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Gegengedicht zu Boldts Terrasse Josty


Gegengedicht zu: Paul Boldt, "Auf der Terrasse des Café Josty" 

Ein Gegengedicht zu schreiben ist eine sehr schöne Aufgabe, weil das sowohl aufmerksames Lesen nötig macht als auch den "Ausdruck" von Kritik oder gar Ärger ermöglicht - und was wäre mehr im Sinne des "Aus-Drucks", dem sich die Expressionisten doch so mit Leidenschaft hingegeben haben.

Wir präsentieren links das Gegengedicht, rechts Anmerkungen zu seiner Entstehung.

Das Originalgedicht von Paul Boldt wird hier vorgestellt.
Und hier gibt es dazu auch schon eine Kritik, von der aus wir den kreativen Weg eingeschlagen haben.
Paul Boldt

Auf der Terrasse des Café Josty

01: Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
02: Vergletschert alle hallenden Lawinen
03: Der Straßentakte: Trams auf Eisenschienen
04: Automobile und den Menschenmüll.

05: Die Menschen rinnen über den Asphalt,
06: Ameisenemsig, wie Eidechsen flink.
07: Stirne und Hände, von Gedanken blink,
08: schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.

09: Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
10: Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
11: Und lila Quallen liegen - bunte Öle;

12: Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen.-
13: Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
14: Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

Ein paar kritische Anmerkungen zu dem Gedicht links:
  1. Die ersten drei  Zeilen sind noch ganz in Ordnung, die letzte Zeile aber ist ungeheuerlich - und sie stammt vom Lyrischen Ich - und deshalb muss sich Paul Boldt als Verfasser schon einige kritische Fragen gefallen lassen, auch wenn er sie nicht mehr hören oder lesen kann.
  2. Die zweite Strophe passt dann gar nicht mehr zum "Menschenmüll", denn jetzt ist von fleißigen bzw. schnellen Tieren die Rede.
  3. Bei der dritten Strophe verliert das Lyrische Ich wieder jedes Maß und dreht dann am Ende völlig ab: Berlin mag ja ein Eiternest gewesen sei, das wird nur nicht genügend hergeleitet.
  4. Deshalb ist die Kritik, die man hier nachlesen kann, sicherlich mehr als gerechtfertigt.
    https://www.schnell-durchblicken2.de/kritik-am-expressionismus
  5. Wir präsentieren hier lieber eine literarische Antwort.
Lars Krüsand,

Das Café Josty, von unten betrachtet

Es sitzen Leute oben auf Terrassen
Die schauen mehr ins Glas als durch das Glas
Was sie nicht kennen, scheinen sie zu hassen
Das schnelle Urteil, ohne jedes Maß

Als armer Mensch muss man sich plagen
 Man sorgt für das, was sie genießen
Bei Klagen würden sie uns sagen
Ach, Mann, das muss dich nicht verdrießen.

Doch trifft die Krankheit sie,
Droht gar der Tod
Gedacht daran wurd' freilich nie
Dann sitzen sie mit uns in einem Boot.

Dann sind wir nicht mehr Menschenmüll
Drum sagen wir, wie wär’s mit echter Arbeit
Wir glauben fest, ihr seid dann ganz schnell still.
Dann wird, was ihr vergaßt: Gemeinsamkeit

Anmerkungen zu dem Gedicht links:
  1. Ausgangspunkt war die Empörung über die Bezeichnung der Leute, die den Potsdamer Platz bevölkern, als "Menschenmüll".
  2. Dementsprechend wurde die Perspektive gewechselt: Weg von der Terrassenebene hin zu der unteren Ebene der Gesellschaft.
  3. Sehr distanziert werden die Leute aufs Korn genommen, für die Paul Boldt in seinem Gedicht spricht. Spöttisch wird ihre Vorliebe für bestimmte Getränke angesprochen, der gegenüber das genaue Hinsehen zu kurz kommt.
  4. Der zweite Teil der ersten Strophe kommt dann zur Sache, nennt das, was sich auch im Gedicht findet, beim Namen. "Hass" und "Maßlosigkeit".
  5. Die zweite Strophe soll dann die Menschen in den Blick nehmen, die die Voraussetzungen für das bequeme Leben weiter oben schaffen und dafür weder Anerkennung noch Verständnis ernten.
  6. Die dritte Strophe verweist dann auf das, was zumindest alle Menschen in gleicher Weise trifft und sie eigentlich zu Mitgefühl und vielleicht sogar Solidarität veranlassen sollte.
  7. Die letzte Strophe wendet sich dann wieder der Gegenwart des Gedichtes zu und fordert die Literaten auf, es doch mal mit "echter Arbeit" zu versuchen, was dann nach Meinung des Lyrischen Ichs dazu führt, dass man sich mit vorschnellen Urteilen zurückhält und vielleicht sogar mehr auf Gemeinsamkeit achtet.

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