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Marx - Die Nachfolger


Das Folgende ist ein Auszug aus dem E-Book

"Geschichte für Durchblicker. Mit dem Lehrer auf Augenhöhe - im Unterricht und in Prüfungen,

das man zum Beispiel hier bekommen kann.

Karl Marx - was aus seinen Ideen wurde und von ihnen  übrig blieb

18.8     Bismarcks Kampf gegen den Umsturz

Wer sich jetzt fragt, warum wir hier mit Bismarck beginnen, obwohl es doch um Marx geht, der hat genau das entscheidende Problem erkannt: Marx hatte eben  nicht an Bismarck gedacht - in dem Sinne, dass er ihm mit seiner Politik der Sozialgesetzgebung die ganze Verelendungstheorie kaputtmachte - zumindest teilweise. Aber schauen wir uns das genauer an - vor allem im Hinblick auf die Motive:
Bismarck sah als Ministerpräsident von Preußen und deutscher Reichskanzler zwei Möglich-keiten, den Kommunismus und damit die Umsturzgefahr zu bekämpfen: Zum einen war es das Sozialistengesetz mit seinen vielen rechtlichen und administrativen Einschränkungen für die Arbeit der SPD, zum anderen waren es die Sozialversicherungsgesetze des Staates, mit denen man die Arbeiter vor den Folgen von Krankheit, Unfällen und im Alter schützen wollte.

18.9     Die Spaltung der marxistischen Bewegung
Diese Entwicklung führte in der kommunistischen Bewegung zu zwei unterschiedlichen Re-aktionen: Der deutsche Sozialdemokrat Eduard Bernstein forderte, dass die Lehre des Kommunismus angepasst werden müsste, d.h.: Er akzeptierte die Reformen als etwas Posi-tives und glaubte, dass damit gegebenenfalls eine Revolution auch überflüssig werden wür-de. Heute sind diese Gedanken die Grundlage aller sozialdemokratischen Parteien.
Um 1900 wurden sie aber noch sehr stark bekämpft, am extremsten von den Anhängern Le-nins, die aus den Reformbemühungen genau den gegenteiligen Schluss zogen und umso stärker den Umsturz forderten. Da die Arbeiter aber immer weniger dessen Notwendigkeit einsahen, entwickelte Lenin die Idee von den Kadern, das waren besonders geschulte Be-rufsrevolutionäre, die die Revolution zunächst auch ohne Massenbasis gewaltsam und mit allen Tricks der Untergrundarbeit durchführen sollten. Erst anschließend sollten die Verhält-nisse von oben geändert werden, bis die Mehrheit der Bevölkerung diese dann gewisserma-ßen verarbeitet hatte und auch akzeptieren konnte.

18.10     Lenins Lösung der Probleme des Marxismus
Die Beschäftigung mit dem politischen Ansatz Lenins ist deshalb so wichtig, weil man dann auch das System der DDR viel besser versteht: Mehrheitsentscheidungen bei Wahlen oder in Parlamenten spielten keine wirkliche Rolle, entscheidend war, wie die Kommunistische Partei und ihre Führung im Politbüro und dem Zentralkomitee die Dinge sah und welche Ent-scheidungen sie für die Menschen im Land traf. Man kann das als sozialistische Demokratie bezeichnen, wenn man es im Zusammenhang der Gedanken von Marx und Lenin sieht.
Die Revolution, die unter Leitung Lenins und seines wichtigsten Kampfgenossen Trotzki im Oktober 1917 in Russland durchgeführt wurde, hatte dann auch nichts mit einer Massenbe-wegung zu tun. Es war eigentlich ein Putsch, bei dem auf geschickte Art und Weise die Macht im Staate erobert wurde, um anschließend das Land von oben zu verändern.
Übrigens war der Mauerbau vom August 1961 konsequent im Sinne Lenins: Wenn der Wes-ten mit seinen kapitalistischen Verführungsreizen gefährlich für die DDR wurde, dann brauch-te man wirklich in ihrem Sinne einen „antifaschistischen Schutzwall“, der die Menschen zwangsweise im Land hielt, bis sie das im Sinne der Partei richtige sozialistische Verständnis entwickelten und dann natürlich auch freiwillig blieben.
Dass Lenins Theorien in sich erst mal konsequent erscheinen, macht sie natürlich in keiner Weise auch menschlicher. Inzwischen wissen wir zudem, dass sein ganzes System auch ge-scheitert ist, weil mit Lenkung von oben, Zwang und Terror auf Dauer keine Zukunft gestaltet werden kann.

