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Sturm und Drang

Die literarische Epoche des "Sturm und Drang"

Hier zunächst ein paar Vorab-Informationen.
Weiter unten finden Sie die Möglichkeit, drei Hördateien herunterzuladen.

  • Die erste beschäftigt sich mit dem "Sturm" der Gefühle in der Zeit des Sturm und Drang. Dabei wird auf Goethes Liebesgedicht "Willkommen und Abschied" eingegangen, außerdem auf das "Mailied" und schließlich noch auf den berühmten Brief vom 10. Mai aus dem Roman "Die Leiden des jungen Werther.
  • Die zweite Datei geht dann auf die "Drang" ein, die Dinge verändern zu wollen. Dabei steht zunächst "Prometheus" und seine Kritik des Obergottes Zeus im Mittelpunkt. Es wird auch darauf verwiesen, dass Goethe neben diesem Gedicht im Drama "Faust" eine Gestalt geschaffen hat, die ebenfalls radikal einen eigenen Weg gegen will. Schließlich wird noch auf den Geniekult des Sturm und Drang verwiesen, der sich schon bei dem Aufklärer Lessing zeigt.
  • Die dritte Datei zeigt dann am Beispiel eines Gedichtes von Stolberg, wie man zur höfischen Kultur der Zeit steht und wie sehr man ihr den Begriff von Freiheit entgegenstellt. Außerdem wird am Beispiel des Gedichtes "Der Bauer" gezeigt, wie auch in diesem unterdrückten Stand sich revolutionärer Geist sammelt. Er hat sich dann ja in der Französischen Revolution 1789 Bahn gebrochen.
Wer sich noch etwas breiter informieren will, kann sich unsere hier folgende Übersicht mal anschauen.

1.)    EPOCHENGRENZEN: Als Sturm und Drang wird im allgemeinen die Zeit vom Er-scheinen der Herderschen "Fragmente" (1767) bis zur Wandlung Goethes und Schillers (1785) angesehen. Höhepunkt ist der Zeitraum zwischen Goethes "Götz "(1773) und Schillers "Kabale und Liebe" (1784).

2.)    BEGRIFF und KENNZEICHEN: : Die Bezeichnung "Sturm und Drang" stammt von einem gleichnamigen Schauspiel Maximilian Klingers.
    Ein Kennzeichen der Epoche wird an dem ebenfalls für sie verwendeten Begriff "Genie-zeit" deutlich: die Überordnung des Genies über den kritischen Kopf. Sie wurde verfochten von der antiaufklärerischen Welle der "Originalgenies". Deutlich wird das am Sprachwandel von "Genie haben" (Aufklärung) zu "Genie sein".
  • Typisch ist dementsprechend das Selbstbewusstsein des Einzelnen, die Hervorkehrung der Individualität.
  • Ein weiterer Punkt ist die Aufwertung des irrationalen Bereichs. Dem bis dahin herr-schenden Verstand werden Herz, Gefühl, Ahnung und Trieb gegenübergestellt.
  • Mit dem Glauben an den Kulturfortschritt wird gebrochen. Dafür vergöttlicht man die Natur. Dem gebildeten Kulturmenschen wird der Naturmensch als etwas Höheres gegen-übergestellt. Dementsprechend sympathisiert man mit unschuldigen Kindern, einfachen Frauen, der Landbevölkerung, mit den ersten Menschen, den alten Germanen.
  • Neben dem natürlichen Menschen erstreben die Dichter des Sturm und Drang die natürli-che Gesellschaftsordnung. Man sucht im Absolutismus zumindest künstlerische Lösun-gen der gesellschaftlichen und politischen Probleme.
  • Neu ist das Verhältnis zur Geschichte und zu geschichtlichen Urkunden. Man bricht mit der Tradition und sucht seinen eigenen Zugang. So verwirft man folgerichtig den christ-lichen Dogmatismus und vertritt eher  eine pantheistische Religion.
  • Kennzeichnend für den Sturm und Drang ist auch sein nationaler Zug. Es gibt für ihn kein klassisches Muster mehr. Das Ausland wirkt weniger als nachzuahmendes Muster als als gedanklicher und formaler Anreger.

3.)    DRAMA: Die Dichtungen des Sturm und Drang gehören überwiegend dem Drama an, da dieses am ehesten Aufruf zur Änderung der gesellschaftlichen und politischen Zustände sein kann.

Berühmte Beispiele sind der Freiheitskampf des "Götz von Berlichingen" (Goethe), das Scheitern einer unstandesgemäßen Liebe in Schillers "Kabale und Liebe" und schließlich Faust I mit seiner radikalen Bemühen um maximale Erkenntnis aber auch ein volles Ausleben der Existenz.

