Wie geht man am besten beim Vergleich von Kurzgeschichten vor?1. Vergleiche sind immer eine gute Möglichkeit, etwas noch besser zu begreifen. Zum Beispiel entdeckt man auf diese Art und Weise das, was in der einen Kurzgeschichte fehlt. Darauf kann man kaum kommen, wenn man sie nur selbst betrachtet.
2. Deshalb kann es zu einer Aufgabe in einer Klausur gehören, dass am Ende der Analyse beziehungsweise Interpretation einer Kurzgeschichte noch der Vergleich mit einer anderen gefordert wird.
Hier verweisen wir auf das Video, in dem wir als eine Möglichkeit der über die Analyse hinausgehenden Interpretation den Vergleich aufführen
Das Video heißt:
„Kurzgeschichten leicht und sicher analysieren - mit Schaubild“
und ist auf Youtube unter der folgenden Adresse zu finden.
https://youtu.be/BxS7k746Uo43. Wir ziehen das jetzt mal an einem Beispiel durch und zeigen dabei besonders auch auf, was der Wert eines solchen Vergleiches ist.
4. Wichtig ist, dass man sich die Geschichten nebeneinanderlegt, um sie dann gut vergleichen zu können.
5. Wir machen das hier aus praktischen Gründen so, dass wir die Geschichten zunächst nacheinander vorstellen und dann die Vergleichsmöglichkeiten aufzeigen.
6. Die erste Geschichte behandelt das Problem, dass ein Vater morgens seine Tochter nicht aus dem Bett bekommt, damit sie noch rechtzeitig in der Schule ist.
7. Als ihr Vater sie an die Abmachung erinnert, dass sie spät geweckt wird, dafür aber auch gleich aufsteht, verweist die Tochter auf ein Ergebnis des Politik-Unterrichts, nach dem Abmachungen immer wieder neu verhandelt werden können.
8. Der Vater bietet seiner Tochter an, darüber beim Frühstück zu sprechen, wenn sie jetzt gleich aufsteht.
9. Das Gespräch besteht aber dann eigentlich nur darin, dass die Tochter etwas genauer begründet, warum im Politik-Unterricht feste Abmachung so negativ betrachtet worden sind: Sie seien ein Instrument der Mächtigen und wenn sie häufiger geändert würden, dann sei das gerechter.
10. Im Hinausgehen dreht die Tochter sich plötzlich noch mal um und bittet den Vater, ihr doch schon das Taschengeld des nächsten Monats zu geben, weil sie einer Mitschülerin noch Geld schuldet.
11. Der Vater nutzt die Gelegenheit, seine Tochter an ihren Wunsch nach ständigen Neu-Verhandlungen zu erinnern. Das schließt für ihn jetzt auch die grundsätzliche Regelung des Taschengelds ein. Da dafür aktuell keine Zeit ist, muss es eben verschoben werden und die Tochter muss ohne Geld gehen.
12. Deshalb verlässt sie auch enttäuscht und wütend das Haus.
13. Ende der ersten Geschichte
14. Die zweite Geschichte beginnt mit der Beschreibung der sehr originellen Bekleidungsideen einer 15-jährigen Tochter aus der Sicht des Vaters.
15. Dann geht es um die sehr laute Musik der Tochter, die sie als Ausdruck von Freiheit versteht.
16. Am Ende kommt noch das Problem von Sauberkeit und Ordnung im Zimmer der Tochter dazu. Hin und wieder beseitigt der Vater die größten Unsauberkeiten.
17. Einmal aber lässt er sich dann doch, wie er selbst sagt, dazu hinreißen, der Tochter von zwei Spinnennestern unter ihrem Bett zu erzählen
18. Die Tochter ist entsetzt, greift aber zu einer anderen Lösung, als ihr Vater es erwartet: Sie stellt ihre Hausschuhe einfach auf das Klavier, weil sie glaubt, dass Spinnen dort keine Nester bauen können.
19. Ende der zweiten Geschichte
20. Wenn man die beiden Geschichten vergleicht, fällt als erstes auf, dass es in beiden Fällen um unterschiedliche Auffassungen einer Tochter und ihres Vaters geht.
21. Wenn man sich die beschriebenen Fälle genauer anschaut, fällt zusätzlich auf, dass es in der ersten Geschichte nur um ein bestimmtes Problem geht, während in der zweiten Geschichte insgesamt drei Lebensbereiche angesprochen werden, wobei aber der dritte, nämlich Sauberkeit und Ordnung, die größte Bedeutung haben.
22. Außerdem merkt man sicherlich schnell, dass es in der ersten Geschichte um einen besonderen Fall geht, der zu einer Zuspitzung eines allgemeinen Problems führt. In der zweiten Geschichte wird das Verhalten der Tochter allgemeiner beschrieben.
23. Was das Verhalten der Väter angeht, so sind sie in beiden Fällen relativ verständnisvoll und nachsichtig, greifen aber am Ende der Geschichte jeweils zu einer Maßnahme, die ihnen zum einen innerlich etwas Luft verschafft, mit der sie zum anderen aber auch eine Verhaltensänderung erreichen wollen.
24. Was die beiden Töchter angeht, so ist die in der ersten Geschichte sehr aktiv und auch geschickt, in dem sie ein Ergebnis des Schulunterrichts und damit auch die Autorität des Lehrers einbezieht. Hier kann es durchaus auf eine Grundsatz-Diskussion hinauslaufen, die letztlich auch in den Politik Unterricht hineingetragen werden kann.
25. Im zweiten Falle ist die Tochter so gut wie gar nicht aktiv, außer dass sie einfach ihr Leben so lebt, wie sie es leben möchte, und am Ende eine aus ihrer Sicht gute Lösung für das Spinnenproblem findet.
26. Im Falle der ersten Geschichte erfahren wir nicht, was aus dem Konflikt wird. Die Geschichte bricht im Moment der größten Empörung der Tochter ab und das könnte sich auch negativ auf das Verhältnis zu ihrem Vater auswirken.
27. Im Falle der zweiten Geschichte bekommen wir zumindest die erste Reaktion der Tochter präsentiert, die natürlich keine grundsätzliche Lösung des Problems darstellt.
28. Am Ende eines Vergleiches kann es immer gut sein, wenn man noch mal die wesentlichen Punkte zusammenfasst.
29. Die erste Geschichte erscheint sehr viel ernsthafter angelegt, sie läuft auf ein zentrales Problem hinaus, das in seinen verschiedenen Aspekten beleuchtet werden müsste. Fest steht auf jeden Fall, dass ein ständiges Neu-Aushandeln von Abmachungen in der Praxis undurchführbar ist, weil man für viele Dinge eine gewisse Verlässlichkeit braucht. Anderseits gibt es aber auch Abmachungen, die gewissermaßen von der Zeit überholt werden und dann tatsächlich noch mal überprüft und abgeändert werden müssen. So gibt es auch in der Politik immer wieder Gesetzesänderungen, die auch jeweils wieder neu verhandelt werden.
30. Die zweite Geschichte erscheint demgegenüber fast wie eine Art Witz, bei der es am Ende eine überraschende Wendung gibt. Auf jeden Fall ist die zweite Geschichte eher angelegt wie eine Satire, was man auch an den zum Teil überspitzten Formulierungen erkennt. Die erste Geschichte ist dem gegenüber eine Art Fallbeispiel, an dem man ein grundsätzliches Problem aufzeigen und besprechen kann.