Damit hat jeder die Möglichkeit, sich mit der Ausgangsfassung zu beschäftigen.
- Postdramatisches Theater ist ein Widerspruch in sich - die Frage ist damit, ob das, was dabei herauskommt, noch viel zu tun hat mit dem, was sich in vielen Jahrhunderten Theatergeschichte als Grundgattung der Literatur herausgebildet hat.
- "Auflösung von Wort und Sinn" ist dabei ein zentraler Angriff auf die Grundsäulen der Tradition. Wäre es da nicht sinnvoll, eher von einer Parallelkonstruktion zu sprechen, neben dem "alten" und sicher immer noch "modernen" Theater, das auf Wort und Konflikt setzte? Dafür spricht auch, dass in unserem Lebensalltag genau das immer noch stattfindet, etwa in einem Streit am Frühstückstisch oder einer Auseinandersetzung zwischen Schüler und Lehrer, die hoffentlich nicht körperlich wird. Denn ist das nicht die einzige Alternative zum Verbalen?
- Interessant ist die Abgrenzung zu Brechts "Epischem Theater", die wir mal in folgender vorläufiger Hypothese formulieren:
Brecht wollte die Zerstörung der Illusion, um Nachdenken zu erzeugen , aber eins, das nur scheinbar offen war, wie man am Ende des "Guten Menschen von Sezuan" sehen kann.
Postdramatisches Theater: Wollen die Theaterleute tatsächlich die Wirklichkeit auf eine Weise darstellen, dass man sich eine eigene Meinung bilden kann? Was ist die "Basis des vom Künstler Gebotenen" Anderes als das, was auch Brecht im Sinn hatte?
Auf jeden Fall ist klar, dass sich dieses postdramatische Theater noch weiter von Aristoteles versucht zu entfernen, als es Brecht schon getan hat.
- Dann die spannende Zuschauerfrage: Wie anstrengend und vielleicht auch frustrierend ist ein Bühnengeschehen, das keine Geschichte erzählt, keine klaren Figuren präsentiert - und nur Sinnverlust zeigt?
- Steht dann am Ende nich doch eher die "Verhinderung von Ruhe durch aggressive Konzepte" statt Meditation. Kann man überhaupt über etwas meditieren, was keine klare Struktur und vor allem auch Sprache enthält?
Man kann am Ende wohl nur der ansatzweise selbstkritischen Schlussüberlegung des Artikels zustimmen:
"Wie bei jeder Kunstform stellt sich auch beim Theater die Frage: Wie geht es weiter? Manchmal scheint es, als hätten wir bereits alles gesehen, erlebt und darüber geflucht. Jede Neuentwicklung zieht automatisch weitere Neuentwicklungen nach sich, und je komplexer das Leben wird, desto komplexer werden auch unsere Methoden, die Realität künstlerisch zum Ausdruck zu bringen."
Uns bleibt die Frage: Was wird überhaupt noch "zum Ausdruck" gebracht, wenn es nichts auszudrücken gibt?
--------------------
Letztens hat uns die folgende kritische, aber auch anregende Zusammenfassung erreicht:
- Es [Das "postdramatische Theater] ist noch weiter von Aristoteles entfernt als Brecht mit seinem "Epischen" Theater
- Es versucht, die Bahn einer jahrhundertelangen Entwicklung völlig zu verlassen und gibt die Idee des Dramas damit eigentlich auf. Es sollte von "Theater" nicht mehr die Rede sein, weil es sich um etwas völlig Anderes handelt, wenn auf das "Wort" weitgehend verzichtet wird.
- Auch ist die Frage, ob man nicht dann genauso mit seiner Handykamera ziellos durch die Stadt streifen kann, um sich am Ende zu sagen: Heute war ich aber wieder "post-lebendig". Denn unser menschliches Gehirn ist ständig auf Sinnsuche und Sinnkonstruktion. Da wäre es schon schön, wenn die Theatermacher uns mit ihrer Sinn-Konstruktion konfrontieren würden, statt uns "Sinn-loses" zu präsentieren.