V,8: Die Auflösung aller Fragen in religionsübergreifender Familien-Harmonie
(mp3: 16:05)
Voraussetzungen:
Recha soll von Sittah geschützt werden vor dem Patriarchen, weil dieser sie als angeblich von einem Juden entführte Christin sucht.
Inzwischen hat sie auch selbst erfahren, dass Nathan nur ihr Pflegevater ist. Sie hat nun Angst, ihn in der Funktion zu verlieren. Der Sultan hat versucht, sie zu beruhigen.
Nathan selbst hat sich inzwischen mit dem Tempelherrn verständigt und ist auf dem Weg auch in den Palast, wo der Sultan sich um das Problem kümmern möchte.
Dramatische Entwicklung:
Saladin beginnt mit dem Hinweis darauf, dass Nathan jetzt das geliehene Geld zurückbekommen kann, da er selbst ja seine Gelder aus Ägypten jetzt bekommen hat.
Nathan will sich nicht lange mit dieser Kleinigkeit beschäftigen, weil er die Tränen in Rechas Augen sieht.
Er beruhigt sie mit den Worten: „Dein Vater ist dir unverloren“ (3706)
Der Tempelherr ist irritiert, weil von ihm keine Rede ist. Er will jetzt dem Sultan gegenüber die Anklage Nathans zurückziehen, der kommt ihm aber zuvor, indem er ihm Recha zuführt. Sie soll die Initiative bei einer Eheschließung ergreifen.
An dieser Stelle greift Nathan ein und macht deutlich, dass auch der Bruder Rechas noch ein Wort mitzusprechen habe.
In der allgemeinen Verunsicherung darüber fallen von Seiten des Tempelherrn einige kritische Worte gegenüber Nathan, die ihm den Tadel des Sultans eintragen.
Nathan ergreift die Initiative und klärt den Tempelherrn auf, dass er nicht Kurt von Staufen (nach seiner Mutter), sondern Leu von Filnek heißt (nach einem Vater, der nicht nach Europa gehörte).
Es ist Saladin, der ahnt, dass es hier für ihn noch wichtigere Verwandtschaftsverhältnisse gibt, denn der Vater des Tempelherrn und Freund Nathans sprach am liebsten persisch und war der Bruder des Sultans.
Dies kann Nathan mithilfe des Buches, das er vom Klosterbruder bekommen hat, beweisen.
Am Ende verweist der Tempelherr auf die entsprechenden Träume, die ihn seit seiner Kindheit beschäftigt haben, und Saladin merkt halb im Spaß, halb im Ernst an, dass er fast seinen Neffen hätte hinrichten lassen, nur weil dieser sich ihm gegenüber nicht offenbart hat.
Auswertung: Die Szene zeigt ...
zunächst die finanzielle Rechtschaffenheit des Sultans gegenüber Nathan,
dann die Sicherheit Nathans, dass er als Pflegevater Recha nicht verlorengehen wird,
die wohlwollende Unterstützung Rechas durch den Sultan,
die wahren Familienverhältnisse des Tempelherrn, die ihn zum Bruder Rechas machen und zum Neffen des Sultans
eine allgemeine Familienharmonie am Ende, allerdings gewürzt durch eine kritisch-ironischen Anmerkung des Sultans
eine Lücke, was die Erklärung dafür angeht, dass während der Kreuzzüge der Bruder Saladins in Deutschland eine Deutsche geheiratet hat
Schlüsselzitate:
3707: Nathan
Dein Vater ist
Dir unverloren!
—-
3729ff: Saladin zu Recha mit Blick auf den Tempelherrn:
. – Komm!
Beschäm ihn! tu, was ihm zu tun geziemte!
Bekenn ihm deine Liebe! trage dich ihm an!
Und wenn er dich verschmäht; dir's je vergisst,
Wie ungleich mehr in diesem Schritte du
Für ihn getan, als er für dich ... Was hat
Er denn für dich getan? Ein wenig sich
Beräuchern lassen! ist was Rechts! – so hat
Er meines Bruders, meines Assad, nichts!
So trägt er seine Larve, nicht sein Herz.
—-
3811: Nathan.
Und was? – O meine Kinder! meine Kinder!
Denn meiner Tochter Bruder wär' mein Kind
Nicht auch, – sobald er will?
(Indem er sich ihren Umarmungen überlässt, tritt Saladin mit unruhigem Erstaunen zu seiner Schwester.)
Saladin. Was sagst du, Schwester?
Sittah.
Ich bin gerührt ...
Saladin. Und ich, – ich schaudere
Vor einer größern Rührung fast zurück!
Bereite dich nur drauf, so gut du kannst.
—-
3837: Saladin (während er in dem Buch blättert).
Ich meines Bruders Kinder nicht erkennen?
Ich meine Neffen – meine Kinder nicht?
Sie nicht erkennen? ich? Sie dir wohl lassen?
(Wieder laut.)*
Sie sind's! Sie sind es, Sittah, sind's! Sie sind's!
Sind beide meines ... deines Bruders Kinder!
(Er rennt in ihre Umarmungen.)
—-
3844: Tempelherr.
Ich deines Bluts! – So waren jene Träume,
Womit man meine Kindheit wiegte, doch –
Doch mehr als Träume!
(Ihm zu Füßen fallend.)
Saladin (ihn aufhebend).
Seht den Bösewicht!
Er wusste was davon, und konnte mich
Zu seinem Mörder machen wollen! Wart!
(Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.)