Anmerkungen zur Kurzgeschichte "Sophies Sommer" von Zoë Jenny
Kurz-Info:
In der Geschichte geht es um eine junge Frau, die in ihrer größten Lebenskrise erleben muss, dass ihr der Freund, den sie ins Elternhaus mitgebracht hat, von der eigenen Mutter weggeschnappt wird. Der Leser bleibt etwas ratlos zurück, weil er nicht recht weiß, ob er in erster Linie die Tochter bemitleiden oder sich mit der Mutter freuen soll. Denn diese wird so auf einer freudlosen Ehe befreit, in der sie regelrecht verkümmert, während die Tochter bisher sowieso ihre Liebhaber pausenlos gewechselt hat.
In der Geschichte beschreibt die Ich-Erzählerin (IE) die enge Beziehung zu ihrer Freundin Clarice, die sie beide wie Schwestern erscheinen lassen.
Später verlieren sie sich aus den Augen und die IE erfährt nur von Sophie, der Mutter ihrer Freundin, dass es dieser gut gehe und sie Schauspielunterricht nehme.
Später stellt sich dann allerdings heraus, dass Clarice damit gescheitert ist und nach einem Zusammenbruch wieder bei ihren Eltern lebt.
Sie lädt die IE in das Sommerhaus ihre Eltern ein und bringt dort ihren aktuellen Freund, einen Fotografen mit.
Im Laufe des Abends ergibt sich dann der Eindruck, dass dieser sich mehr für die Mutter als die Tochter interessiert.
Am nächsten Morgen muss der Rest der Familie erschrocken feststellen, dass die Frau und Mutter offensichtlich mit diesem Fotografen durchgebrannt ist.
Das Tragische an der Situation ist, dass Clarice, die einmal erklärt hat, "das einzige Sichere in ihrem Leben seien ihre Eltern und ich" [die IE] und ansonsten bei immer neuen Männern Liebe sucht, nun in der Stunde der größten Not erleben muss, dass ihre Mutter mit dem man aufblüht, mit dem sie gerade eine neue Beziehung aufbauen möchte.
Die IE kann ihr in der Situation auch nur den schwachen Trost spenden: "Das legt sich wieder und hat nichts zu bedeuten."
Die Geschichte endet mit dem rätselhaften Satz: "Meine Worte verschwanden hinter ihren Augenscheiben im Dunkeln." Das kann man so verstehen, dass dieser Versuch des Trostes nur noch die Augen, aber nicht die Ohren erreicht, weil im Kopf ihrer Freundin nur noch Dunkel ist, was man als maximalen Schmerz, Verzweiflung und vielleicht auch Erstarrung verstehen kann. Die Formulierung kann aber auch in Verbindung mit einer anderen gesehen werden, in der die IE im Hinblick auf ihre Freundin feststellt: "Wahrscheinlich liebte ich sie deshalb so sehr, weil mit ihren Augen zuhörte und ganz nebenbei Sätze sagte wie: 'Ich kann einsam sein wie ein Mann.'" Das würde dann bedeuten, dass Clarice ihre Situation akzeptiert - nach dem Motto: Bisher sind alle meine Beziehungen in die Brüche gegangen, warum soll nicht auch einmal meine Mutter dran schuld sein?!
Die Geschichte lässt den Leser etwas ratlos zurück. Deutlich ist der Gegensatz zwischen den nicht gelingenden Liebschaften der Freundin und dem zumindest kurzzeitig gelingenden Aufblühen der Mutter in der sich anbahnenden Beziehung zu dem Fotografen.
Deutlich ist auch der Gegensatz zwischen der Bekundung von Nähe Clarices zu ihren Eltern und ihrer Freundin, der IE, was mit ihrem realen Verhalten nicht ganz übereinstimmt. Denn sie hält doch relativ viel Abstand zu ihren Eltern und kümmert sich auch jahrelang nicht um ihre Jugendfreundin.
Klar ist auf jeden Fall, dass die Ehe zwischen Sophie und ihrem Mann, der vor allem geschäftlich unterwegs ist, seiner Freu nicht mehr viel geben kann. Das wird dadurch deutlich gemacht, dass ihre Stimme immer leiser wird, während ihr Mann zu Hause nur mit Erholung beschäftigt ist.
Am Ende hat man den Eindruck, dass die Geschichte aussagen will, dass eben nur das funktioniert, was auch passt, und ansonsten alles Bemühen vergeblich bleibt und man sich mit seiner Einsamkeit abfinden muss. Gegenüber diesen Realitäten zählt offensichtlich auch nicht die moralische Verantwortung einer Mutter gegenüber ihrer Tochter.
Beachten sollte man natürlich auch den Titel, der mit seiner Beschränkung auf eine Jahreszeit zumindest andeutet, diese sehr spezielle Beziehung zwischen einer schon etwas älteren Frau und einem jungen Mann könnte eben auch nur kurzzeitig funktionieren. Man kann "Sommer" natürlich auch von Zeitaspekten lösen und nur als Bild für einen inneren und äußeren Aufschwung verstehen.
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