dass eine Liebe vorbei ist oder eine Täuschung war.
Zu finden ist die Kurzgeschichte u.a. in:
Schlaglichter. Zwei Dutzend Kurzgeschichten, mit Materialien, zusammengestellt von Herbert Schnierle-Lutz, Ernst Klett Verlag: Stuttgart, Leipzig 2008/2015, S. 17-26
ISBN: 978-3-12-262731-7

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