18.11     Stalins Lösung
Nach Lenins Tod gab es kurzzeitig zwei neue Alternativen: Sein alter Kumpel Trotzki hatte zwar den Gewaltkurs mitgestaltet, wollte ihn aber nicht auf Dauer fortsetzen, sondern eine wirkliche Weltrevolution im Sinne von Karl Marx heranreifen lassen.
Ganz anders sah das sein großer Gegenspieler Stalin, der darauf setzte, zunächst einmal den „Sozialismus in einem Lande“, das hieß: in Russland bzw. der Sowjetunion, durchzufüh-ren und von dort aus nach und nach die ganze Welt für die neuen Ideen zu erobern.
Das Ergebnis war die totale Umgestaltung eines Landes mit allen Mitteln der Gewalt und des Terrors, wodurch die Sowjetunion eine Weltmacht wurde und viele andere Länder und po-tenziell die ganze Erde mit ihrem System bedrohte und zugleich auf Dauer erstarrte, weil die einzelnen Menschen sich nicht frei entfalten konnten. Das aber war im Zuge der weiteren technischen Entwicklung immer stärker nötig, wie wir im Zeitalter von Microsoft, Apple und Google sehen.

Zu den wesentlichen Elementen des Stalinismus gehörten:
  • die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft: Alle Bauern mussten in riesigen Gemein-schaftsbetrieben „Kolchosen“ bzw. „Sowchosen“ arbeiten. Diese leisteten bei weitem nicht das, was sie hätten leisten können, weil die Vorteile der Bearbeitung großer Flächen weniger wogen als die fehlende Motivation von Menschen, deren persönliches Streben nach Eigen-tum im weitesten Sinne nicht genutzt wird.
  • die Planwirtschaft: Der Staat stellte komplizierte Fünfjahrespläne auf, was natürlich Vortei-le hat. Nachteil dabei ist, dass alles von einer Stelle aus gelenkt wird, was die Folgen von Irr-tümern vergrößert. Außerdem kann niemand voraussehen, wie sich die Bedürfnisse und Möglichkeiten in einigen Jahren entwickelt werden. Dementsprechend ist eine Planwirtschaft nicht flexibel genug.
  • Der Reiseschriftsteller A.E. Johann hat zwei interessante Beispiel-Fälle beschrieben: Zum einen gingen die Erträge der Kartoffelernte drastisch zurück, als man die Leistungsbe-rechnung umstellte von Säcken Kartoffeln auf abgeerntete Flächen. Die Bürokraten in Mos-kau hatten sich nicht vorstellen können, dass intelligente Bauern bei einem solchen Bewer-tungssystem gerne mal einige Kartoffeln im Boden lassen, als sie mühsam und zeitaufwändig alle herauszuholen.
  • Der andere Fall betraf einen großen landwirtschaftlichen Betrieb, der in seinem Bereich das Getreide einfach stehenließ. Darauf angesprochen, erklärte der Leiter, ihm seien neue Trak-toren und Mähdrescher geliefert worden – allerdings passten die Kupplungen nicht optimal zueinander, weil ein Planer in Moskau eine falsche Nummer eingegeben habe. Ständig ris-sen nun die Kupplungen – und man musste warten, bis das Problem von oben gelöst wurde. Eher ließ man das Getreide verrotten und kümmerte sich nur darum, dass man selbst nicht zur Verantwortung gezogen wurde. In einem gut funktionierenden marktwirtschaftlichen Sys-tem würde schnell Ersatz besorgt werden, auch wenn das Geld kostet.
  • die Ideologie: Zwischen Angst und Säuberungen: Das System des Stalinismus beruhte auf Gewalt, Angst und Schrecken. Wenn etwas nicht klappte, sah man schnell Saboteure am Werk, gegen die man hart vorging. Das förderte „Duckmäusertum“, also vorsichtiges Verhal-ten nach dem Motto: „Bloß nicht auffallen!“ „Auf keinen Fall Verantwortung übernehmen!“ Viele fähige Leute gerieten auch schnell in ein ausgeklügeltes System der Bestrafung, bei dem allerdings der Zufall eine große Rolle spielte – und eben auch ganz Falsche traf.
  • Rein aus Gründen der Machtsicherung gab es immer wieder „Säuberungen“, bei denen mehr oder weniger willkürlich alle, die möglicherweise Stalin gefährlich werden konnten, aus der Partei bzw. ihren Ämtern entfernt wurden und sich entweder in einem sibirischen Strafla-ger oder aber einem Hinrichtungskommando gegenübersahen. Eine große Zahl von Men-schen verschwand einfach – darunter übrigens viele Kommunisten, die vor Hitler geflohen waren und sich im Umfeld eines Hotels mit dem Namen „Lux“ in Moskau aufhielten. Ein Film aus dem Jahre 2011 gibt trotz eines etwas seltsam tragikomischen Ansatzes gute Einblicke in das von Angst und Denunziation geprägte Leben dieser Zeit.
  • Vor allem die Planwirtschaft stieß in den sozialistischen Ländern immer stärker auf Schwie-rigkeiten, weil sie nur sehr verzögert und mit vielen Fehlern auf Entwicklungen reagieren konnte. Während im kapitalistischen Westen neue Entwicklungen sehr schnell ihre Käufer fanden und sich dann eine spiralförmige Entwicklung ergab, musste im Ostblock alles von Funktionären in der Zentrale entschieden werden - mit einem großen zeitlichen Vorlauf und vielen möglichen Planungsfehlern, was Angebot und Nachfrage an Waren und Dienstleistun-gen weit auseinandertrieb.