Vorbild ist Shakespeare mit seiner Technik der Fetzenszenen, dem Verzicht auf die sogenannten "Einheiten" (Handlung, Zeit, Ort), der Verherrlichung der Kraft, der Leidenschaft als solcher, dem Schaurigen und Krassen.

4.)    LYRIK: Die Lyrik wird im Gegensatz zur rein literarischen Lyrik der vorangegangenen Zeit endgültig Erlebnisdichtung, Bruchstück einer großen Konfession. Eine große Rolle spielen Volkslieder, Oden, Hymnen, und Balladen. Die Form ist nicht mehr äußerlich regelmäßig, sondern organisch gewachsen, individuell.

Unten haben wir einige Beispiele aufgenommen, die zum einen die Gefühlsintensität in der Liebe und gegenüber der Natur, aber auch das Aufbegehren gegen übergeordnete Instanzen zeigen. Im Falle von Prometheus geht es um den religiösen Bereich, bei Stolberg um den Kampf um die Freiheit und bei Bürger um gesellschaftliche Fragen und besonders den Schutz der unterdrückten Bauern.

5.)    Die erzählende Dichtung spielt eine völlig untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme ist Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werther", der mit seiner äußersten Subjektivierung ganz Europa begeistert und eine regelrechte Wertherwelle ("Wertherisme") hervorruft.

mp3-Datei 1 - Gefühle herunterladen mp3-Datei Prometheus Genie herunterladen mp3-Datei - Revolution herunterladen


Johann Wolfgang Goethe

Willkommen und Abschied

Frühere Fassung

Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.

Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft es, ich verdient es nicht.

Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden.
Und lieben, Götter, welch ein Glück!


Johann Wolfgang Goethe

Mailied

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,

Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!

O Lieb, o Liebe,
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft.

Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!

Johann Wolfgang Goethe

Prometheus

Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte,
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn als euch Götter.
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,
Nicht wußte, wo aus, wo ein,
Kehrte mein verirrtes Aug
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider
Der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du's nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest, jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben?

Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herren und deine?

Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehn,
Weil nicht alle Knabenmorgen-
Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, weinen,
Genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich.

 

Friedrich Leopold Graf zu Stolberg

Die Freiheit


Freiheit! Der Höfling kennt den Gedanken nicht!
Der Sklave! Ketten rasseln ihm Silberton!
Gebeugt das Knie, gebeugt die Seele,
Reicht er dem Joch den erschlafften Nacken!

Uns, uns ein hoher seelenverklärender
Gedanke! Freiheit! Freiheit! wir fühlen dich!
Du Wort, du Kraft, du Lohn von Gott uns!
O! wo noch voller ins Herz der Helden

Dein Nektar strömte, jener, an deren Grab
Nachwelten staunen; ström'! o entflamm' uns ganz!
Denn sieh', in deutscher Sklaven Händen
Rostet der Stahl, ist entnervt die Harfe!

Nur Freiheitsharf' ist Harfe des Vaterlands!
Wer Freiheitsharfe schlägt, ist wie Nachtorkan
Vor Donnerwettern! Donnre! Schlachtruf!
Schwerter, fliegt auf, dem Gesandten Gottes!

Nur Freiheitsschwert ist Schwert für das Vaterland!
Wer Freiheitsschwert hebt, flammt durch das Schlachtgewühl,
Wie Blitz des Nachtsturms! Stürzt, Paläste!
Stürze, Tyrann, dem Verderber Gottes!

O Namen! Namen! festlich, wie Siegsgesang!
Tell! Hermann! Klopstock! Brutus! Timoleon!
O ihr, wem freie Seele Gott gab,
Flammend ins eherne Herz gegraben!


Gottfried August Bürger

Der Bauer

An seinen Durchlauchtigen Tyrannen

Wer bist du, Fürst, daß ohne Scheu
Zerrollen mich dein Wagenrad,
Zerschlagen darf dein Roß?

Wer bist du, Fürst, daß in mein Fleisch
Dein Freund, dein Jagdhund, ungebläut
Darf Klau' und Rachen haun?

Wer bist du, daß, durch Saat und Forst,
Das Hurra deiner Jagd mich treibt,
Entatmet, wie das Wild? –

Die Saat, so deine Jagd zertritt,
Was Roß, und Hund, und du verschlingst,
Das Brot, du Fürst, ist mein.

Du Fürst hast nicht, bei Egg und Pflug,
Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot! –

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?
Gott spendet Segen aus; du raubst!
Du nicht von Gott, Tyrann!
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