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Rilke, "Der Panther" - kommentierende Interpretation


Wenn Deutschunterricht zur Erholung wird: Leserkommentar statt Gedichtinterpretation

In der Schule müssen Gedichte ständig interpretiert werden - das Ergebnis ist bekannt. Es gibt kaum Schüler, die sich gerne daran erinnern und später freiwillig Gedichte zur Hand nehmen.
Umso schöner, wenn Schüler einfach mal einem Gedicht sich als Leser zuwenden können - und die Dinge notieren, die ihnen beim Lesen einfallen.
Wir haben das im Folgenden mal versucht.
Und noch eine kleine Bitte: Nicht kritisieren, sondern sich einfach anregen lassen, es noch besser zu machen ;-)
Rainer Maria Rilke

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf — Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille —
und hört im Herzen auf zu sein.

September 1903
Kommentar zum Gedicht
  1. Schon der Titel ist interessant, immerhin geht es um ein wildes Tier.
  2. Wenn man sich den Hinweis unter dem Titel anschaut, merkt man, dass dieses Tier nicht in freier Wildbahn ist, sondern in einem Garten, wohl einem Zoo.
  3. Gleich die erste Zeile ist interessant, weil sie direkt mit dem Blick des Panthers beginnt und vom "Vorübergehn der Stäbe" spricht. Das stimmt natürlich nicht sondern der Panther läuft herum, aber es ist eben sein Eindruck.
  4. Die zweite Zeile macht deutlich, dass dieses wilde Tier müde geworden ist, weil es eben nur immer in der Runde herumlaufen kann. Wer jemals im Zoo war, kennt das.
  5. Interessant ist die Formulierung, dass sein Blick "nichts mehr hält" - gemeint ist wohl, dass da nichts ist, was für ihn Bedeutung hat.
  6. Toll finde ich die letzten beiden Zeilen der ersten Strophe, weil sie die Unendlichkeit seines Lebens in Gefangenschaft deutlich machen und die eine zentrale Aussage: "Keine Welt" - nichts, was für den Panther von Bedeutung ist.
  7. Die zweite Strophe verbindet dann den weichen Gang des großen Katzentiers mit seinem "starken Schritt", immerhin ist es eine sehr große und schwere Katze.
  8. Dann wieder der Hinweis auf den engen Raum, in dem das Tier sich bewegen muss.
  9. Wiederum wunderschöne Zeilen: "Tanz von Kraft um eine Mitte" - und dann das schlimme Gegenstück dazu: "betäubt ein großer Wille". Dieser Panther kann nicht richtig leben.
  10. Dann die letzte Strophe - ein besonderer Moment des Lebens. Man hat den Eindruck, dass man hier etwas zusammen mit dem Panther erlebt, einen kurzen Moment wirklichen Lebens, eines Erlebnisses, der durch den ganzen Körper geht. Eigentlich müsste jetzt etwas geschehen, zum Beispiel ein Sprung in Richtung Opfer o.ä. Stattdessen bleibt diesem Tier nur übrig, diesen Eindruck im Innersten zu bewahren  - das Fleisch wird ihm ja vom Wärter immer zugeworfen.
  11. Insgesamt ist das ein unglaublich starker Text, der einem gefangenen Tier gewissermaßen mit Mitgefühl begegnet und das Perverse der Zoo-Situation zeigt. So gut können die gar nicht ausgestattet sein, dass sie einem Tier wie einem solchen Panther ein richtiges Leben gestatten.
  12. Jetzt wäre man gerne in einer Gegend, wo man einen Panther in freier Wildbahn sehen könnte - vielleicht gibt es ja wenigstens einen guten Tierfilmer, der mal das echte Pantherleben festgehalten hat.

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