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Hanno Gelsenbeck, "Ronny und die Trauben"


Hanno Gelsenbeck, "Ronny und die Trauben" oder: Wie man es einem Freund schonend beibringt ...

Die folgende Kurzgeschichte zeigt, wozu Fabeln manchmal sogar an einer Bushaltestelle gut sein können.
Die Nummerierung haben wir eingefügt, so dass man sich leicht auf bestimmte Stellen beziehen kann, wenn man drüber reden will.
Hanno Gelsenbeck,

Ronny und die Trauben


  1. Das ging jetzt schon einige Zeit so. Sobald er auch nur andeutete, dass er sich mit Jenny treffen wollte, sah Ronny rot. Es kamen dann Bemerkungen wie: „Marc, Mensch, alter Kumpel. Wie hältst du es bloß mit ihr aus?“ Manchmal kam es auch netter: „Wir könnten doch heute wunderbar zum Fußball gehen“. Das war wirklich das, was sie am meisten verband.
  2. Heute war es besonders schlimm, denn im Pokalspiel am Abend ging es gegen einen Verein, der zwei Klassen über ihnen spielte. Da war jeder Fan gefragt.
  3. Dementsprechend wollte Ronny da unbedingt mit ihm zusammen hin. Als Marc meinte, er müsste da erst mal mit Jenny telefonieren, wurde Ronny grundsätzlich: „Was findest du eigentlich an diesen albernen Gören?“ Als er nachfragte, was das Wort überhaupt bedeutete, brachte Ronny mal wieder seine Großmutter ins Spiel. Die hatte ihm erzählt, dass sie in ihrer Jugend so genannt worden war. Auf jeden Fall war es negativ und passte so gut zu „albern“.
  4. Zu einer Antwort kam Marc nicht, denn sie hörten plötzlich den Bus kommen. Aber sie waren noch zu weit weg von der Haltestelle.. Das kam davon, wenn man mehrfach stehen geblieben war, nur um diesen Unsinn sich anhören zu müssen.
  5. Einige Zeit schwiegen sie, Ronny versuchte vergeblich, seine Mutter per Smartphone zu erreichen. Inzwischen war Marc  eine Idee gekommen.
  6. „Kennst du eigentlich die Geschichte von dem Fuchs und den Trauben?“ Ronny reagierte verständnislos: „Hat das was mit dem Biologieunterricht zu tun? Da ging es doch letztens eher um Bienen.“
  7. „Hör es dir einfach an und entscheide dann selbst:
  8. „Es geht um einen Fuchs, der anscheinend neben Fleisch auch auf Weintrauben steht und eine schöne Ansammlung davon findet. Leider hängen sie etwas hoch an einer Mauer.
  9. Nachdem der Fuchs sich einige Zeit mit Springen abgemüht hatte und dabei mehrmals auf den Rücken gefallen war, hatte er die Nase voll. Als er sich aufrappelte, hörte er ein höhnisches Krächzen von einem Baum her. Diese Rabenbande hatte ihm gerade noch gefehlt. Aber wozu war er ein Fuchs – also rief er den Vögeln im Vorbeigehen zu: „Ich hätte gleich dran denken  sollen. Die Trauben sind sowieso sauer.“
  10. Jetzt war er gespannt, wie Ronny auf die Geschichte reagieren würde. Blöd wäre natürlich gewesen, wenn der jetzt einfach gesagt hätte: „Mensch, hör bloß auf mit der alten Fabel.“
  11. Aber anscheinend hatte er im Deutsch Unterricht nicht gut aufgepasst oder war noch mit einem Teil seiner Gedanken bei dem misslungenen Telefonat mit seiner Mutter. „Hast du nichts Besseres, um uns hier ein bisschen die Zeit zu vertreiben? Was soll denn diese komische Story?“
  12.  Marc beschloss, es kurz zu machen: „Du bist der Fuchs.“ Ronny nahm es erst mal als Kompliment, denn diese Tiere wurden ja vor allen Dingen mit Klugheit verbunden, auch wenn sie sich hin und wieder einen schmerzenden Rücken zulegten oder sonstwie auf die Nase fielen.
  13. „Aber was sollen die Trauben?“
  14. „Fängt mit M an …“ Marc versuchte es mal auf dem langsamen Weg.
  15. Als immer noch nichts kam, schob er hinterher: „Worüber haben wir denn gesprochen, bevor du telefonieren wolltest und womit nervst du mich pausenlos?“
  16. Es arbeitete einige Zeit in Ronny, dann meinte er: „Meinst du Mädchen? Aber warum sind die sauer?“
  17. Marc hatte Mitleid mit dem Freund und klärte ihn auf: „Du bist wahrscheinlich so oft vergeblich gesprungen, dass du mir Jenny jetzt zur sauren Traube machen willst.
  18. Ronny hatte es immer noch nicht ganz begriffen: „Ich bin doch gar nicht hinter deiner Jenny her.“
  19. „Man kann nach vielen Trauben springen.“
  20. Mit dieser geheimnisvollen Antwort begnügte Ronny sich anscheinend, denn der nächste Bus kam. – Marc war ganz froh, dass er nicht noch deutlicher werden musste. Auf jeden Fall nahm er sich aber vor, beim nächsten blöden Spruch Ronnys zum Thema Mädchen einfach mal so einen missglückten Sprung vorzumachen und dann zu stöhnen: „Die Trauben sind zu sauer.“


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