Noch halten die Götter goldene Schilde schützend über mein junges Haupt.
Hinweis auf günstige Situation der Jugend,
die genutzt werden will
Johann Wolfgang von Goethe
An Schwager Kronos
Spute dich, Kronos!
Fort den rasselnden Trott! Bergab gleitet der Weg; Ekles Schwindeln zögert Mir vor die Stirne dein Zaudern. Frisch, holpert es gleich, Über Stock und Steine den Trott
Rasch ins Leben hinein!
Situation einer Kutschfahrt
Wagenlenker wird angesprochen, trägt den Namen eines griechischen Gottes
Eile Antrieb
Verzögerung als unangenehm empfunden
Es lockt das Leben.
Nun schon wieder Den eratmenden Schritt Mühsam Berg hinauf! Auf denn, nicht träge denn,
Strebend und hoffend hinan!
Wiederholung
Mehr zu sich selbst gesprochen
Weit, hoch, herrlich der Blick Rings ins Leben hinein, Vom Gebirg zum Gebirg Schwebet der ewige Geist,
Ewigen Lebens ahndevoll.
Positivere Atmosphäre und Situation, auch mehr Ruhe
Größere Perspektive
Sowohl räumlich als auch im Hinblick auf Bedeutung
Seitwärts des Überdachs Schatten Zieht dich an Und ein Frischung verheißender Blick Auf der Schwelle des Mädchens da. Labe dich! – Mir auch, Mädchen, Diesen schäumenden Trank,
Diesen frischen Gesundheitsblick!
Rückkehr zur unmittelbaren Situation
Auch positiv
Nämlich Stärkung
Belebend
Ab denn, rascher hinab! Sieh, die Sonne sinkt! Eh sie sinkt, eh mich Greisen Ergreift im Moore Nebelduft, Entzahnte Kiefer schnattern
Und das schlotternde Gebein.
Nach dem Positiven
Nun Gefahr des Abends
Düstere, gespenstische Atmosphäre
Trunknen vom letzten Strahl Reiß mich, ein Feuermeer Mir im schäumenden Aug, Mich geblendeten Taumelnden
In der Hölle nächtliches Tor.
Bereitschaft zum Äußersten
Töne, Schwager, ins Horn, Raßle den schallenden Trab, Dass der Orkus vernehme: ein Fürst kommt. Drunten von ihren Sitzen
Sich die Gewaltigen lüften.
Wieder Aufnahme des Anfangs
Der Kutscher soll sein kommen ankündigen
Geht von freundliche Aufnahme sogar in der Unterwelt ("Orkus") aus
Absolute Selbstüberhebung des Lyrischen Ichs, dass die "Gewaltigen" der Unterwelt sich bei seinem Eintritt erheben
"lüften" = grenzwertige Anspielung auf eine "ungelüftete" Situation, bis das Lyrische Ich eintritt
Übrigens hat Goethe den Schluss 15 Jahre später in die folgende Richtung "entschärft" - also nicht wundern, wenn das Gedicht in zwei Fassungen erscheint:
"Dass der Orkus vernehme: wir kommen, Dass gleich an der Türe / Der Wirt uns freundlich empfange."
Vergleich:
Bei Morgenstern gibt es ein Vorwärtsdrängen, das aber eher unbestimmt ist, während es bei Goethes Lyrischem Ich ein klares Ziel zu geben scheint.
Im Gedicht links gibt es eine Vergangenheit und eine Zukunft, bei Goethe gibt es nur das Vorwärtstreiben.
Bei Morgenstern gibt es die allgemeine Situation des Unterwegsseins, bei Goethe die konkrete einer Kutschfahrt.
Im linken Gedicht identifiziert sich das Lyrische Ich nicht mit seiner Umgebung, rechts dagegen wird sie genutzt, gibt es auch menschlichen Kontakt.
Links geht es positiv hinauf in die Freiheit, ins Leben, rechts dagegen ins Totenreich, ja in die Hölle.
Links stehen die Götter auf der Seite des Lyrischen Ichs, eine günstige Situation wird genutzt, rechts dagegen erscheint das Lyrische Ich selbst wie ein Gott bei den "Gewaltigen" in der Unterwelt.
Insgesamt zeigt das Gedicht links die Sehnsucht des modernen Menschen nach vollem Leben, bei Goethe dagegen ist es eher eine Art Übermut, ja fast schon Größenwelt. Dieses Selbstbewusstsein gibt es in Morgensterns Gedicht nicht mehr.
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