18.12     Gorbatschows Lösung
Es war Michael Gorbatschow, der Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts erkannte, dass man mehr Klarheit (Glasnost) und mehr Veränderung (Perestroika) brauchte, wenn man das System am Leben erhalten wollte. Dementsprechend verzichtete er nach seiner Wahl zum Generalsekretär der KpdSU im Jahre 1985 immer stärker auf militärische und poli-zeiliche Macht, was auf Dauer aber dazu führte, dass die Entwicklung ihn und das alte Sys-tem völlig überrollte. Am Ende zerfiel die Sowjetunion und an ihren Rändern schlossen die Länder sich immer stärker dem Westen an.

18.13     Kommunismus heute
Heute gibt es Kommunismus eigentlich nur noch an drei Stellen:
18.13.1     China – Kapitalismus im „roten Gewand“
In China herrscht zwar noch eine kommunistische Partei, aber die beschränkt sich auf den Erhalt ihrer Macht und handelt im Übrigen genauso kapitalistisch – oder sogar besser – wie ihre westlichen Konkurrenten.
18.13.2     Nordkorea – Lagerhaltung für ein ganzes Volk
Dann gibt es den seltsamen Kommunismus von Nordkorea, in dem Menschen auf extremste Art und Weise nur in zwei Bereichen gleich sind, in der Verhinderung eigenen Denkens und in absoluter Armut. Im Unterschied zu China tut die Führung dieses Landes nichts oder viel zu wenig für eine positive Entwicklung der eigenen Bevölkerung, sondern ergeht sich in hemmungsloser Macht –, Führer – und Kriegsrhetorik.
18.13.3     Kuba – die Alternative zum Kapitalismus in den letzten Zügen
Dann gibt es da noch die Insel Kuba, auf der die Brüder Castro ein System errichtet haben, das ähnlich wie in China es mit dem eigenen Volk eher gut meint, sich aber sehr viel schwe-rer tut, sich von problematischen kommunistischen Leitsätzen zu befreien und zumindest ö-konomische Spielräume zu vergrößern.

18.14     Die Sozialdemokratie als demokratische Enkelin von Karl Marx
Wir haben uns eben sehr stark mit dem „Lenin-Ast“ in der Entwicklung des Kommunismus beschäftigt. Der „Bernstein-Ast“ sollte dabei nicht zu kurz kommen: Zwar wurde sein geistiger Vater vor dem Ersten Weltkrieg in der SPD stark kritisiert und an den Rand gedrängt – in der Praxis setzte sich aber die Reformidee immer stärker durch.
In der Weimarer Republik übernahm die SPD dann schon ein unglaubliches Maß an Verant-wortung für Deutschland, wenn man überlegt, wie dieses Land diese Partei vor dem Ersten Weltkrieg noch behandelt hatte.
Der Nationalsozialismus führte dann für 12 Jahre zu einer schrecklichen Unterbrechung der politischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Sozialdemokratie in Deutschland.
Nach 1945 spielte sie von Anfang an eine große Rolle beim Neuaufbau Deutschlands, hatte allerdings das Pech, dass die neugegründete CDU die ersten Bundestagswahlen gewann und in Konrad Adenauer wohl den richtigen Mann zur richtigen Zeit hatte. Seine Politik der Westintegration war zu ihrer Zeit sicher genauso die beste Lösung wie Willy Brandts Politik des „Wandels durch Annäherung“ gegenüber der DDR und dem Ostblock ab 1969.
Entscheidende Voraussetzung dafür war gewesen, dass sich die SPD im Godesberger Pro-gramm von 1959 endgültig zur demokratischen Volkspartei entwickelt hatte (demokratisch war sie natürlich auch vorher schon, aber gewisse marxistische Reminiszenzen machte sie nicht für alle Bevölkerungsschichten wählbar).

