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Luise Hensel "Scheidegruß"


Luise Hensel, "Scheidegruß" - ein Gedicht über den Abschiedsschmerz

Wir präsentieren hier ein Gedicht, das den Schmerz beim Abschied von einer Person, mit der man eng verbunden ist, in ein schönes Bild fasst. Es geht um eine Form des Wanderns, bei der "die Seele rückwärts zieht".
Der größte Teil des Gedichtes wird bestimmt von der Situation des Abschieds, das wird dann übergeleitet in das Leiden danach.
Am Ende ist das Gefühl der Trennung, des Verzichten-Müssens sogar noch größer geworden - und nichts scheint das lyrische Ich davor bewahren, daraus herausreißen, davon ablenken zu können.
Äußere Form:
  • 4-hebiger Trochäus
  • Verzicht auf die Hälfte eines Kreuzreims, was gut zur Situation der Trennung passt. Dem lyrischen Ich fehlt ja auch die Hälfte seines Lebens.
  • Wechsel von weiblichem und männlichem Versschluss
Inhaltserläuterung
  1. Strophe: Beschreibung des Gefühls im Moment des Abschieds - mit dem Schwerpunkt auf dem Bild der Zerrissenheit: Nach vorne geht es mit dem "Wandern" - aber "die Seele rückwärts zieht".
  2. Strophe: Beschreibung der Entwicklung im Prozess der Entfernung: Das "Tüchlein" flattert nur noch von "ferne", das Lyrische Ich "birgt" im Sinne von "verbirgt" der Rand des Waldes. Am Ende existiert diese Man-sieht-sich-gerade-noch-Situation nur noch im Traum.
  3. Strophe:  Beschreibung der Folgen, alles wird "trübe", man kann sich über nichts mehr freuen - und am Ende wird das Ausgangsgefühl sogar noch verdoppelt, ist also noch größer geworden. Die Seele hat sich anscheinend kein bisschen erholen können, zieht immer noch zurück.
Auswertung im Hinblick auf das Thema "Reisen" bzw. "Unterwegs sein"
  1. Deutlich wird, dass es sich eben auch um eine Zwangssituation handeln kann, etwa bei einem berufsbedingten Wohnortwechsel.
  2. Im Mittelpunkt steht die Zerrissenheit, die sich auch durch dieses "Unterwegs sein", das wohl zu einer dauerhaften Entfernung führt (es gibt keinen hoffnungsvollen Hinweis auf die Rückkehr oder sonst ein Wiedersehen).
  3. Das wiederum führt zu einer dauerhaften Eintrübung des Lebensglückes.
Vorschlag für kreative Arbeit mit dem Text:
  • Heute werden die im Gedicht angesprochenen Gefühle kaum beim Wandern entstehen - dementsprechend könnte man eine Übertragung in die heutige Lebenswirklichkeit versuchen.
  • Auch könnte man die Lücke füllen, indem man in einer vierten Strophe die Frage klärt, ob und wie es denn zu einem Wiedersehen kommen könnte.
  • Warum nicht auch im Rhythmus das Unharmonische sichtbar machen, indem der durchgehende Trochäus an bestimmten Stellen unterbrochen wird?

Versuch, auch noch den Rhythmus dem Inhalt anzupassen

01 O, wie bitter ist das Wandern,
02 Wenn uns die Seele rückwärts zieht,
03 Und ein liebes Auge lange
04 Weinend noch herüber sieht.

05 Und ein Tüchlein flattert ferne,
06 Bis dich birgt des Waldes Saum;
07 Siehst es winken, siehst es blinken,
08 Wehen noch durch deinen Traum.

09 Ach, die Sonne scheint dir trübe,
10 Und dich freut kein Lerchenlied –
11 Oh, bitter, bitter ist das Wandern,
12 Wenn uns die Seele rückwärts zieht.

Unser Video zu diesem Gedicht

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