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Sauer, "Unmoralische Fabel"

Lothar Sauer, "Unmoralische Fabel" - oder: Wie es im Himmel wirklich abgeht ;-)

Diese Fabel, die man im Internet zum Beispiel hier finden kann, nimmt den Grundgedanken der Gattung auf, indem es eine Wahrheit in einer Geschichte mit Tieren präsentiert. Zwar taucht auch Petrus auf, aber er ist eigentlich nur der Vertreter einer Einrichtung, eben des Himmels, in dem Lebewesen nach ihrem Tode aufgenommen werden.
Nehmen wir den Titel mal gleich auf, denn er begegnet einem ja auch als erstes, wenn man den Text liest: "Unmoralische Fabel" - da hat man gleich das Problem, dass man als erstes an das Unmoralische des Rotlichtmilieus denkt, aber das passt natürlich nicht so richtig zur Fabel. Dort geht es ja um eine andere Moral, nämlich - wie oben schon angedeutet - um eine in eine Geschichte mit Tieren verkleidete Wahrheit oder Lebensweisheit.
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Was aber ist "unmoralisch" an der dieser Fabel bzw. ihrer Moral?
  1. Nun die Geschichte beginnt ganz normal, wenn man es für normal hält, dass es erstens einen Himmel gibt und dieser zweitens auch für Regenwürmer geöffnet ist. Über die kleine Schwäche, dass hier ja jemand noch ganz "rüstig" die Himmelsleiter emporklimmt, während er doch eigentlich auf der Erde gut weiterleben könnte, sehen wir einmal hinweg.
  2. Der Hüter des Himmels, Petrus, hat auf jeden Fall Mitleid mit diesem zumindest halbierten Wesen und leitet es weiter in eine ominöse Abteilung neun, in der es Kisten gibt, "die man für die Würmer reserviert hat". Das kann man nur positiv verstehen uns so ist man gespannt, wie die Geschichte weiter geht, denn eigentlich ist sie schon zu Ende - mit Happy End.
  3. Der Dichter macht sich hier auch noch den Spaß, dieses glückliche Jenseitsleben für Würmer noch etwas genauer auszumalen, was entsprechende Dankbarkeit beim Wurm auslöst.
  4. In der gleichen 4. Strophe dann aber  - eine schöne Idee, diesen Übergang in die Strophe selbst zu verlegen - kommt das nächste tierische Opfer, diesmal allerdings komplett am Ende mit dem Erdenleben, weil totgefahren.
  5. Dann die Überraschung: Denn diesem Huhn wird nun die gleiche Abteilung zugewiesen - und dann für Nicht-so-schnell-Merker auch noch mit dem klaren Hinweis, was in dieser Abteilung für Hühner schön ist - nicht aber - das muss der Leser selbst ergänzen, Petrus juckt das nicht, für Regenwürmer.
  6. Das Gedicht endet mit dem freudigen Dank des Huhns - und mit dem nur angedeuteten Hinweis, dass es so weitergehen könnte. Dieses Gedicht "schreit" ja regelrecht danach, die Kette der scheinbaren Glückszustände fortzusetzen. Wer sich ein bisschen in der Tierwelt auskennt, denkt da sicher gleich zum Beispiel an einen armen Fuchs, den vielleicht die Tollwut dahingerafft hat und er es dafür jetzt in Abteilung neun toll treiben kann, es sei denn - danach kommt ein ebenfalls an Tollwut gestorbener Jäger vorbei - und über den hinaus wollen wir die Geschichte nicht weiterspinnen, denn Bäume, die auch Jäger erschlagen können, kommen wohl kaum in den Himmel - zumindest wäre es dann endgültig keine Fabel im eigentlich tierischen Sinne mehr.
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  7. Bleibt die Frage, was denn nun das Unmoralische an dieser Fabel ist:
    1. Was einem gleich einfällt ist natürlich eine Infragestellung der Vorstellung vom himmlischen Glück.
    2. Dann ist da aber natürlich auch der tolldreiste Regenwurm, der weit vor dem Ende seines Lebens sich schon glaubte, die Ruhe des himmlischen Kompostlebens verschaffen zu können.
    3. Spätestens hier merkt man dann, dass die Vorstellung vom Fuchs und vom Jäger und vom Baum wohl die eigentliche Moral dieser Fabel nicht trifft, denn das Ende kann ja durchaus so verstanden werden, dass das Huhn jetzt glücklich weiterleben kann, während das als nächstes eintretende Wesen eben nicht so ein Vorschnell-ins-Paradies-Woller ist wie der Regenwurm.
    4. Die Kritik der Fabel würde also solche Wesen treffen, die etwas vorschnell haben wollen, ohne die Voraussetzungen dafür eigentlich zu erfüllen. Die bekommen zwar, was sie wollten, bleiben dann aber doch im irdischen Prozess des Fressens und vor allem Gefressen-Werdens.
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    Leider müssen wir die schöne "moralische" Kritik am hinteren Ende des Regenwurmes am Ende doch fallen lassen, denn ein kurzer Blick ins Internet belehrt uns, dass das hintere Ende des Regenwurms tatsächlich nicht weiterleben kann und damit ein Recht auf einen Platz im Himmel hat, wenn es denn denn für Tiere gibt.
  9. Damit wird diese Fabel endgültig entweder zu einem zynischen Scherz oder aber zu einem Stück Religionskritik, indem eine Vorstellung vom Himmel zerstört wird, die darauf hinausläuft, dass da oben einfach alles gut wird. Letztlich ist das Unmoralische an dieser Fabel dann die Einrichtung des Himmels selbst bzw. die Vorstellung der Menschen davon, die einfach glauben, er wäre nur eine schönere Erde - eben wohl mit Fressen, aber ohne Gefressenwerden.
  10. Die tiefere Aussage der Fabel wäre also: Nimm das Leben so, wie es ist. Achte darauf, dass du im Falle des Falles eher der vordere Teil eines Regenwurms bist - und finde dich damit ab, dass am Ende für alle Lebewesen das Gefressenwerden steht, von einem Spaten, von einem Huhn oder auch von den vielen Möglichkeiten, die dem menschlichen Leben ein Ende setzen. Das wäre dann tatsächlich eine "unmoralische" Sicht des Lebens, eine, die jede Form von tröstender Transzendenz auszuschließen scheint.





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