Voraussetzungen des III. Aktes - die "Vorgeschichte"
1. Voraussetzungen des III. Aktes - Nach der Präsentation des zentralen Konfliktes zwischen dem Liebesanspruch von Luise und Ferdinand und den verschiedenen Gefahren (Streit in der Familie, Konkurrenz und Intrigenpotenzial Wurms und den Interessen und Forderungen des Präsidenten ging es im zweiten Akt vor allem um eine weitere zentrale Figur, nämlich die Lady Milford.
- Sie zeigt sich in II,1 als ebenfalls sehr bürgerlich, modern liebende Frau, die ebenso wie Ferdinand das Hofleben und die Missstände im absolutistischen Staat ablehnt (II,2).
- In der dritten Szene stoßen die Lady und Ferdinand direkt aufeinander und merken auf unterschiedliche Weise, wie sehr sie eigentlich zueinander passen. Da Ferdinand aber seiner Luise treu bleiben will, verschärft sich der Konflikt, da durch die Veröffentlichung des Heiratsplans bereits höhere Interessen im Spiel sind.
- Die vierte Szene zeigt dann die wachsende Gefahr im Bürgerhaus, angesichts einer möglichen Verhaftung will Miller mit seiner Tochter über die Grenze fliehen.
- In II,5 kommt Ferdinand hinzu und bekennt, wie sehr ihn die Lady beeindruckt hat, dass er aber trotzdem seiner Liebe treu bleibt. Nach einigem Hin und Her will er mit Luise zu seinem Vater, um dort das Problem zu klären.
- Dem kommt der Präsident durch seine Ankunft in II,6 zuvor. Ein beleidigendes Verhör Luises wird immer wieder durch Ferdinand unterbrochen und schließlich durch Millers protestierende Hinweise auf seine Rechte beendet. Dies vergrößert aber nur den Zorn des Präsidenten, der mit Verhaftung droht.
- In II,7 greift dann Ferdinand sogar zu seinem Degen, um das Schlimmste zu verhindern. Als der Präsident sich sogar davon nicht abhalten lässt, setzt sein Sohn das stärkste Mittel ein und droht mit dem Verrat der verbrecherischen Geheimnisse seines Vaters, was die Eskalation zunächst einmal unterbricht.
III. Akt, 1. Szene: Wechsel der Strategie gegenüber Luise und Ferdinand
III. Akt
Szene 1: Der Präsident und Wurm schmieden einen neuen Plan: Entscheidend ist der Übergang von der Gewalt hin zur List.
- Der Präsident beklagt gegenüber Wurm den Misserfolg seiner Aktion:
"Der Streich war verwünscht." (53)
- Der verweist darauf, dass Gewalt häufig nicht das beste Mittel sei.
- Stattdessen schlägt er dem Präsidenten vor, die Strategie zu wechseln und jetzt eher den besorgten Vater zu geben und einen Keil zwischen Ferdinand und Luise zu treiben.
- Ausgangspunkt ist das Denken Ferdinands, das Wurm durchschaut und nutzen will:
"Wurm: Der gereizten Leidenschaft ist keine Torheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf zu Ihrer Regierung geschüttelt. Ich glaubs. Die Grundsätze, die er aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Träumereien von Seelengröße und persönlichem Adel an einem Hof, wo die größte Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, groß und klein zu sein. Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich." (53) - "Wurm: Ich müsste mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich wie in der Liebe. Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig"
- Die Idee ist, den Vater und wohl auch die Mutter zu verhaften und damit Luise zu zwingen, einen angeblichen Liebesbrief an den Hofmarschall zu schreiben.
- Der Präsident ist auch gleich bereit, denn:
"Mein ganzer Einfluss ist in Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zurückgeht, und wenn ich den Major zwinge, mein Hals." - Wurm macht deutlich, wo der schwache Punkt der Gegenseite ist:
"Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo tödliche Seiten, durch welche wir ihr Gewissen bestürmen können – ihren Vater und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel, desto freier können wir mit dem Musikanten umspringen."
"Nach dem, was Euer Exzellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den Vater mit einem Halsprozeß zu bedrohen. Die Person des Günstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten der Majestät – Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen dieser – Wenigstens will ich den armen Schächer mit diesem zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelöhr jagen."
- Anschließend wird die Familie zwar in Ruhe gelassen, muss aber einen Eid schwören, über die Intrige Stillschweigen zu bewahren.
- Wurm: "Sie liebt ihren Vater – bis zur Leidenschaft möcht ich sagen. Die Gefahr seines Lebens – seiner Freiheit zum mindesten – Die Vorwürfe ihres Gewissens, den Anlass dazu gegeben zu haben – Die Unmöglichkeit, den Major zu besitzen – endlich die Betäubung ihres Kopfs, die ich auf mich nehme – Es kann nicht fehlen – Sie muss in die Falle gehn.
- Als der Präsident kritisch nachfragt: " Aber mein Sohn? Wird der nicht auf der Stelle Wind davon haben? Wird er nicht wütender werden?"
- Weiß Wurm auch da Rat: "Das lassen Sie meine Sorge sein, gnädiger Herr – Vater und Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen körperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheimzuhalten und den Betrug zu bestätigen."