18.15     Der entfesselte Kapitalismus als Reaktion auf den gescheiterten Kommunismus
Bleibt am Ende noch eine Bemerkung zu dem, was sich in der kapitalistischen Welt in den letzten Jahren herausgebildet hat: Statt die Idee einer sozialen Marktwirtschaft weiter auszu-gestalten hat man es zugelassen, dass der Egoismus weniger Menschen sich in bestimmten Bereichen nicht nur hemmungslos ausgetobt hat, sondern das Scheitern besonders von Banken von den Staaten und d.h. letztlich: von den Steuerzahlern aufgefangen wird.
Man hat den Eindruck, die westlichen Staatsführer glauben, es sich leisten zu können, die Kritik von Karl Marx am Staat als Büttel (eine Art polizeilicher Helfer) des Kapitals voll Wirk-lichkeit werden zu lassen.
Es bleibt abzuwarten, wann die unvermeidliche Krise dieser verantwortungslosen Politik (die Banken bekommen Zinsen für ein Risiko, das am Ende der Steuerzahler trägt) dazu führt, dass die Marktwirtschaft diskreditiert wird (man den Glauben an sie verliert) und kommunisti-sche oder ähnliche alternative Überlegungen wieder breitere Zustimmung bekommen. Die Occupy-Bewegung setzte hier ja schon erste Akzente, wenn auch bis jetzt ohne großen Erfolg.

18.16     Planwirtschaft im Kapitalismus?
Die Idee eines vereinten Europa ist großartig – allerdings hätte man sich vor unnötigen zent-ralistischen Tendenzen hüten sollen, die einen zumindest in Ansätzen an die zentrale Len-kung in Planwirtschaftsmodellen erinnern.
So schön die Idee des Euro als friedensstiftende Instanz und Treibsatz in Richtung mehr Eu-ropa mal gewesen sein mag: Die aktuelle Entwicklung, bei der die Regierungen der einzel-nen Staaten kaum noch dazu kommen, sich um ihre eigenen Völker zu kümmern, weil sie ständig die Probleme anderer lösen müssen, hat verheerende Folgen: In einigen südeuropä-ischen Ländern der Europäischen Union – mit ihrem starken Euro-Zentralismus ist die Not inzwischen so groß, dass in Kuba die Grundsicherung der menschlichen Existenz, etwa im medizinischen Bereich, größer zu sein scheint als etwa in Griechenland.
Das könnte zu einem äußerst fruchtbaren Nährboden für eine Wiederbelebung des Kommu-nismus werden – wahrscheinlich mit der Wiederholung seiner Fehler. In der Europäischen Union gibt es ja bereits die Bestrebungen, alles von Brüssel aus zu regeln - es wird zwar nicht mehr von Fünfjahresplänen gesprochen, aber die Planung in Brüssel scheint manchmal nicht mehr weit von der in Ostberlin und Moskau entfernt, was die Entfernung von den realen Bedürfnissen der Menschen betrifft. Man denke nur an die berühmten Krümmungsgrade von Bananen oder die Abschaffung der offenen Olivenkännchen auf den Restaurant-Tischen.
Der zunehmende Normierungswahn hat aber Folgen, die weit über diese beiden etwas skur-rilen Beispiele hinausgehen: So bekam man irgendwann bestimmte über Jahrzehnte prob-lemlos verkaufte Medikamente nicht mehr, weil nachträglich ein kostspieliges Prüfverfahren verordnet wurde. Manche landwirtschaftliche Produkte, die ebenfalls seit Jahrhunderten auf dem Markt sind, sollen plötzlich irgendwelche Standards erfüllen, die sich Brüsseler Beamte ausdenken.
Damit das hier nicht falsch verstanden wird: Die EU-Kommission mit ihrem riesigen Beam-tenapparat setzt auch viele gute Initiativen frei, etwa was die Abgasreduzierung der Autopro-duzenten angeht. Aber Planwirtschaft ist eben ein System, in  dem man etwas Gutes schnell durchsetzen kann, aber vieles auch entsetzlich schiefläuft.

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