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Goethes Iphigenie: Idee und Mythos

Goethes "Iphigenie auf Tauris": Die Grundidee der Klassik und der Tantaliden-Mythos (Youtube-Video)

Klassik, das heißt, das Beste aus dem Scheitern der Hoffnungen auf die Französische Revolution machen. Schiller entwickelt die Idee der "ästhetischen Erziehung" - Goethe liefert die passende "schöne Seele". Neben diesen Grundlagen präsentieren wir noch den antiken Mythos, der den Stoff für Goethes Drama lieferte.




Hier zeigen wir zunächst einmal, wie die Enttäuschung über den Verlauf der Französischen Revolution in Deutschland eine neue Auffassung von Kunst hervorruft und wie die sich dann in Richtung auf Goethes Drama auswirkt.
  • Nach dem Scheitern und den Schrecken der Französischen Revolution: Ziel eher harmonischer Ausgleich von Gegensätzen statt Empörung und Gewalt
  • Dazu gehört aber auch ein entsprechender Mensch – es war ja vor allem Schiller, der darauf hingewiesen hat, dass die Menschen offensichtlich noch nicht reif waren für eine neue Gesellschaft und vor allem den besten Weg dorthin.
  • Schiller glaubte an eine entsprechende Wirkung von „ästhetischer Erziehung“ – und die sollte und konnte für ihn vor allem im Theater stattfinden: „Die Schaubühne als moralische Anstalt.“
  • https://www.schnell-durchblicken.de/durchblick-auch-in-deutsch/schiller-kabale-und-liebe-tipps-und-infos/schillers-theatertheorie/
  • Das ist in gewisser Weise eine Weiterentwicklung der Katharsis von Aristoteles: Der Mensch soll erschüttert werden – und dabei von negativen Gefühlen gereinigt werden und zu positiven Handlungen im Sinne der Gesellschaft fähig sein.
  • Schiller wollte am liebsten auch noch lange nach ihrem Tod große Verbrecher auf die Bühne bringen und dort gewissermaßen nachträglich richten.
  • Als Wirkung erhofften er und Goethe sich am Ende gebesserte Menschen. Sie brachten das in das Bild der „schönen Seele“ stehen, die Pflicht und Neigung in sich zum Ausgleich bringt.
  • Und da sind wir bei Iphigenie, der Goethe selbst bescheinigte, sie sei „verteufelt human“ – und da haben wir einen weiteren Schlüsselbegriff, nämlich „Humanität“.
  • Natürlich gehören nicht nur entsprechende Stoffe, Themen und Aussagen zur Klassik, sondern auch eine bestimmte Form.
  • Dazu gehört zum einen eine besondere Form des „geschlossenen Dramas“, das eine klare Charakterentwicklung zeigt und zudem eine feste Form – meist ein fünfaktiges Drama, das wie eine Pyramide aufgebaut ist. Weiter unten gehen wir genauer darauf ein.
  • Außerdem eine hohe Sprache – und das heißt eine sehr ausgefeilte, anspruchsvolle Sprache sowie die Versform.

Hier geht es um einen Überblick über die Geschichte der Familie von Iphigenie und Orest. Alles beginnt mit Hybris und setzt sich auch noch beim Vater von Iphigenie in gleicher Weise fort. Darunter muss der Rest der Familie leiden, bis sich schließlich Iphigenie und Orest auf Tauris treffen und Goethe seine besondere Variante des Rettungswerkes in Gang setzen kann.

Übrigens: Auf der Seite
https://www.schnell-durchblicken2.de/iphigenie-klassik
findet sich noch eine wichtige Erweiterung dieses Schaubildes.
  • Zunächst mal der Stoff – aus der griechischen Antike: Es geht die Hybris eines Menschen (Tantalos), der alle weiteren Generationen seiner Familie belastet -> ständig Mord und Totschlag.
    • Wer sich für Details interessiert: Tantalos will bei einem Gastmahl die Götter testen und bringt seinen eigenen Sohn Pelops als Fleischgericht auf den Tisch - man erschautert regelrecht angesichts dieser abgrundtiefen Unmenschlichkeit
    • eine Göttin isst ein Stück Schulter
    • der Rest merkt es und sorgt dafür, dass der Sohn wieder "zusammengesetzt" wird - das fehlende Stück wird durch Elfenbein ersetzt.
    • Tantalos wird in die Unterwelt geschickt und erleidet die sprichwörtlich gewordenen "Tantalos-Qualen", d.h. er steht in einem Teich und wenn er etwas trinken will, weicht das Wasser vor ihm zurück; will er nach den Früchten an Zweigen über ihm greifen, geraten die auch außer Reichweite. Außerdem schwebt über dem Übeltäter ein Felsbrock, der jederzeit herabstürzen und ihn erschlagen kann.
    • Für die Nachkommen gilt, dass in den nachfolgenden Generationen immer wieder ein Familienmitglied ein anderes tötet, was die Gesamtschuld der "Tantaliden" vergrößert.
  • Sogar noch in Iphigenies Familie: Agamemnon, der Vater Iphigenies, reizt die Göttin der Jagd, Diana, die rächt sich, indem sie seiner Flotte, die gegen Troja ziehen soll, den Wind nimmt.
  • Dann die Lösung: Die Tochter des Übeltäters, Iphigenie, soll geopfert werden, was auch angegangen wird – im letzten Moment greift die Göttin ein, legt eine Hirschkuh auf den Altar und entführt das bedrohte Mädchen. Es wird Priesterin bei den Taurern, einem wilden Volk.
  • Iphigenies Mutter kann die Aktion ihrem Mann nicht verzeihen und lässt ihn nach seiner Rückkehr vom Feldzug ermorden.
  • Das bringt nun wieder Iphigenies Bruder Orest auf den Plan, er bringt seine Mutter um und wird anschließend von den Rachegöttinnen verfolgt.
  • Er bekommt den Rat vom Orakel in Delphi, er solle die Statue Dianas, der Schwester Apollos, stehlen und nach Griechenland bringen.
  • Fazit: Ein berühmter, häufig behandelter Stoff – dazu eine Königsfamilie, das entspricht der Forderung nach Fallhöhe bei Aristoteles, dessen Lehre vom Theater in der Geschichte eine große Rolle spielte.
  • Es gibt auch noch ein kleines Problem: Bei Euripides, der den Stoff schon im alten Griechenland auf die Bühne brachte, muss am Ende die Göttin Athene eingreifen. So etwas nannte und nennt man "Deus ex machina", d.h. wenn es zu verwickelt wird, taucht einfach ein Gott aus der "Maschine", aus dem Bühnenhintergrund, auf und spricht ein Machtwort. So etwas ist natürlich zu Goethes Zeiten nicht mehr glaubhaft - also musste er eine andere Lösung finden - und auf die gehen wir im Folgenden ein.
Die Entwicklung der Handlung wird Teil eines zweiten Videos sein.

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