- Hier wird es noch einmal besonders interessant, denn das mit dem Eid überzeugt den Präsidenten nicht: "Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?"
- Aber Wurm kennt die Verhältnisse: "Nichts bei uns, gnädiger Herr. Bei dieser Menschenart alles – Und sehen Sie nun, wie schön wir beide auf diese Manier zum Ziel kommen werden – Das Mädchen verliert die Liebe des Majors und den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf, und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sies noch zuletzt für Erbarmung, wenn ich der Tochter durch meine Hand ihre Reputation wiedergebe."
III. Akt, Die restlichen Szenen
Szene 2: Der Präsident weiht den Hofmarschall in seine Pläne ein
- Der Präsident erklärt dem Hofmarschall seinen Plan:
- Zu Beginn der Szene macht der Präsident dem Hofmarschall klar, dass er selbst und sein Gast durch die Weigerung Ferdinands in größte Gefahr geraten.
- Der erschrockene Marschall fragt, was getan werden könne.
- Daraufhin bringt der Präsident ihn dazu, alle Bedenken fallen zu lassen und sich von Luise zu einem Date einladen zu lassen.
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Szene 3: Kurzszene: "Verabschiedung" des Briefes - Wurm kommt zum Präsidenten und berichtete ihm, dass Miller verhaftet worden ist.
- Außerdem lässt Wurm den Präsidenten seinen Briefentwurf lesen, der gut ankommt.
- Als Nächstes soll Wurm jetzt den Vater Miller mit diesem Brief bekannt machen und ihn dann Luise schreiben lassen.
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Szene 4: Konfrontation zwischen Luise und Ferdinand bis hin zum Verdacht
- Ferdinand besucht Luise, die ziemlich verzweifelt ist. Ihr Freund dagegen ist guter Dinge, bereit, seinen Vater ans Messer zu liefern und dann mit Luise an irgendeinem Ort der Welt glücklich zu werden.
- Man merkt hier deutlich, wie wahnhaft schwärmerisch Ferdinands Vorstellungen sind und wie wenig er sich in die reale Situation hineindenkt und wie wenig Rücksicht er auf seine Freundin nimmt.
- Kreative Anregung:
Diesem Begeisterungswahn Ferdinands kann man eine realistischere Vorausdeutung seines Zusammenlebens mit Luise in der Fremde entgegenstellen. - Das kann zum Beispiel ein Monolog Luises sein.
- Man könnte auch im Sinne von Brechts epischem Theater einen Kommentator einfügen.
- Interessant ist Luise Selbstkonzeption als Heldin, was kann man gut mit Iphigenie vergleichen beziehungsweise in Schillers Theaterkonzeption einordnen kann (schöne Seele).
- Während Ferdinand immer mehr in Raserei verfällt und dabei sogar eine Violine zerstört, versucht Luise Haltung zu bewahren und ihn mit aufzurichten. Das hilft aber alles nichts, weil Ferdinand am Ende aus Liebe Hass werden lässt in der Annahme, Luise habe einen anderen Liebhaber.
- Dieser Hassausbruch mag dramaturgisch wichtig sein, was die Charakterisierung Ferdinands angeht, ist es aber ein deutlicher Hinweis, der bereits seine abschließende Mordtat anklingen lässt.
- Ergänzung: Diese Szene ist ein schönes Beispiel für die Bedeutung der Voraussetzungen. Ferdinand spricht nämlich hier von einem Fluchtplan und beide wissen noch nicht, dass Vater und Mutter von Luise bereits inhaftiert sind, so dass sie nicht mitfliehen können, was der letzte Vorschlag Ferdinands gewesen ist.
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Szene 5: Während Luise auf ihre Eltern wartet, erscheint Wurm - Ein kurzer Monolog Luises, in dem sie ihre Situation beschreibt.
- Hier könnte man ihre Erwiderung auf die wilden Fantasien Ferdinands einbringen.
- Wichtig vielleicht noch, dass Wurm im Hintergrund bereits einen Teil des Monologs mitbekommt.
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Szene 6: Wurm bringt Luise dazu, den Brief zu schreiben - Wurm bringt Luise dazu, den verräterischen Brief an den Hofmarschall zu schreiben
- Im ersten Teil des Gesprächs präsentiert Wurm der armen Luise die schrecklichsten Dinge, die ihrem Vater in einem Kriminalprozess geschehen könnten.
- Als sie ihn daraufhin fragt, was getan werden könne, lässt Wurm sie einen gefälschten Liebesbrief an den Hofmarschall schreiben und zwingt sie am Ende auch noch, in einem Eid Stillschweigen über die wahren Hintergründe des Briefes zu bewahren.
- Anmerkung: Dieses Gespräch ist ein Musterbeispiel für sprachlichen Terror, was Luise zumindest ansatzweise auch erkennt und formuliert.
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Zusammenfassung: Dramatische Situation am Ende von Akt III - Nach dem Scheitern der Aktionen gegen die unstandesgemäße Liebe
- beginnt jetzt die Umsetzung eines Plans, der bei Ferdinand eine unbegründete Eifersucht hervorruft.
- Der Höhepunkt ist die Szene, in der die unterschiedlichen Ziele und Wertvorstellungen der beiden Liebenden deutlich werden und die Voraussetzungen für die kommende Intrige geschaffen werden (III,4)