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Wohmann, "Flitterwochen, dritter Tag"


Anmerkungen zur Kurzgeschichte "Flitterwochen, dritter Tag" von Gabriele Wohmann

  1. Die Kurzgeschichte thematisiert eine Beziehung, die an der Oberfläche zu funktionieren scheint, während es in Wirklichkeit Distanz und ansatzweise sogar Abscheu von Seiten der Frau gibt.
  2. In der Kurzgeschichte geht es um eine Hochzeitsreise, von der eine Episode am dritten Tag präsentiert wird.

  3. Der Einstieg ist die klare Ansage des Mannes, der es als selbstverständlich ansieht, dass seine Frau ihre Arbeit aufgeben wird. Sie selbst reagiert darauf eher zögerlich.

  4. Im weiteren Verlauf gibt es zwei Ebenen, einmal vielfältige Gesprächsimpulse des Mannes, die von der Frau aber nur minimal aufgenommen werden.
  5. Auf der anderen Seite widmet sie sich ausführlich einer Warze, wobei erst am Ende klar wird, dass sie nicht bei einem anderen Mann zu finden ist, sondern bei ihrem Ehemann.
  6. Diese Warze steht offensichtlich für all das, was dieser Frau an ihrem Mann nicht gefällt. Vor allen Dingen dessen Interesse an anderen Frauen wird in der Kurzgeschichte offen angesprochen.

  7. Insgesamt hat man den Eindruck einer sehr ungleichgewichtigen und doppelbödigen Kommunikation, was für den weiteren Verlauf der Flitterwochen und das gemeinsame Leben nichts Gutes verheißt.
    Bezeichnend ist die Textstelle, in der es heißt: "
  8. Spannend ist die Frage, ob sowohl die Frau als auch irgendwann auch der Mann sich mit einer solchen Beziehung begnügen können und wollen.

  9. Zur Kommunikation und zur Leserlenkung gibt es von uns auch ein Video:
    https://www.schnell-durchblicken2.de/lv-kg-flitterwochen-komm-leslenk

  10. Was die Kurzgeschichteneigenschaften angeht,
    1. so gibt es einen extrem direkten Einstieg, bei dem der Leser einige Zeit braucht, bis er verstanden hat, worum es geht,
    2. durchaus ein Alltagsgeschehen. Zwar sind Flitterwochen nichts, was sich in der Regel allzu häufig wiederholt. Aber sie sind eben auch etwas Normales, wie ja auch mehrfach im Text angedeutet wird: "was man so sagt" (in einer solchen Situation).
      Grundsätzlich hat der Moment in der Beziehung, dieser dritte Tag, schon das Potenzial der Wende. Das zeigt sich ja deutlich in dem Umgang mit der Warze, diesem Symbol für das, was der Ich-Erzählerin an ihrem Mann alles nicht gefällt. Aber am Ende sagt sie ganz deutlich: "mein Mann mit der Warze" und hat "kaum gezögert", ihm zu folgen.
      Im Verlauf der Geschichte deutet sich schon die Abwendung von der Wende an: Am Anfang weiß sie nicht, "ob es mir richtig behagte", dass ihr Mann zum Beispiel über ihre berufliche Zukunft entscheidet. Später fühlt sie "nun doch ziemlich genau, dass es mir zusagte, das Ganze. Bier, diese Witterung, dies bemerkenswerte Meer und unser Gerede über alles, zum Beispiel: Hauptsache, du bist dein blödes Büro los." Das heißt doch, dass sie vor allem die kommende Ehe als eine Verbesserung ihrer Situation ansieht. Kurz darauf heißt es dann: "Reinhard war mir jetzt näher." Insgesamt also ein eindeutiger Prozess der Annäherung, wenn auch unter den fragwürdigen Rahmenbedingungen zugelassener Fremdbestimmung. Inwieweit da auch der Alkohol zur Entspannung beiträgt, bleibt offen.
    3. Damit ist auch offen, was aus dieser ungleichgewichtigen Beziehung wird. Auf jeden Fall hat die Ich-Erzählerin eine erste Schlacht schon mal verloren, indem sie nicht daraufhin gearbeitet hat, dass einiges in ihrem Sinne für die Zukunft klargestellt wird. Aber vielleicht reicht ihr ja auch die Rolle, die sie in der Kurzgeschichte einnimmt, so wie es ihr auch reicht, dass ihr Mann bei ihr bleibt und bei jeder Gelegenheit nach anderen Frauen Ausschau hält.

  11. Allgemeine Hinweise zur Nutzung dieser Kurzgeschichte als Klassenarbeit bzw. Klausur:
    Beachtet werden muss, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler in Beziehungsfragen den gleichen Erfahrungsstand haben. Von daher sollte grundsätzlich abgesehen werden vom Einsatz von Kurzgeschichten, die Erwachsene in der Regel problemlos verstehen, weil sie eigene Erfahrungen "konnotieren" (automatisch mitdenken).
    Es ist bei Klausuren deutlich besser, Kurzgeschichten aus dem Lebensumfeld der Schüler einzubeziehen.
    Die Kurzgeschichte "Ein netter Kerl" von Gabriele Wohmann ist sehr viel besser geeignet. Jugendliche können sich gut vorstellen, was passiert, wenn man einen neuen Freund oder eine neue Freundin in ein Umfeld mitbringt, das erst mal auf Ablehnung eingestellt ist.
    Auf der Seite:
    https://www.schnell-durchblicken2.de/ur-kg-komm
    werden einige Kurzgeschichten aufgeführt, die direkt an die Lebenswelt von Schülern anknüpfen.

  12. Inzwischen gibt es auch eine Kurzgeschichte, die die Brauchbarkeit der "Flitterwochen"-Geschichte im Unterricht thematisiert:
    Björn Lankert, "Alles zu seiner Zeit" - oder: Kann das Pech nicht warten?
    https://www.schnell-durchblicken2.de/kg-lankert-alles-zu-seiner-zeit


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